Arzneimittel und Therapie

Bio- und Gentechnik: Rasante Entwicklung in der Arzneimittelforschung

In der aktuellen Diskussion über die Biotechnologie stehen ethische Fragestellungen im Hinblick auf die Präimplantationsdiagnostik oder Forschung mit embryonalen Stammzellen im Mittelpunkt. Dagegen ist der therapeutische Nutzen von gentechnisch hergestellten Medikamenten längst unbestritten. Bei der Suche nach neuen und besseren Medikamenten hat sich die Biotechnologie in den vergangenen zwei Jahrzehnten zu einer unverzichtbaren Schlüsseltechnologie entwickelt, wie der Verband der forschenden Arzneimittelhersteller (VFA) berichtete.

Mitte der 70er-Jahre hat die Gentechnik Einzug in die Arzneimittelforschung gehalten und ist bald unentbehrlich geworden. 1986 wurde mit Insulin das erste gentechnisch hergestellte Medikament in Deutschland zugelassen. Heute sind bereits 84 dieser Arzneimittel mit 64 verschiedenen Wirkstoffen verfügbar. Die Biotechnologie ermöglicht die Herstellung von natürlich vorkommenden Substanzen oder Abwandlungen davon, die als Arzneimittel verwendet werden können.

Damit können Wirkstoffe, die bisher nur unter sehr großem Aufwand und in kleiner Menge hergestellt werden konnten, in nahezu unbegrenzter Menge zur Verfügung gestellt werden:

  • Ein klassisches Beispiel hierfür ist das Humaninsulin. Bevor es gentechnisch hergestellt werden konnte, waren Diabetiker auf Insulin aus den Bauchspeicheldrüsen von Schlachttieren (Rindern und Schweinen) angewiesen. Da dieses nicht mit dem menschlichen körpereigenen Insulin identisch ist, konnte es bei längerer Anwendung zu Abwehrreaktionen des Körpers kommen. Gentechnisch hergestelltes Humaninsulin provoziert diese Nebenwirkungen nicht.
  • Ein weiteres Beispiel sind Blutgerinnungsfaktoren. Diese können zwar aus Blutplasma isoliert werden - problematisch bei diesem Verfahren ist jedoch das Angewiesensein auf Blutplasmaspenden und die aufwendige Kontrolle der Spenden auf mögliche Infektionserreger (z. B. HIV, Hepatitis). Gentechnisch hergestellte Blutgerinnungsfaktoren ermöglichen nicht nur die Versorgung der Bluterkranken, ohne auf Blutplasmaspenden angewiesen zu sein, sondern sind auch sicher im Hinblick auf eine Übertragung von Infektionserregern.
  • Zur Behandlung der Gaucher-Krankheit, die sich unter anderem in einem starken Anschwellen von Leber und Milz äußert, benötigt man das Enzym Glucocerebrosidase. Dieses wurde zunächst mühsam aus Plazenten gewonnen. Zur Versorgung eines Patienten wurden bis zu 20 000 Plazenten benötigt. Dank Gentechnik kann die Versorgung mit diesem wichtigen Medikament ohne Rückgriff auf Plazenten sichergestellt werden.
  • Bei der Herstellung von Impfstoffen bietet die Gentechnik enorme Vorteile, da auf den Umgang mit Erregern bei der Herstellung oder als Bestandteil des Impfstoffes selbst verzichtet werden kann. Gentechnisch hergestellte Impfstoffe gibt es z. B. gegen Hepatitis B, aber auch gegen Keuchhusten und Pneumokokken-Infektionen.
  • Im Kampf gegen Multiple Sklerose und Krebs stellen gentechnisch produzierte Arzneimittel entscheidende Werkzeuge dar. Hier kommen Interferone und gentechnisch modifizierte monoklonale Antikörper zum Einsatz.
  • Bei der Verhinderung der Abstoßung von transplantierten Organen können gentechnisch humanisierte monoklonale Antikörper ebenfalls hilfreiche Dienste leisten.
  • Dank Gentechnik wird die Entdeckung der molekularen Ursachen von Krankheiten beschleunigt. So können Tests entwickelt werden, mit denen spezielle Maschinen Millionen Substanzen auf spezifische Wirkungen untersuchen können.
  • Durch Gentechnik in Kombination mit moderner Computertechnologie können neue Medikamente im so genannten Drug-design-Verfahren wie am Zeichentisch entworfen werden. Die langwierige Suche nach neuen Leitsubstanzen für innovative Therapien kann so erheblich effizienter gestaltet werden. Beispiele hierfür sind Präparate gegen AIDS und Krebs.
  • Mithilfe so genannter DNA-Chips wird es bald schneller möglich sein, Erkrankungen wesentlich präziser festzustellen, evtl. Resistenzen von Infektionserregern (z. B. HIV) gegen bestimmte Arzneimittel zu ermitteln oder genetische Faktoren zu analysieren, die bei einem Patienten dazu führen, dass ein bestimmtes Arzneimittel nicht wirkt oder schwere Nebenwirkungen hervorruft. Mit diesem Wissen wird es möglich, auch bereits vorhandene Arzneimittel noch gezielter als bisher einzusetzen.

0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.