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Forschende Arzneimittelhersteller: Rund 250 Forschungsprojekte könnten bis 2007

BERLIN (ks). Auch wenn die wirtschaftliche Lage in Deutschland nur bei wenigen Unternehmen Optimismus hervorruft: Die forschende Pharmaindustrie wird ihre "therapeutische Erfolgsgeschichte fortschreiben", prognostiziert Dr. Andreas Barner, Vorstandsvorsitzender des Verbands Forschender Arzneimittelhersteller (VFA). Die Branche hat einiges in der Pipeline: Einer aktuellen Umfrage zufolge laufen bei den VFA-Mitgliedsunternehmen 253 Projekte, die bis 2007 zur Zulassung eines neuen Medikaments oder zu einer wesentlichen Zulassungserweiterung für ein existierendes Präparat führen können, erklärte Barner am 15. Dezember in Berlin.

Bei einigen dieser Projekte wurden die Medikamente bereits zur Zulassung eingereicht, bei anderen werden derzeit noch Daten in klinischen Studien ermittelt. Der Schwerpunkt der Entwicklungsprogramme liegt dabei auf schweren und lebensbedrohlichen Erkrankungen: 16 Prozent der Projekte entfallen auf Krebserkrankungen, 15 Prozent auf Herz-Kreislauf- und 14 Prozent auf Infektionskrankheiten wie AIDS.

Weitere 13 Prozent widmen sich Entzündungskrankheiten, beispielsweise Asthma, Allergien, Morbus Crohn, Rheuma und Multiple Sklerose. Die Krankheit, für die in den kommenden Jahren mit den meisten Zulassungen zu rechnen ist, ist Morbus Parkinson.

Insgesamt zwölf Projekte sollen dazu bis 2007 abgeschlossen sein. Gegen HIV/AIDS könnten bis dahin sieben neue Arzneimittel auf den Markt kommen. Ein HIV-Impfstoff sei allerdings trotz intensiver Arbeit daran noch nicht zu erwarten, erklärte der VFA-Vorstandsvorsitzende.

Dafür könnten einige andere Impfstoffe zur Zulassung gelangen: Derzeit werden solche gegen Genitalherpes, Gürtelrose und Rotavireninfektionen getestet. Auch an Impfstoffen gegen Humanpapillomaviren – Hauptverursacher von Gebärmutterhalskrebs – werde gearbeitet.

Mehr Arzneimittel für Kinder

Kinder sollen von den Innovationen ebenfalls profitieren: Bei 23 Prozent der Projekte ist vorgesehen, dass die betreffenden Medikamente zusätzlich in Studien mit Kindern und Jugendlichen erprobt werden, damit spezielle Zulassungen beantragt werden können, erklärte Barner.

Dies klinge zwar wenig, es müsse jedoch berücksichtigt werden, dass viele der Arzneimittel gegen typische Erkrankungen des mittleren und höheren Alters in Entwicklung sind – z. B. Brustkrebs, Parkinson, Herzinsuffizienz oder Prostatakrebs.

Bei den Medikamenten, für die es einen Sinn ergebe, seien von den Herstellerfirmen mehrheitlich von vorn herein Kinderzulassungen eingeplant, so der VFA-Vorstand. Damit es noch mehr werden, würden aber dringend Anreize für Kinderprojekte in Analogie zur Orphan-Drug-Regelung benötigt.

Gentechnik im Aufschwung

"Viele der kommenden Innovationen werden gentechnische Präparate sein", erläuterte Barner weiter. Derzeit seien rund drei Prozent der zugelassenen Wirkstoffe gentechnischer Natur. Von den Wirkstoffen der kommenden Medikamente könne es bereits jeder fünfte sein. Doch auch bei der chemischen Synthese habe es enorme Fortschritte gegeben. In den kommenden Jahrzehnten dürfte sie die Herstellungsmethode der Wahl für die Mehrzahl der Wirkstoffe bleiben, so Barner.

F&E auch in Deutschland

Auch wenn die Standortbedingungen für Unternehmen in Deutschland immer schwieriger werden: In den hiesigen Labors wird nach wie vor geforscht. Etwa nach dem ersten hormonellen Verhütungssystem für Männer sowie Mitteln gegen Krebs, HIV-Infektionen, Hepatitis C, Asthma und chronisch-obstruktive Lungenkrankheit.

Barner berichtete, dass die VFA-Mitglieder in Deutschland 16 Prozent ihres Umsatzes für Forschung und Entwicklung (F&E) ausgeben. Das sind Ausgaben von 10 Mio. Euro täglich oder knapp 3,6 Mrd. Euro jährlich. "Damit stehen sie im Branchenvergleich an der Spitze". 19 der 43 Mitgliedsunternehmen unterhalten Labors in Deutschland, fast alle führen hierzulande klinische Studien durch.

Rund 14.500 Mitarbeiter der Pharmaindustrie arbeiten in der Forschung und Entwicklung. Trotz aller Belastungen durch die Politik – nicht zuletzt auch den ab 2004 geltenden 16prozentigen Herstellerrabatt auf patentgeschützte Arzneimittel – werde die Forschung und Entwicklung von den VFA-Unternehmen nachhaltig betrieben, sagte Barner.

"Aber es ist ebenso offensichtlich, dass sie größere Teile ihrer F&E-Investitionen eben nicht mehr vorrangig in Deutschland, sondern in anderen Ländern – allen voran den USA – tätigen". Eine Umkehr dieses Trends sei nur möglich, wenn strukturelle Defizite in Deutschland abgebaut würden und vor allem die Gesundheitspolitik sich wieder innovationsfreundlicher gestalte. Der VFA-Vorstandsvorsitzende forderte von Politikern mehr als nur Lippenbekenntnisse, dass die Pharmaindustrie eine Chance für das Land sei.

Gleichwohl betonte Barner: "Für mich ist Arzneiforschung nach wie vor ein Stück deutscher Identität und das Kennzeichen eines Landes, das wissenschaftlich und technologisch den Anschluss an den Kreis der Nationen, die die Welt der Zukunft maßgeblich mitgestalten wollen, nicht verlieren will."

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