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Das Wissen über die Möglichkeiten, aber auch über die Gefahren der Gentechnik ist in den letzten Jahren laufend angewachsen; und immer noch weckt dieser Begriff auf der einen Seite Hoffnungen und schürt auf der anderen Seite Ängste. In vielen Bereichen des Lebens hat die neue Technik schon längst Einzug gehalten, manchmal fast unbemerkt, wie sich an zahlreichen Beispielen aus der Lebensmittelindustrie zeigen lässt.

Aber auch in der Arzneimittelforschung und -entwicklung nimmt die Gentechnik seit Mitte der Siebzigerjahre eine immer wichtigere Rolle ein – viele aktuelle Therapiefortschritte wären ohne sie gar nicht denkbar. Dennoch ist das Tempo dieses Fortschritts manchen zu rasant, andere wiederum beklagen die zu langsame Entwicklung in Deutschland und verweisen auf die Abwanderung hochqualifizierter Wissenschaftler in die USA. In unserem Artikel in dieser Ausgabe können Sie sich ab Seite 43 selbst ein Bild zu diesem Thema machen und sich über Hintergründe und Techniken sowie Sicherheitsaspekte informieren.

Wie selbstverständlich wir heute bereits die Errungenschaften der Gentechnik einsetzen, um neue Arzneimittel zu entwickeln und herzustellen, wird deutlich, wenn man den derzeitigen Arzneischatz betrachtet. Als Folge der neuen Technologien, zu denen auch die Gentechnik gehört, ist die Zahl der neuen Arzneimittel, die auf den Markt kommen, in den letzten Jahren deutlich angestiegen. Gentechnisch hergestellte Moleküle sind oft sehr gute Wirkstoffe. Unter anderem weisen sie den Weg zu neuen, selektiv wirksamen Substanzen an Zielstrukturen, für die heute noch keine wirksamen Arzneimittel zur Verfügung stehen. Gentechnisch hergestellt werden unter anderem zahlreiche körpereigene Substanzen, beispielsweise zelluläre Botenstoffe, und ihre Gegenspieler sowie monoklonale Antikörper für die verschiedensten Indikationen.

Ein Beispiel für die Nutzung und Weiterentwicklung von Produkten der Gentechnik sind Interferone, die heute unter anderem zur Behandlung von Virusinfektionen wie der Hepatitis C eingesetzt werden. Diese wertvollen Arzneimittel wurden früher aus menschlichem Blut gewonnen. 60 000 Liter waren erforderlich, um ein Gramm des begehrten Wirkstoffs zu erhalten. Mit der gentechnischen Herstellung der Interferone können diese heute in großem Maßstab verwendet werden. Ein weiterentwickeltes pegyliertes Interferon stellen wir Ihnen in dieser Ausgabe auf Seite 30 vor.

Ein medizinischer Fortschritt, der durch die Gentechnik erst möglich wurde, ist die Verwendung von embryonalen Stammzellen für therapeutische Zwecke. Krankheiten wie Krebs, Multiple Sklerose, Parkinson, Rheuma oder angeborene Stoffwechseldefekte sollen so eines Tages besser behandelbar werden. Dabei ist das therapeutische Klonen, bei dem Embryonen lediglich zum Zweck der Stammzellgewinnung "erzeugt" werden, ethisch umstritten. Weit weniger bedenklich ist das Gewinnen von Stammzellen aus embryonalem Nabelschnurblut. Diese kommen allerdings vor allem dem Spender selbst zugute, wenn er später einmal erkrankt. In Deutschland gibt es bereits eine Firma, die embryonales Nabelschnurblut nach der Geburt einfriert und aufbewahrt, wenn der Spender dieses später im Fall einer Erkrankung benötigt. Wir berichteten bereits in DAZ Nr. 49/2000, S. 8, über dieses spannende Thema und werden Sie auch zukünftig auf dem Laufenden halten.

Außerdem informieren wir Sie in dieser Ausgabe ab S. 16 über die Eröffnung der 31. Internationalen BAK-Fortbildungswoche in Davos. In seiner berufspolitischen Eröffnungsrede betonte Johannes Metzger, neugewählter Präsident der Bundesapothekerkammer (BAK), das Hauptziel seiner Arbeit sei der Erhalt der Individualapotheke. Metzger sieht dieses Ziel durch Angriffe von Seiten der Regierung und der Krankenkassen gefährdet, die gemeinsam durch Maßnahmen wie das Festhalten an Budgets, die Einführung der Integrierten Versorgung und Forderungen nach dem Arzneimittelversandhandel die Existenz der Individualapotheke bedrohen. Wir Apotheker wünschen uns vor allem, dass die Qualität der Arzneimittelversorgung, wie sie jeder einzelne Apotheker in seiner Apotheke liefern kann, wieder zum Maßstab einer zukunftsorientierten Gesundheitspolitik wird.

Peter Ditzel

Gentechnik für die Medizin der Zukunft

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