Praxis

T. Müller-BohnLeitlinien zur Qualitätssicherung &n

Im Mai verabschiedete die Bundesapothekerkammer die ersten "Leitlinien zur Qualitätssicherung", die bis dahin unter dem Begriff Qualitätsstandards diskutiert worden waren. Inzwischen wurden einige dieser Leitlinien veröffentlicht. Damit gibt es für deutsche Apotheken erstmals eine "offizielle" inhaltliche Empfehlung für die Gestaltung individueller Qualitätsmanagementsysteme (QMS). Doch wie ist mit diesen Leitlinien umzugehen? Wie können sie bei der Gestaltung eines QMS und bei der praktischen Arbeit damit helfen?

Hier soll der Versuch unternommen werden, eine "Gebrauchsanweisung" zu formulieren, mit der die Leitlinien in die Prozesse von QMS-Apotheken übertragen werden können.

Inhaltliche Qualitätsstandards wurden in der Vergangenheit wiederholt als wichtiger Bestandteil im Konzept der ABDA für apothekenspezifische QMS hervorgehoben [1]. Mit der Entscheidung, ein eigenständiges Qualitätsmanagement für Apotheken zu entwickeln und sich bei Zertifizierungen nicht auf die branchenübergreifenden ISO-Normen zu beziehen, wurden solche inhaltlichen Konzeptionen für das qualitätsorientierte Arbeiten erforderlich. Die Bedeutung der Qualitätsstandards geht auch aus § 1 Abs. 4 der ABDA-Mustersatzung zu QMS und ähnlichen Regelungen in den Satzungen der Länderkammern hervor.

Leitlinien statt Qualitätsstandards

Im Zuge der weiteren Diskussion kamen Bedenken wegen der Verbindlichkeit solcher Standards auf. So wurde die Gefahr gesehen, dass "Standards", die von der Bundesapothekerkammer in Kraft gesetzt würden, als verbindliche Regelungen für alle Apotheken interpretiert werden könnten. Bei der Verabschiedung der ersten "Standards" wurden diese daher in "Leitlinien zur Qualitätssicherung" umbenannt. In der Präambel zu diesen Leitlinien wird ausdrücklich ihr Empfehlungscharakter betont. Sie würden nicht von der heilberuflichen Verantwortung entbinden und hätten weder haftungsbegründende noch haftungsbefreiende Wirkung [2].

Damit rücken diese Leitlinien in die Nähe der Leitlinien, wie sie von verschiedenen Fachgesellschaften - auch in anderen Disziplinen - veröffentlicht werden. Doch besteht weiterhin ein entscheidender Unterschied zu anderen Leitlinien. Die Leitlinien diverser Fachgesellschaften haben nur Aussagen zu den jeweiligen sachlichen Inhalten zum Ziel. Sie werden nicht ausdrücklich geschaffen, um die Formulierung apothekenindividueller QMS zu unterstützen. Sie folgen keiner einheitlichen Gliederungskonzeption und müssen im Allgemeinen erst in eine QMS-orientierte Logik "übersetzt" werden.

Anwendung in der Praxis

Die "Leitlinien zur Qualitätssicherung" der Bundesapothekerkammer wurden und werden dagegen ausdrücklich geschaffen, um die Arbeit mit apothekenspezifischen QMS zu fördern. Nachfolgend soll nur von der letztgenannten Art der Leitlinien die Rede sein. Für Apotheken, in denen bereits mit oder an einem QMS gearbeitet wird, stellt sich nun die Frage, wie diese neuen Leitlinien in das QMS integriert werden können. Hierzu sollen nachfolgend Anregungen und Hilfestellungen gegeben werden.

Dabei soll auch deutlich werden, dass die mitunter recht formalistisch wirkenden Texte durchaus in praktisch ausführbare Handlungen übertragen werden können. Denn die Leitlinien sind nicht als theoretische Konstrukte entstanden, sondern beruhen auf Erfahrungen aus Apotheken, die auf einzelnen Gebieten besonders aktiv sind oder bereits mit einem QMS arbeiten.

Sammlung rechtlicher Regelungen

Die Leitlinien beginnen stets mit einer Darstellung von "Zweckbestimmung und Geltungsbereich". Dort wird angegeben, welche Tätigkeiten in der Leitlinie beschrieben werden. Es folgen "regulatorische Anforderungen". Dort werden die rechtlichen Bestimmungen zusammengetragen, die bei diesen Tätigkeiten zu beachten sind. Dies kann eine beachtliche Hilfe sein, wenn bei einer Tätigkeit Bestimmungen aus unterschiedlichen Gesetzen, Verordnungen und anderen Regelwerken zu beachten sind. Wenn im Rahmen der Gestaltung eines individuellen QMS bei den einzelnen Prozessen die jeweils relevanten Einzelschritte gesammelt werden, wird diese Aufstellung helfen, keine relevante Bestimmung zu vergessen. Doch gilt es hier, an die Präambel zu erinnern, dass die Urheber wohl keine Haftung dafür übernehmen, alle Bestimmungen abschließend erfasst zu haben.

Der nächste Abschnitt "Zuständigkeiten" enthält die regulatorischen Anforderungen an die fachlichen Kompetenzen der Personen, die die beschriebenen Tätigkeiten ausführen. Alle diese Angaben fassen nur zusammen, was bereits an anderer Stelle geregelt ist.

Rahmenbedingungen für individuelle Regelungen

Erst die apothekenindividuellen Regelungen können und sollen festlegen, wer den jeweiligen Prozess ausführen darf und wer ggf. sicherstellen muss, dass der Prozess tatsächlich zur geplanten Zeit ausgeführt wird und nicht in Vergessenheit gerät. Ebenso sollte geregelt werden, wer für die Pflege des Prozesses zuständig und verantwortlich ist. Die Leitlinie gibt damit nur einen Rahmen an, innerhalb dessen jedes Apothekenteam seine eigenen praxisgerechten Regelungen definieren muss.

Dieses Prinzip gilt auch für nahezu alle weiteren Angaben in den Leitlinien einschließlich ihrer Anlagen. Daraus folgt zwangsläufig, dass die Leitlinien noch keine fertigen Prozesse darstellen.

Übersicht im Flussdiagramm

Dieses Konzept ist ganz besonders wichtig für das Verständnis des vierten und zentralen Teils der Leitlinien. Dieser besteht aus einer Darstellung des Ablaufes der jeweiligen Tätigkeiten in der Form eines Flussdiagrammes. Die linke Seite des Flussdiagrammes beschreibt grob einzelne Handlungsschritte.

An einigen Stellen der Abläufe erfolgen Verzweigungen des Handlungsstranges, die sich an den Ergebnissen der vorhergehenden Schritte orientieren. So führt in der Leitlinie "Prüfung und Lagerung der Ausgangsstoffe" nach der "Durchführung der Eingangsprüfung" der Hauptstrang der Handlung weiter zur "Festlegung der Aufbrauchfrist". Daneben wird für den Fall einer negativ endenden Prüfung das "Verfahren bei Qualitätsmängeln" erwähnt. Andere Verzweigungen in Flussdiagrammen bedeuten dagegen Fallunterscheidungen. Beispielsweise unterscheidet das Ablaufschema zur Defektur Fälle mit oder ohne Prüfprotokoll.

Stufenweise Konkretisierung

Aus den groben Angaben auf der linken Seite des Flussdiagrammes geht jedoch nicht hervor, wie diese Schritte auszuführen sind. Sie werden daher auf der rechten Seite konkretisiert, insbesondere durch Verweis auf die jeweils relevanten rechtlichen Bestimmungen. Dabei wird ein Vorgang oft in Einzelschritte gegliedert. So gehören zur "Dokumentation der Prüfergebnisse" die "Erstellung des Prüfprotokolls", die "Kennzeichnung der geprüften Ware" und die "Archivierung des Prüfprotokolls".

Doch auch diese Angaben lassen viele Fragen zur Durchführung offen. Weitere Hilfen hierzu bietet der Anhang. Der erste Teil der Anhänge zu den Leitlinien enthält Erläuterungen zu den einzelnen Handlungsschritten. Dabei geht der Umfang der Erläuterungen oft weit über den Text der eigentlichen Leitlinie hinaus. Vermutlich soll durch die Platzierung einiger Inhalte in den Anhängen noch weiter betont werden, dass diese Angaben nicht als zwingende Regelungen zu interpretieren sind.

Vielfältige Anhänge

Manche Angaben in den Anhängen stellen nur die bestehende Rechtslage dar. Viele Erläuterungen enthalten Kriterienkataloge oder Checklisten, z. B. Kriterien für die Prüfung der Kennzeichnung oder der Packungsbeilage von Fertigarzneimitteln. Diese ergeben sich zwangsläufig aus den Regelungen des AMG. Doch geben andere Anhänge über die Darstellung der Rechtslage hinaus weitergehende Empfehlungen. So bilden die Kriterien für die Prüfung der Fertigarzneimittel einen eigenen Teil des Anhanges zur diesbezüglichen Leitlinie. Dort werden geeignete Prüfkriterien für die verschiedenen Darreichungsformen aufgezählt.

In ähnlicher Weise listet ein Anhang zur Leitlinie "Herstellung und Prüfung der nicht-sterilen Rezeptur- und Defekturarzneimittel" die einzelnen Schritte zur Herstellung verschiedener Darreichungsformen auf [3]. An anderer Stelle enthält der Anhang zu dieser Leitlinie eine Liste mit Kriterien für die Plausibilitätskontrolle von Verordnungen über Rezepturarzneimittel. Diese Angaben beziehen sich u. a. auf die Leitlinien zur dermatologischen Rezeptur der Gesellschaft für Dermopharmazie [5].

So werden neben rechtlich zwingenden Vorschriften auch andere einschlägige Quellen genutzt. Insofern sind die meisten Anhänge mehr als nur Darstellungen der Rechtslage. Doch gerade diese vielfältigen Anregungen dürften für den praktischen Nutzwert der Leitlinien entscheidend sein, da es in der Praxis schwer fällt, alle relevanten Empfehlungen selbst zu sammeln. Andererseits dürfen die Checklisten und ähnliche Darstellungen nicht als abschließende Aufzählungen interpretiert werden, zumal sie oft als "Beispiele" bezeichnet werden.

Interpretation der Anhänge

Mitunter sind in den Erläuterungen auch Hinweise auf zusätzliche Handlungsschritte "versteckt". So enthält die erwähnte Rezepturleitlinie auf der rechten (d. h. stärker detailbezogenen) Seite des Flussdiagrammes den Arbeitsschritt "Prüfung der Verordnung auf Konservierung". Aus der Erläuterung ergibt sich dann ein Auftrag, die mikrobiell anfälligen Rezepturen zu konservieren. Demnach verbirgt sich hier ein aktiver Eingriff in die Rezeptur, also weit mehr als nur eine "Prüfung der Verordnung" auf dem Papier. Hieraus leiten sich die Fragen ab, welche Rezepturen in welcher Konzentration mit welchem Konservierungsmittel zu konservieren sind.

Einen ähnlichen verborgenen Hinweis enthält die Erläuterung über Primärpackmittel zur gleichen Leitlinie. Demnach soll dem Patienten bei der Abgabe die korrekte Anwendung des Primärpackmittels erläutert werden. Der Schritt "Abfüllung in das Abgabebehältnis" kann in der Praxis aber nur der Anlass sein, später an eine solche Maßnahme zu denken. Tatsächlich durchzuführen wäre dies in einem eigenen Schritt zum Thema "Patienteninformationen". Dieser findet sich in der Leitlinie nicht explizit, doch mag aus der Erläuterung ein entsprechender Regelungsbedarf abgeleitet werden.

Hierbei wären sicher in vielen Fällen auch noch weitere Hinweise zur Lagerung und Anwendungsdauer angebracht. Letztlich leitet dies zum umfangreichen Themengebiet der Beratung über. Demnach wären solche Regelungen auch nicht in einem Prozess zur Rezeptur, sondern in einem eigenständigen Beratungsprozess darzulegen, der neben vielen anderen Beratungsaspekten auch den Fall der Abgabe von Rezepturen berücksichtigen muss.

Leitlinien sind keine Prozesse

Wenn auch die Erläuterungen die weitaus meisten Einzelinformationen enthalten, bilden die Flussdiagramme doch den zentralen Inhalt der Leitlinien. Sie tragen nicht nur Regelungen aus diversen Vorschriften zusammen, sondern bringen diese auch in eine sinnvolle Ordnung, was eine weitere wichtige Hilfestellung bei der Formulierung von Prozessen oder Standardarbeitsanweisungen (SOP's) darstellt. Doch muss dringend vor dem möglichen Missverständnis gewarnt werden, die Flussdiagramme seien bereits die Ablaufdarstellung von Prozessen.

Empfehlungen für Prozesse

Die Urheber der Leitlinien machen diese Tatsache durch einen weiteren Teil der Anhänge zu den Leitlinien deutlich. Die Anhänge enthalten meistens eine "Empfehlung einer Liste zu erstellender Standardarbeitsanweisungen". Diese empfohlenen Standardarbeitsanweisungen oder Prozesse beziehen sich jeweils nur auf einige Teilschritte der Flussdiagramme, die sich als zusammenhängende Arbeitsabläufe beschreiben lassen. Allerdings sollten die aufgeführten Empfehlungen nicht immer als abschließende Liste der notwendigen Prozesse bzw. SOPs verstanden werden. Die diesbezüglichen Empfehlungen zu den Leitlinien bezüglich der Prüfung und Lagerung von Packmitteln, Ausgangsstoffen und Fertigarzneimitteln dürften alle Inhalte der Leitlinien abdecken.

Doch umfasst die Leitlinie zur Rezeptur und Defektur zahlreiche Handlungen, die sich den empfohlenen SOP's nicht zuordnen lassen. So wären außer den empfohlenen SOP's weitere Regelungen für die beschriebenen vor- und nachbereitenden Schritte wie Prüfung der Verordnung, Abklärung von Unklarheiten, Abfüllung und Kennzeichnung erforderlich. Außerdem ließe sich diskutieren, ob anstelle der empfohlenen Anleitung zur Erarbeitung von Herstellungsanweisungen eine allgemeine Regelung zum grundsätzlichen Ablauf einer Rezeptur als Einstieg in die Arbeit mit dem QMS angemessener wäre, zumal der Inhalt der Leitlinie gerade diesen Weg vorzeichnet.

Unterschiedliche Zielsetzungen

Die Gründe, weshalb die Leitlinienthemen nicht unmittelbar in Prozessthemen übertragen werden können, liegen in der Wahl der Inhalte der Leitlinien. Dies soll am Beispiel der "Prüfung und Lagerung der Ausgangsstoffe" beschrieben werden. Dies ist eine klar umrissene Aufgabenstellung, für die eine zusammenhängende Darstellung nahe liegt. Doch berührt sie verschiedene Arbeitsabläufe, die gemeinsam zur ordnungsgemäßen Prüfung und Lagerung beitragen.

So beginnt das Flussdiagramm zu diesem Thema mit der "Durchführung der Wareneingangsprüfung". Diese findet zwangsläufig im Zusammenhang mit dem Wareneingang diverser anderer Produkte, insbesondere Fertigarzneimittel, statt. Ein prozessorientiertes Qualitätsmanagement-Handbuch wird diesen Vorgang daher im Zusammenhang mit der Warenwirtschaft beschreiben. Denn er wird vom pharmazeutisch-kaufmännischen Personal zwischen kaufmännischen und organisatorischen Tätigkeiten ausgeführt. Die organisatorische Herausforderung liegt hier in der Integration einer angemessenen Eingangskontrolle in den Handlungsablauf des Wareneinganges.

Dann folgt gemäß Flussdiagramm die "Weiterleitung der ungeprüften Ware in den Quarantänebereich" und die Prüfung im engeren Sinne. Dies ist wiederum ein eigenständiger Ablauf. Er wird zu einer anderen Zeit von anderen Personen ausgeführt als die Vorgänge in der Warenwirtschaft. Ein Prozess zur Prüfung der Ausgangsstoffe endet konsequenterweise mit der "Freigabe der geprüften Ausgangsstoffe". Doch endet das Flussdiagramm der zitierten Leitlinie an dieser Stelle noch nicht.

Es geht weiter mit der Lagerung, den möglichen Wiederholungsprüfungen und schließlich der "Vernichtung der Ausgangsstoffe". Dies geht logischerweise weit über einen Prüfungsprozess hinaus, da die Vernichtung der Ausgangsstoffe nicht das Ziel der Prüfung sein kann. Vielmehr ist die Wiederholungsprüfung ein eigenständiger Prozess, der bei negativem Ergebnis die Vernichtung erforderlich machen kann. Doch folgt die Wiederholungsprüfung nicht im Rahmen einer lückenlosen zeitlichen Abfolge auf die Einlagerung der Substanz.

Besonderheiten der Prozessdarstellung

Die Flussdiagramme können demnach logische und zeitliche Sprünge enthalten und müssen nicht immer den kontinuierlichen Arbeitsablauf einer Person beschreiben. Ein Blick auf die Empfehlungen zur Formulierung der SOP's kann helfen, diese Sprünge zu finden. Prozesse sollten dagegen solche Sprünge nicht enthalten, wenn sie in der Praxis ausführbar sein sollen.

Zudem muss für jeden einzelnen Prozess bestimmt werden, wer diesen wo und bei welcher Gelegenheit ausführt. Dazu gehört, die Auslösung jedes einzelnen Prozesses sicherzustellen. So ergibt sich beispielsweise aus der ordnungsgemäßen Prüfung und Lagerung nicht zwangsläufig, dass zur gegebenen Zeit an die Wiederholungsprüfung gedacht wird. Wie diese Termine überwacht werden, bleibt in der Leitlinie unerwähnt und jeder Apotheke überlassen. Doch kann dieser Aspekt wichtiger sein als die Regelung der Wiederholungsprüfung selbst, die sonst gar nicht ausgelöst würde.

Großer Regelungsspielraum

Das Beispiel der Wiederholungsprüfungen zeigt auch, welchen großen Spielraum die Leitlinien belassen. So sollen diese Prüfungen in "angemessenen Zeiträumen" stattfinden. Ergänzend werden Beispiele für mögliche Hinweise auf Qualitätsmängel genannt. Dabei bleibt aber offen, ob nicht bei vielen preisgünstigen Ausgangsstoffen die Neubeschaffung der Ware ökonomisch sinnvoller ist als eine umfangreiche Wiederholungsprüfung. Wenn dies in einer Apotheke konsequent so geregelt ist, die Lagerungstermine überwacht werden und die überalterten Ausgangsstoffe ordnungsgemäß vernichtet werden, wird dies auch die Ziele der Leitlinie erfüllen. In einem solchen Fall wird die Leitlinie zu erfüllen sein, obwohl eine geregelte Anweisung zur Durchführung der Wiederholungsprüfung nicht vorhanden ist.

Prozesse erfordern mehr Details

Während sich hinsichtlich der Regelungsbreite eine Leitlinie auf mehrere Prozesse bezieht, enthalten umgekehrt die Leitlinien hinsichtlich der Regelungstiefe nicht alle Angaben, die für einen Prozess erforderlich sind. So gehören viele Angaben aus den Erläuterungen ebenfalls in einen praktisch ausführbaren Prozess, wie die oben erwähnten Beispiele zu den Erläuterungen gezeigt haben und wie in den Anhängen betont wird. Zudem geben die Erläuterungen Hinweise auf mögliche Regelungen, über die apothekenindividuell zu entscheiden ist. Apothekenindividuelle Prozesse oder SOP's können sich jedoch im Gegensatz zu den Leitlinien nicht auf eine Aufzählung rechtlicher Möglichkeiten oder Alternativen aus der Literatur beschränken.

So ist der Hinweis auf eine tägliche oder sechs wöchentliche Prüfung von Fertigarzneimitteln wie in der Erläuterung zur Leitlinie zur "Prüfung der Fertigarzneimittel" für einen Prozess nicht hinreichend operational, d. h. er kann nicht praktisch ausgeführt werden. Hier muss festgelegt werden, wer wann wie viele Proben untersucht. Ebenso reicht der Hinweis auf die Notwendigkeit von Hygienemaßnahmen zur Sicherung der Qualität hergestellter Arzneimittel in der Erläuterung zur Rezepturleitlinie für einen Prozess nicht aus. Aus dieser Erläuterung dürfte abzuleiten sein, dass bei der Vorbereitung von Herstellungen die Arbeitsfläche zu desinfizieren ist und Maßnahmen zur persönlichen Hygiene durchgeführt werden. Diese können von der Händedesinfektion bis zum Tragen eines Mundschutzes gehen. Doch gehören in apothekenindividuelle Prozesse oder die dazugehörigen Arbeitsanweisungen oder Instruktionen konkrete Angaben, welche dieser Maßnahmen durchgeführt werden.

Darüber hinaus werden in der Erläuterung zur Leitlinie schriftliche Hygienepläne erwähnt. Diese dürften über die speziellen Maßnahmen bei einer einzelnen Herstellung hinaus regelmäßig auszuführende Maßnahmen der allgemeinen Betriebshygiene enthalten. Auch diese tragen zur Sicherung der Qualität der hergestellten Arzneimittel bei, obwohl sie nicht in einem unmittelbaren zeitlichen oder organisatorischen Zusammenhang zur Herstellung stehen. Sie betreffen damit weitere Prozesse. Im Anhang der erwähnten Leitlinie werden sogar zwei getrennte Prozesse zur Personal- und Betriebshygiene empfohlen.

Individuelle Regelungen müssen Leitlinien konkretisieren

Ein weiteres Beispiel für die unterschiedlichen inhaltlichen Ansprüche der allgemeinen Leitlinien und der apothekenindividuellen Prozesse bilden die möglichen Prüfkriterien oder -verfahren bei der Qualitätsprüfung von Rezeptur- und Defekturarzneimitteln. Diese Liste erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. So wäre mindestens noch die Prüfung des pH-Wertes zu ergänzen.

Doch ist eine solche Aufzählung nicht operational, stattdessen gibt sie nur Anregungen. So muss in jeder Apotheke festgelegt werden, welche Prüfungen bei verschiedenen Zubereitungen durchgeführt werden und welche Sollwerte als zulässig erachtet werden. Zu klären ist auch, ob In-Prozess-Kontrollen oder Prüfungen am Endprodukt ausgeführt werden sollen.

Zubereitungsspezifische Regelungen

Dieses Beispiel führt sogar über die Formulierung von Prozessen hinaus. Auch in Prozessen, die allgemein gültig sein sollen, finden solche zubereitungsspezifischen Regelungen keinen Raum. Hierfür sind selbsterstellte Anlagen zu den Prozessen erforderlich, die Regelungen zu einzelnen Zubereitungen enthalten können. Vorzugsweise sollten solche Regelungen auf die in der jeweiligen Apotheke regelmäßig angefertigten Defekturen und häufige Rezepturen der Hauptverordner eingehen.

Die Vielfalt dieser Möglichkeiten erklärt, warum die Leitlinien hierzu keine detaillierteren Regeln enthalten können. Doch mag die Erwähnung dieser Prüfungen in den Leitlinien als Aufforderung interpretiert werden, solche apothekenindividuellen Regelungen zu treffen. Daneben empfehlen die Leitlinien auch, spezielle Herstellungsanweisungen für den Umgang mit Geräten im Rahmen der Rezeptur zu erstellen. Da die individuelle Nutzung solcher Geräte sich in den Apotheken stark unterscheidet, können die Leitlinien hierauf nicht im Detail eingehen.

Andererseits ist gerade hier ein großes Potenzial für qualitätssichernde Maßnahmen anzunehmen. Denn Geräte wie beispielsweise Unguator oder Topitec erfordern die Eingabe von Rührdauer und Rührgeschwindigkeit. Wenn solche Größen ohnehin benötigt werden, liegt es nahe, sie im Rahmen eines QMS zur Qualitätsoptimierung der Herstellungsprozesse zu nutzen. So können bestimmte Zubereitungen etwa in Abhängigkeit von der Salbengrundlage immer mit der gleichen Rührdauer und -geschwindigkeit hergestellt werden. Dies würde einen Beitrag zu einer besseren Reproduzierbarkeit von Rezepturen im Rahmen der bestehenden Möglichkeiten leisten.

In ähnlicher Weise wie die Rezeptur und Defektur zubereitungsspezifische Präzisierungen erfordern, müssen für die Beratung im Rahmen der Selbstmedikation Regelungen für unterschiedliche Indikationen getroffen werden. Auch hierfür sind spezielle Anlagen erforderlich. Dies wird im Anhang III zur Leitlinie "Information und Beratung des Patienten bei der Abgabe von Arzneimitteln - Selbstmedikation" [4] erkennbar. Mit welchen praktischen Maßnahmen diese besonders erklärungsbedürftige Leitlinie umzusetzen ist, erfordert weitergehende Überlegungen. Diese würden den Rahmen einer allgemeinen Einführung in den Umgang mit den Leitlinien sprengen und sollen daher in einer späteren Ausgabe der DAZ vorgestellt werden.

Anwendungsmöglichkeit der Leitlinien

Insgesamt bieten die Leitlinien in überschaubarer Form umfassende Hilfen zur Formulierung von Prozessen im Rahmen apothekenindividueller QMS. Sie verschaffen einen Überblick über die Vielzahl der zu beachtenden Regelungen und Empfehlungen aus verschiedenen Quellen und geben wichtige Denkanstöße. Sie werden die Formulierung apothekenindividueller Prozesse in QMS-Apotheken in Zukunft erheblich erleichtern.

Dies gilt in erster Linie für die Frage, was alles in die Prozesse gehört. Für die Frage, wie dies jeweils zu regeln ist, bieten die Leitlinien und ihre Erläuterungen ebenfalls Anregungen. Doch können und sollen sie nicht die apothekenindividuellen Entscheidungen über die Formulierung von Prozessen ersetzen.

Quellen: [1] ABDA-Gesamtvorstand: Eckpunktepapier zum Qualitätsmanagement, März 1997, zitiert bei: Schütte, G.: Qualitätssicherung/Aufbau von Qualitätsmanagementsystemen/Qualitätsstandards, Vortrag auf dem Deutschen Apothekertag, Leipzig, 1. 10. 1999. [2] Bundesapothekerkammer: Leitlinien zur Qualitätssicherung, Pharmazeutische Zeitung 145, Nr. 28, 129ff. (2000). [3] Bundesapothekerkammer: Leitlinie zur Qualitätssicherung, Herstellung und Prüfung der nicht-sterilen Rezeptur- und Defekturarzneimittel, Pharmazeutische Zeitung 145, Nr. 29, 105ff. (2000). [4] Bundesapothekerkammer: Leitlinie zur Qualitätssicherung, Information und Beratung des Patienten bei der Abgabe von Arzneimitteln - Selbstmedikation, Pharmazeutische Zeitung 145, Nr. 30, 113 ff. (2000). [5] Gesellschaft für Dermopharmazie, Fachgruppe Magistralrezepturen: Leitlinien zur dermatologischen Rezeptur, Deutsche Apotheker Zeitung 139, 1442ff. (1999).

Im Mai verabschiedete die Bundesapothekerkammer die ersten "Leitlinien zur Qualitätssicherung", die bis dahin unter dem Begriff Qualitätsstandards diskutiert worden waren. Inzwischen wurden einige dieser Leitlinien veröffentlicht. Damit gibt es für deutsche Apotheken erstmals eine "offizielle" inhaltliche Empfehlung für die Gestaltung individueller Qualitätsmanagementsysteme (QMS). Doch wie ist mit diesen Leitlinien umzugehen? Wie können sie bei der Gestaltung eines QMS und bei der praktischen Arbeit damit helfen? Wir haben versucht, eine "Gebrauchsanweisung" zu formulieren.

0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.