Berlin

Kammer-Wahlkampf im Schatten der ABDA

Berlin - 26.02.2024, 07:00 Uhr

Herausforderin gegen Amtsinhaberin: Ina Katharina Lucas und Kerstin Kemmritz. (Fotos: privat)

Herausforderin gegen Amtsinhaberin: Ina Katharina Lucas und Kerstin Kemmritz. (Fotos: privat)


In diesem Jahr darf die Kammerwahl in Berlin wohl als besonders richtungsweisend betrachtet werden. Apothekerin Ina Katharina Lucas fordert die amtierende Präsidentin Kerstin Kemmritz heraus. Zum Zeitpunkt der Wahl wird Lucas 41 Jahre alt sein und wäre damit die mit Abstand jüngste Kammerchefin bundesweit. Doch allein auf die Formel „Jugend gegen Erfahrung“ lässt sich die Konstellation nicht herunterbrechen. Denn auch die ABDA spielt im Berliner Wahlkampf eine Rolle.

Ausgang ungewiss: Dieses Prädikat verdienen in der apothekerlichen Standespolitik nicht viele Wahlen. In Berlin ist das anders – und die Kammerwahl im März 2024 verspricht besonders spannend zu werden. Auch wenn insgesamt fünf Listen zur Auswahl stehen, erwarten Beobachter ein Duell um das Präsidentinnenamt zwischen Ina Katharina Lucas (Apotheke vor Ort: gemeinsam für die Zukunft der Offizin. Eine Liste für alle) und Kerstin Kemmritz (AAA – Allianz Aller Apotheker).

Die beiden Listenführerinnen haben einiges gemeinsam: Sie sind selbstständig, promoviert und wollen sich unter anderem der Nachwuchsgewinnung, der Modernisierung des Fortbildungsprogramms und der Weiterentwicklung und Digitalisierung der Kammerarbeit widmen. Doch auch wenn sich inhaltlich viele Parallelen zwischen den Kandidatinnen finden lassen, gilt die Wahl als richtungsweisend.

Denn zum einen tritt mit Lucas eine bemerkenswert junge Kollegin an. Sie wird kurz vor der Wahl ihren 41. Geburtstag feiern (Jahrgang 1983) – damit wäre sie, sollte sie Kemmritz als Präsidentin ablösen, bundesweit die mit Abstand jüngste Kammerchefin. Aktuell trägt diesen Titel Kai Christiansen (Jahrgang 1969) aus Schleswig-Holstein. Kemmritz (Jahrgang 1965) ist im Vergleich der beiden Bewerberinnen um das Berliner Amt die deutlich Erfahrenere.

Wie viel Einfluss nimmt die ABDA?

Zum anderen heißt es hinter vorgehaltener Hand, auch die ABDA schiele ganz besonders auf die Berliner Kammerwahl. Denn Lucas zählt zu den Initiatoren der ABDA-Jugendorganisation AByou und steht der Bundesvereinigung wie auch deren Präsidentin Gabriele Regina Overwiening dadurch recht nahe. Und tatsächlich zeigt der Blick auf ihre Liste: Hinter Lucas haben sich einige aktive und ehemalige Standespolitikerinnen und -politiker versammelt, die als vergleichsweise ABDA-treu bezeichnet werden dürfen. Neben der amtierenden Vorsitzenden des Berliner Apothekervereins (BAV), Anke Rüdinger, und dem langjährigen BAV-Chef Rainer Bienfait zählen dazu auch die ehemaligen Kammerpräsidenten Christian Belgardt und Norbert Bartetzko.

Ob und in welchem Ausmaß die ABDA im Berliner Wahlkampf mitmischt, ist schwer abzuschätzen. Sollte Lucas Kemmritz allerdings tatsächlich im Amt ablösen, würde das die Stimmung im Apothekerhaus wohl kaum trüben. Denn dort gilt Kemmritz als eher unbequem. Lucas winkt gegenüber der DAZ ab: Sie werde in keiner Weise von der Bundesvereinigung unterstützt, betont sie. Lediglich von der standespolitischen Erfahrung der Kolleginnen und Kollegen profitiere sie. Zudem habe sich AByou nicht gegründet, weil aus Sicht der Initiatoren alles rund laufe bei der ABDA. Es gehe vor allem darum, kritisch zu sein und frischen Wind in die Standespolitik zu bringen.

Wofür die Kandidatinnen stehen

Lucas sieht ihre Stärken vor allem in den Bereichen Kommunikation und Kompromissfindung. Innerhalb ihrer Liste sei es ihr gelungen, junge und erfahrene Kolleginnen und Kollegen zu vereinen – und auch auf anderen Ebenen habe sie stets den Ausgleich im Blick. So wolle sie etwa die Chancen der Digitalisierung nutzen, ohne diejenigen abzuhängen, die sich mit der Technik schwertun. Zudem plane sie, die räumliche Nähe zu den Büros der Bundestagsabgeordneten zu nutzen und das Gespräch mit den Gesundheitspolitikerinnen und -politikern zu suchen. Den Berliner Kolleginnen und Kollegen verspricht Lucas, sie verstärkt einzubeziehen, wenn es um die Weiterentwicklung von zum Beispiel Informationsangeboten und Fortbildungen geht. Überdies werde sie transparent machen, wofür die Kammer die Beiträge ihrer Mitglieder ausgibt.

Auch Kemmritz will in Sachen Transparenz nachbessern: Denkbar sei etwa, Protokollauszüge aus den Kammersitzungen zu veröffentlichen, über das Abstimmungsverhalten der Delegierten zu informieren und intensiver als bisher aus den ABDA-Gremien zu berichten. In der auslaufenden Amtsperiode habe die Kammer unter ihrer Führung mit der Neustrukturierung der Geschäftsstelle begonnen und so den Weg dafür geebnet, bald mit neuen Angeboten aufzuwarten und unter anderem den Informationsfluss nach innen und außen neu aufzusetzen. Ihrem Steckenpferd, dem Themenkomplex Klimaschutz und Gesundheit, will die Präsidentin unabhängig von ihrer Wiederwahl weiterhin treu bleiben.

Übrigens weiß auch Kemmritz das Potenzial der Kolleginnen und Kollegen aus anderen Berufszweigen als der öffentlichen Apotheke zu schätzen: „Es sind in unseren Gremien einige Apothekerinnen und Apotheker dabei, die für Organisationen und Verbände wie den Gemeinsamen Bundesausschuss, den Bundesverband der Arzneimittelhersteller oder den GKV-Spitzenverband arbeiten“, sagt sie im Gespräch mit der DAZ. „Die wissen ganz genau, wie politische Prozesse ablaufen und wie Lobbyarbeit funktioniert.“ Der Blick über den Tellerrand hinaus helfe im politischen Verständnis enorm weiter.

Fünf Listen stehen zur Auswahl

Für wen werden sich die gut 5.800 Wahlberechtigten in Berlin entscheiden – Lucas, Kemmritz oder doch jemand ganz anderes? Denn zu betonen ist, dass neben den Listen von Lucas und Kemmritz drei weitere zur Auswahl stehen: Hauptstadtapotheker (Spitzenkandidatin Annette Dunin von Przychowski), Aktive Apotheker*innen (Spitzenkandidatin Hendrikje Lambertz) und Apotheker/-innen aus Wissenschaft, Industrie und Verwaltung (Spitzenkandidat Björn Wagner, amtierender Vizepräsident).

Insgesamt 148 Berliner Apothekerinnen und Apotheker haben sich einer der fünf Listen angeschlossen und stehen bereit, sich in der Standespolitik zu engagieren – eine durchaus beachtliche Zahl. Nun ist es an den Kammermitgliedern, die Weichen für die kommenden fünf Jahre zu stellen. Am vergangenen Wochenende wurden die Wahlunterlagen verschickt, bis 20. März um 12 Uhr müssen die Wahlberechtigten ihre Stimme per Briefwahl abgegeben haben. Wer sich näher mit der anstehenden Wahl befassen möchte, kann sich auf der Website der Apothekerkammer Berlin informieren. Zudem hat die Kammer vor wenigen Tagen ein Sonderheft mit dem Titel „Wahl Spezial“ versendet, in dem die Listen und Listenführerinnen und -führer ihr jeweiliges Programm präsentieren.


Christina Grünberg (gbg), Apothekerin, Betriebswirtin (IWW), DAZ-Redakteurin
cgruenberg@daz.online


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2 Kommentare

Kammerwahl

von Annette Dunin von Przychowski am 26.02.2024 um 9:05 Uhr

Mir ist es unklar, warum sich PZ und DAZ so auf die beiden Damen fokussieren. Wenn man sich die Entwicklung der WIv Liste anschaut, könnte die durchaus richtig mitmischen. Ginge es nach der Mischung der Kammermitglieder, hätten wir als Liste 1 Hauptstadtapotheker die größte Gruppe als Wählerpotential, die angestellten Apotheker*innen. Die sind aber leider schwierig zu erreichen im Gegensatz zu den Apothekeninhabet*innen. Auch deswegen spielen sie bei der ABDA eine viel zu kleine Rolle. Es wäre von der Ausgewogenheit der Berichterstattung gut, wenn alle Listenführer*, innen zu Wort kämen, wenn man schon an so einem frühen Zeitpunkt über die Wahl berichtet.

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Wettbewerb !

von Martin Didunyk am 26.02.2024 um 8:21 Uhr

Die gute Nachricht ist dabei, Berlin steht im berufspolitischen Wettbewerb und das muss uns alle erfreuen.
Eine berufspolitische Pluralität vermeidet eine Stagnation, die wir alle gut kennen.

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