Leitliniengerechte Therapie

Tonsillo-Pharyngitis – fünf Tage Antibiose sind meist genug

Stuttgart - 13.02.2024, 09:15 Uhr

Bei einer Tonsillo-Pharyngitis kann bei zügiger Besserung neuerdings laut Leitlinie die Einnahme des Antibiotikums auf fünf Tage begrenzt werden. (Foto: gstockstudio / AdobeStock)

Bei einer Tonsillo-Pharyngitis kann bei zügiger Besserung neuerdings laut Leitlinie die Einnahme des Antibiotikums auf fünf Tage begrenzt werden. (Foto: gstockstudio / AdobeStock)


Halsschmerzen sind ein typisches Symptom der Pharyngitis, einer Entzündung der Rachenschleimhaut. Sie können aber auch durch eine Tonsillitis, eine Entzündung der Gaumenmandeln, verursacht werden. Tritt diese gehäuft auf, können die Gaumenmandeln operativ entfernt oder verkleinert werden. Die Indikationen dieser Eingriffe werden in der aktualisierten S3-Leitlinie „Therapie der Tonsillo-Pharyngitis“ [1] neu definiert.

Kern der aktualisierten Version der von der Deutschen Gesellschaft für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde, Kopf- und Hals-Chirurgie e. V. (DGHNO-KHC) herausgegebenen Leitlinie sind differenzierte Empfehlungen zur Indikationsstellung von Tonsillektomie und Tonsillotomie. Unter einer Tonsillektomie versteht man die vollständige operative Entfernung der Gaumenmandeln, während bei der Tonsillotomie nur ein Teil der Gaumenmandeln entfernt wird. Unnötige Operationen sollen im Sinne der Leitlinie vermieden werden.

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Grundsätzliche Indikation einer Tonsillektomie ist eine rezidivierend auftretende akute Tonsillo-Pharyngitis. Eine Operation ist angezeigt, wenn

  • in den letzten zwölf Monaten mindestens sieben Halsschmerz-­Episoden oder
  • in den letzten 24 Monaten mindestens 5 Episoden pro Jahr oder
  • in den letzten 36 Monaten mindestens 3 Episoden pro Jahr aufgetreten sind.

Eine Halsschmerz-Episode kann bis zu 14 Tage andauern und wird je nach Alter des Patienten unterschiedlich definiert:

  • Bei Kindern und Jugendlichen bis zum 15. Lebensjahr müssen die Halsschmerzen von Fieber (über 38,3 °C, oral gemessen), eitrigen Mandeln, druckempfindlichen Halslymphknoten oder einem positiven Nachweis auf Gruppe-A-Beta-hämolysierende Streptokokken (GABHS) im Abstrich begleitet werden.
  • Bei älteren Patienten gilt als Halsschmerz-Episode, wenn die Halsschmerzen eindeutig durch eine Entzündung der Gaumenmandeln verursacht wurden und den normalen Alltag stark einschränken.

Operation auch ohne Antibiose

Im Gegensatz zu früheren Vorgaben ist eine vorangegangene antibiotische Therapie keine Voraussetzung mehr für eine Operation. Doch muss für jede Halsschmerz-Episode vom Arzt die Diagnose akute Tonsillitis beziehungsweise Tonsillo-Pharyngitis gestellt und klar von einer reinen Pharyngitis abgegrenzt werden.

Sind die Kriterien für eine Tonsillektomie nicht erfüllt, soll sechs bis zwölf Monate unter ärztlicher Beobachtung abgewartet werden („watchful waiting“), um die Schwere des Krankheitsbildes einzuschätzen. Bei Kindern und Jugendlichen unter 16 Jahren sollte in jedem Fall ein Beobachtungszeitraum von zwölf Monaten eingehalten werden, da hier Spontanremissionen möglich sind.

Ob anstelle der Tonsillektomie auch eine Tonsillotomie ausreicht, hängt von der Größe der Gaumenmandeln ab. Ist der Rachen durch die vergrößerten Mandeln um mehr als 25 % eingeengt (> Brodsky Grad I) kann eine teilweise Entfernung des Tonsillen­gewebes ausreichend sein, bei der mit weniger postoperativen Beschwerden zu rechnen ist als nach einer Tonsillektomie.

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Bezüglich Diagnose und Entscheidungshilfen für eine individualisierte, zurückhaltende Antibiotikaverordnung durch den Arzt verweisen die Leitlinienautoren auf die 2020 ver­öffentlichte S3-Leitlinie „Halsschmerzen“ der Deutschen Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin (DEGAM) [2]. Lediglich zur Dauer einer antibiotischen Therapie geben sie aktualisierte Empfehlungen: Bei zügiger Besserung kann die Einnahme des Antibiotikums auf fünf Tage begrenzt werden, wenn keine Red Flags vorliegen. Zu diesen gehören beispielsweise eine Immunsuppression, das Auftreten der Tonsillitis im Rahmen anderer Infektionen wie Bronchitis oder Otitis media oder ein erhöhtes Risiko für akutes rheumatisches Fieber.

Eine länger dauernde Eradikations­therapie empfiehlt die Leitlinie nur in besonderen Fällen, zum Beispiel bei häufigen Rezidiven oder um einen Pingpong-Effekt in Gemeinschafts­einrichtungen zu unterbinden. Ein routinemäßiger Schnelltest auf eine GABHS-Infektion wird nicht empfohlen. Wird eine Antibiose in Erwägung gezogen, soll ein Abstrich erfolgen und bei negativem Schnelltest auf das Antibiotikum verzichtet werden.

Literatur:

[1] S3-Leitlinie „Therapie der Tonsillo-Pharyngitis“, herausgegeben von der Deutschen Gesellschaft für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde, Kopf- und Hals-Chirurgie e. V. (DGHNO-KHC), AWMF-Register-Nr. 017/024, Version 4.0 vom 15.01.2024

[2] S3-Leitlinie „Halsschmerzen“ der Deutschen Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin e. V. (DEGAM), AWMF-Register-Nr. 053-010, DEGAM-Leitlinie Nr. 14, Stand 12/2021


Dr. Sabine Werner, Apothekerin und Redakteurin
readktion@daz.online


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