Neue Kontraindikationen

Pseudoephedrin – nicht (mehr) anwenden bei schwerer oder unkontrollierter Hypertonie

Stuttgart - 05.12.2023, 14:30 Uhr

Pseudoephedrin-haltige Präparate kommen bei verstopfter Nase zum Einsatz. Für manche Patient:innen sind sie jedoch ungeeignet. (Foto: Moon Safari / AdobeStock)

Pseudoephedrin-haltige Präparate kommen bei verstopfter Nase zum Einsatz. Für manche Patient:innen sind sie jedoch ungeeignet. (Foto: Moon Safari / AdobeStock)


Der Wirkstoff Pseudoephedrin ist einer Sicherheitsüberprüfung auf europäischer Ebene unterzogen worden. Um das Risiko für seltene, aber schwere Nebenwirkungen zu minimieren, empfiehlt der Pharmakovigilanz-Ausschuss der Europäischen Arzneimittelagentur durch neue Kontraindikationen das Anwender:innenspektrum weiter einzuschränken.

Auf Antrag der französischen Arzneimittelaufsichtsbehörde beschäftigte sich der Ausschuss für Risikobewertung im Bereich der Pharmakovigilanz (PRAC) der Europäischen Arzneimittelagentur (EMA) seit Februar dieses Jahres mit der Sicherheit Pseudoephedrin-haltiger Arzneimittel. 

Im Vordergrund stand hierbei der Zusammenhang zwischen der Einnahme entsprechender Arzneimittel und dem Auftreten des Posteriorem reversiblem Enzephalopathie-Syndrom (PRES) sowie des Reversiblem zerebralem Vasokonstriktionssyndrom (RCVS). Bei beiden Erkrankungen kann es zu einer unzureichenden Blutversorgung des Gehirns kommen, was zu schweren oder sogar lebensbedrohlichen Komplikationen führen kann.

In den vergangenen Monaten hat der PRAC alle ihm verfügbare Daten, inklusive medizinischer Fachliteratur und Daten der Post-Marketing Surveillance, überprüft und Gespräche mit Experten geführt. Auf dieser Grundlage hält der Ausschuss fest, dass Pseudoephedrin mit dem Risiko von PRES und RCVS verbunden ist. Um das Risiko für das Auftreten beider Syndrome so weit wie möglich zu senken, schlägt der PRAC folgende Maßnahmen vor:

Neue Kontraindikationen: Personen mit schwerem oder unkontrolliertem (nicht behandeltem oder therapieresistentem) Bluthochdruck oder mit schweren akuten oder chronischen Nierenerkrankungen oder Nierenversagen sollen keine Pseudoephedrin-haltigen Arzneimittel anwenden.

Neue Beratungshinweise: Heilberufler:innen sollen den Patient:innen raten, die entsprechenden Präparate sofort abzusetzen und ärztlichen Rat einzuholen, wenn sie Symptome von PRES oder RCSV bei sich bemerken. Dazu gehören starke, plötzlich auftretende Kopfschmerzen, Übelkeit, Erbrechen, Verwirrung, Krampfanfälle und Sehstörungen.

Pseudoephedrin

... wirkt als indirektes Sympathomimetikum: Es fördert die Freisetzung von Noradrenalin aus adrenergen Nervenendigungen. Noradrenalin wiederum bewirkt über eine Aktivierung von α-Adrenozeptoren die Engstellung bestimmter Blutgefäße. Diese Wirkung macht man sich bei der Therapie von durch allergische oder infektiöse Ursachen zugeschwollener Nase zu nutzen. In Deutschland ist Pseudoephedrin etwa in Kombination mit Acetylsalicylsäure, Paracetamol oder Ibuprofen (z.B. Aspirin® Complex, Wick® Daynait, Boxagrippal®) zum Einsatz bei grippalen Infekten auf dem Markt sowie in Kombination mit verschiedenen Antihistaminika wie Cetirizin (z.B. Reactine® Duo) oder Tiprolidin (z.B. Rhinopront®) bei allergischer Rhinitis.

Diese Neuerungen sollen auch in die Produktinformationen aller Pseudoephedrin-haltiger Arzneimittel aufgenommen werden. Zuvor werden die Empfehlungen des PRAC dem Ausschuss für Humanarzneimittel (CHMP) der EMA vorgelegt, der seinerseits eine Stellungnahme an die Europäische Kommission weiterleiten wird. Die endgültige, rechtsverbindliche Entscheidung spricht dann die Europäische Kommission aus.

Literatur

PRAC recommends measures to minimise the risk of serious side effects with medicines containing pseudoephedrine. Informationen der Europäischen Arzneimittelagentur. Stand 1. Dezember 2023 https://www.ema.europa.eu/en/medicines/human/referrals/pseudoephedrine-containing-medicinal-products

Überprüfung pseudoephedrinhaltiger Arzneimittel. Informationen des BfArM. Stand 1. Dezember 2023 https://www.bfarm.de/SharedDocs/Risikoinformationen/Pharmakovigilanz/DE/RV_STP/m-r/pseudoephedrin.html


Dr. Gesa Gnegel, Apothekerin und Redakteurin, Deutsche Apotheker Zeitung (gg)
redaktion@daz.online


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