Was ist drin?

Harnstoff – wie viel für wen und in welcher Grundlage?

Stuttgart - 10.10.2023, 12:30 Uhr

Säuglinge und Kleinkinder können schon auf geringe Mengen Harnstoff mit Hautreizungen reagieren. Für verletzte Haut ist Urea generell ungeeignet. (Foto: triocean / AdobeStock)

Säuglinge und Kleinkinder können schon auf geringe Mengen Harnstoff mit Hautreizungen reagieren. Für verletzte Haut ist Urea generell ungeeignet. (Foto: triocean / AdobeStock)


Basistherapeutika sollen bei Neurodermitis die Hautbarriere mit Lipiden stärken und durch Feuchthaltemitteln die Haut mit Feuchtigkeit versorgen. Ein besonders gängiges Feuchthaltemittel ist Harnstoff, auch bekannt als Urea. Häufig werden Präparate mit dem entsprechenden prozentualen Harnstoffgehalt beworben. Doch welcher Gehalt und welche Formulierungsgrundlage sind wem zu empfehlen? 

Ein Klassiker unter den Feuchtigkeitsfaktoren und ein seit vielen Jahren etablierter Wirkstoff in Emollienzien für die Basistherapie der Neurodermitis ist Harnstoff (Urea). Er zählt als hydratationsfördernder Wirkstoff genauso wie Glycerin zu den sogenannten Humectants oder Moisturizern.

Die menschliche Hornschicht kann laut dem Deutschen Allergie- und Asthmabund natürlicherweise bis zu 7 % Harnstoff enthalten. Bei Neurodermitis soll die Haut hingegen 70 % weniger Urea enthalten. „Bei ekzemerkrankter Haut sind es sogar 85 Prozent weniger“, heißt es [1].

Urea wird in kosmetischen Produkten in der Regel in 3 bis 10%iger Konzentration verwendet – circa 3 % in feuchtigkeitsspendenden Körperlotionen und 5 bis 10 % in Cremes und Salben. Es gibt auch Produkte mit höheren Urea-Konzentrationen für extrem trockene Haut. Allerdings sollte daran gedacht werden, dass ab einem Gehalt von 30 % Harnstoff die Hornhaut anlöst, solche hochdosierten Zubereitungen sind also für andere Einsatzgebiete als die Neurodermitis gedacht. 

Zudem sollte beachtet werden, dass es ab circa 5 % Harnstoffgehalt bei entzündlichen Ekzemen zu kurzfristigem Brennen der Haut (Stinging-Effekt) kommen kann. Gerade bei Kindern ist deshalb Vorsicht geboten: Bis zum Lebensalter von fünf Jahre tritt ein Brennen nämlich gehäuft auf und kann bei höheren Konzentrationen auch sehr schmerzhaft sein, erklärt der Deutsche Allergie- und Asthmabund und fügt an: „Säuglinge und Kleinkinder können schon auf geringe Mengen Harnstoff mit Hautreizungen reagieren.“ [1,2]. Die europäische Neurodermitis-Leitlinie empfiehlt daher glycerinhaltige Topika zur Anwendung bei Säuglingen und Kleinkindern [3].

Harnstoff ist ein (fast) weißes, kristallines, geruchloses Pulver oder besteht aus durchsichtigen Kristallen. Er ist in Wasser sehr leicht löslich und reagiert schwach basisch. Während Glyerin laut dem DAC/NRF als sehr hygroskopisch gilt, wird Harnstoff lediglich als schwach hygroskopisch bezeichnet [4]. 

Für verletzte Haut ist Harnstoff also ungeeignet. Vorteilhaft ist jedoch seine leicht antipruriginöse Wirkung (gegen Juckreiz). Zudem soll Urea die Aufnahme anderer Wirkstoffe in die Haut erleichtern – beispielsweise von Corticoiden [1,2].

Ist weniger Urea für manche Patienten mehr?

Zur Hautverträglichkeit von Harnstoff gibt auch das Positionspapier „Diagnostik und Therapie der Xerosis cutis“ der Deutschen Dermatologischen Gesellschaft (DDG) Hinweise. (Synonyme für Xerosis cutis sind Xerodermie, trockene Haut, hydrolipidarme Haut.) Demnach ist der individuelle Hautzustand und die Lokalisation entscheidend für die angewendete Urea-Konzentration – diese wäre etwa im Gesicht in der Regel bis 5 %. Zu höheren Konzentrationen führen die Autoren aus: „...meist erst ab 10 %, kann sich bei leicht irritierter oder entzündeter Haut ein unangenehmes Brennen einstellen, sodass – zumindest bei der Initialbehandlung leicht irritierter, atopischer Haut – Urea nur in Konzentrationen von bis zu 5 % empfohlen wird.“ [5]. 

Beispielsweise eine doppelblinde Studie verglich 2010 die Verträglichkeit und Wirksamkeit einer 5 %igen und einer 10 %igen Urea-Formulierung bei Erwachsenen. Die Anwendung erfolgte zweimal täglich. Nach 42 Tagen zeigten zwar beide Formulierungen eine signifikante Besserung des Hautzustandes, die Patienten bevorzugten aber das 5%ige Produkt [6].

Harnstoff allein macht noch keine Basispflege 

Wie ein Feuchthaltemittel letztlich auf die Haut wirkt, hängt maßgeblich von der Grundlage ab: So penetriert Harnstoff laut DAC/NRF aus Wasser-in-Öl-Emulsionen „langsam aber gleichmäßig“. Damit soll eine gute Tiefenwirkung erzielt werden. Hingegen führen Öl-in-Wasser-Emulsionssysteme schnell zu hohen Harnstoffkonzentration in den oberen Hornlagen – allerdings mit geringer Tiefenwirkung. „Hinsichtlich der kosmetischen Akzeptanz hat die hydrophile Grundlage gegenüber lipophilen Zubereitungen Vorteile“, heißt es [4].

Beispielsweise die „Eucerin Urea Repair Original 10% Urea Lotion“ erhielt 2021 vom Verbrauchermagazin Ökotest aufgrund von enthaltenen Polyethylenglykolen (PEG) zwar kein gutes Urteil – sie fiel jedoch positiv auf, weil Beiersdorf als einziger Hersteller angab, um welche Art der Lotion es sich handelt: eine W/O-Emulsion. Diese könnte also Patient:innen empfohlen werden, die sich eine Tiefenwirkung erhoffen [7].

Weitere Produktbeispiele

Produkte der Marke Excipial von Galderma gibt es in drei verschiedenen Urea-Konzentrationen, auch hier macht der Hersteller im Internet Angaben zum Emulsionstyp: Die Excipial® U Hydrolotio enthält als O/W-Emulsion nur 2 % Urea. Die Excipial® U Lipolotio enthält 4 % Urea und die Excipial® U10 Lipolotio 10 % – bei beiden handelt es sich um W/O-Emulsionen [8].

Auf beide bekannte Feuchthaltemittel zugleich – Glycerin und Urea (5 %) – setzen beispielsweise die Produkte Adtop Lipidlotion von Dermasence der Medicos Kosmetik GmbH & Co. KG und La Roche Posay Lipikar Fluide Urea 5+ von L’Oréal [9,10].

Übrigens weist eine Placebo-kontrollierte, doppelblinde Studie von 2012 an 21 Probanden darauf hin, dass Harnstoff noch mehr sein könnte, als ein Feuchthaltemittel: In der Studie wurde eine Verbesserung der Hautbarrierefunktion festgestellt, zudem bewirkte der Harnstoff eine Induktion antimikrobieller Peptide [11].

Literatur 

[1] Deutscher Allergie- und Asthmabund. Was bewirkt Harnstoff? Stand 12.04.2023, www.daab.de/blog/2023/04/hautpflege-was-bewirkt-harnstoff 

[2] Kerscher M, Williams S, Trüeb RM. Dermatokosmetik, Steinkopff Verlag 2004, 2009, zweite bearbeitete und erweiterte Auflage, ISBN 978-3-7985-1546-8 

[3] Kresken J, Wollenberg A, Hünerbein A, Staubach P. Topische Basistherapie bei Neurodermitis – Evidenzbasierte Beratung in der Apotheke. Stellungnahme der GD Gesellschaft für Dermopharmazie e. V., 26. Juni 2019, online.de/german/veranstalt/images2019/GD_Stellungnahme_Basistherapie_bei_Neurodermitis_26_6_2019.pdf 

[4] DAC/ NRF: Einträge zu Glycerol (Stand 10.05.2023) und Harnstoff (Stand 15.03.2022), /dacnrf.pharmazeutische-zeitung.de/  

[5] Augustin M, Wilsmann-Theis D, Körber A et al. Positionspapier: Diagnostik und Therapie der Xerosis cutis. JDDG 2018;16:3-35, doi.org/10.1111/ddg.13580

[6] Bissonnette R, Maari C, Provost N et al. A double-blind study of tolerance and efficacy of a new urea-containing moisturizer in patients with atopic dermatitis. J Cosmet Dermatol 2010;9:16-21, DOI: 10.1111/j.1473-2165.2010.00476.x

[7] Müller C. Körperlotionen mit Harnstoff: Welche ist die beste? DAZ.online, 09.12.2021 

[8] Webseite der Marke Excipial von Galderma. Abruf 04.10.2023, www.excipial.de/produkte/urea/u-hydrolotio/ 

[9] Webseite der Marke Dermasence zu „Adtop Lipidlotion“ von Medicos Kosmetik GmbH & Co. KG. Abruf 04.10.2023, www.dermasence.de/produkte/adtop-lipidlotion

[10] Webseite der Marke La Roche Posay zu „Lipikar Fluide Urea 5+“ von L’Oreal, Abruf 04.10.2023, www.larocheposay.de/lipikar/lipikar-fluid-urea-5plus 

[11] Grether-Beck S, Felsner I, Brenden H et al. Urea Uptake Enhances Barrier Function and Antimicrobial Defense in Humans by Regulating Epidermal Gene Expression. J Invest Dermatol. 2012;132: 1561-72, DOI: 10.1038/jid.2012.42


Tatjana Ortinau, Apothekerin
redaktion@daz.online


Diana Moll, Apothekerin und Redakteurin, Deutsche Apotheker Zeitung (dm)
redaktion@daz.online


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