Zehn Jahre AEP

Vom Rebell zur festen Größe

Alzenau - 04.10.2023, 07:00 Uhr

„Vom Pflänzchen zur Pflanze“, so könnte man die Unternehmensgeschichte von AEP knapp zusammenfassen. (Foto: Screenshot AEP)

„Vom Pflänzchen zur Pflanze“, so könnte man die Unternehmensgeschichte von AEP knapp zusammenfassen. (Foto: Screenshot AEP)


Vor zehn Jahren ist der Alzenauer Pharmahändler AEP wie aus dem Nichts aufgetaucht. Anfangs weitgehend ignoriert, dann als Rebell bezeichnet, hat sich das Unternehmen mit klaren Konditionen sowie einer einmal täglichen Belieferung rasch einen festen Platz in der Branche gesichert. Aufmerksamkeit erzeugte AEP zudem mit hohen Preisnachlässen, was die Wettbewerbszentrale auf den Plan rief. Den darauf folgenden jahrelangen Rechtsstreit konnte der Großhändler mit einem wegweisenden Urteil vor dem Bundesgerichtshof für sich entscheiden. Ein Rückblick auf eine vergleichsweise kurze, aber bewegte Unternehmensgeschichte.  

2013:

Am 1. Oktober 2013 ist es so weit. Ein neuer Pharmagroßhändler nimmt im unterfränkischen Alzenau seinen Betrieb auf. Der Name: AEP. Das Unternehmen, dessen Kürzel für „Apothekeneinkaufspartner“ steht, wirbt mit einem einfachen und transparenten Preismodell sowie einer „führenden Kostenposition“ in Deutschland. Alle Kunden bekommen die gleichen Rabatte und Skonti, unabhängig vom Bestellvolumen. Im Marketing-Sprech von AEP heißt dies: „Stabile Top-Konditionen für alle Apotheken, verbunden mit dem Ziel, die flächendeckende Versorgung mit Arzneimitteln sicherzustellen und die Vor-Ort-Apotheke nachhaltig zu stärken.“ Beim Start soll der damalige Geschäftsführer Jens Graefe Bierdeckel verteilt haben, auf denen die Konditionen geschrieben stehen.

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Ausgeliefert wird einmal pro Tag über den Logistikpartner Trans-O-Flex – ein wegweisendes Konzept, wie sich in Zeiten von stark steigenden Transportkosten und der Einsparung von CO2-Emissionen zeigt. Graefe vergleicht das Konzept kurz nach dem Start mit der Hotelkette „Motel One“: Man wolle mit einem schlanken Konzept und dem konsequenten Verzicht auf allen Schnickschnack den Markt aufmischen. Die etablierten Großhändler reagieren anfangs mit demonstrativer Gelassenheit auf den Neuling.

Bereits ein Jahr vor der Inbetriebnahme wird AEP von der Österreichischen Post, einer Venture Capital Unternehmung sowie von privaten Fonds gegründet. 2017 steigt zudem der ehemalige Celesio-Chef Fritz Oesterle mit einem kleinen Anteil ein. Trotz eines 40-prozentigen Aktienanteils und einer Investition in einstelliger Millionenhöhe ist das AEP-Engagement für die österreichische Post nur ein Randgeschäft. Verbunden seien damit auch keine überzogenen Ertragserwartungen, sagt Georg Pölzl, Vorstandsvorsitzender der Post, damals in einem Interview. AEP sei nur ein „typisches Pflänzchen“.

2014:

Sieben Monate nach Marktstart feiert AEP mit Erreichen von 1.000 Kunden einen ersten Meilenstein. Die anfängliche Ignoranz der Branchenkollegen geht zudem in Kritik über: Wettbewerber werfen AEP wegen des Geschäftsmodells „Rosinenpickerei“ vor.

Ende 2014 mahnt die Wettbewerbszentrale AEP wegen ihrer Konditionen ab: Die Alzenauer geben in der Summe einen Preisnachlass aus Rabatten und Skonti, der über der variablen Großhandelsmarge von 3,15 Prozent liegt. Nur diese Marge stehe dem Großhandel für Nachlässe zur Verfügung, meint die Wettbewerbszentrale. Der sogenannte „Skontistreit“ nimmt damit seinen Anfang.

Auf wirtschaftlicher Ebene verbreitet Unternehmenschef Graefe Zuversicht: „Wir werden dieses Jahr im guten dreistelligen Millionenbereich Umsatz landen.“ Am Ende soll es ein niedriger dreistelliger Millionenbetrag werden. Damit gehört AEP nach wie vor zu den kleinen Playern im Arzneimittelgroßhandel. Laut einer Sempora-Umfrage ist das Unternehmen aber für neun Prozent der deutschen Apotheker der favorisierte Großhändler; 38 Prozent der befragten Apotheker geben an, dass AEP eine „attraktive“ Alternative sei.

2015:

Im Skontistreit urteilt das Landgericht Aschaffenburg im Oktober, dass ein Skonto für eine vorfristige Zahlung kein reiner Preisnachlass wie der Rabatt sei. Außerdem könne der Großhändler auch auf seinen Fixzuschlag von 70 Cent pro Packung Nachlässe geben.

Wirtschaftlich schafft das Unternehmen 2015 den Break Even, also die Schwelle zum Gewinn. Graefe: „Wir sind finanziell solide, wir haben keinen Cash-Bedarf – wir haben uns freigeschwommen.“ Mittlerweile beliefert der Händler 2812 Apotheken in Deutschland.

2016:

Im Skontiprozess erleidet AEP ein Dämpfer: Das Oberlandesgericht Bamberg urteilt, dass der Pharmagroßhändler keine Preisnachlässe gewähren dürfe, die über den prozentualen Zuschlag von 3,15 Prozent hinausgehen – das „Fixum“ von 0,70 Euro pro Packung müsse stets erhoben werden. Das Gericht folgt in der Berufung Ende Juni damit der Argumentation der Wettbewerbszentrale. Allerdings ist das Urteil nicht rechtskräftig.

2017:

Im Oktober spricht der Bundesgerichtshof (BGH) das entscheidende Urteil im Skonti-Streit: Das erstinstanzliche Urteil des Landgerichts Aschaffenburg gilt. Skonti gelten nicht als „normale“ Rabatte. Damit darf der Großhandel bei verschreibungspflichtigen Arzneimitteln auch einen Nachlass aus seinem Fixzuschlag von 70 Cent pro Packung geben und nicht nur aus der variablen Marge von 3,15 Prozent auf den Herstellerabgabepreis. AEP-Chef Graefe zeigt sich höchst zufrieden mit dem Urteil: „Mehr konnten wir nicht erreichen.“

2018:

Die Skonto-Frage wird wieder aktuell. Bei einer vom Bundesgesundheitsministerium geplanten Festschreibung des Großhandelsfixums kommt es auf die Formulierung im Detail an. Laut Gesetzesbegründung sollen auch Skonti begrenzt werden. AEP-Chef Graefe sagt zur Rabattfixierung im Großhandel: „Heilberuflich orientierte Apotheken müssen die Zeche zahlen.“

2019:

AEP investiert „weitreichend“. Die Kapazitäten im Zentrallager werden verdoppelt. Im November erhebt das Unternehmen zudem seine Stimme in der Diskussion um Arzneimittel-Lieferengpässe. Graefe erinnert daran, dass beim Großhandel viele Fäden zusammenlaufen und dort ein guter Gesamtüberblick über die Lieferbarkeit des gesamten Apothekensortiments bestehe. Die Grossisten könnten somit eine Defekt-Datenbank aufbauen – und dafür zusätzlich entlohnt werden, so seine Idee.

2020:

Geschäftszahlen dringen an die Öffentlichkeit: Bei einem Umsatz von über 500 Millionen Euro erwirtschaftet AEP 2020 einen Jahresüberschuss in Höhe von 204.000 Euro. Im Jahr davor stand noch ein Minus von 886.000 Euro in der Bilanz.

2021:

Zu Beginn des Jahres setzt AEP im Marketing ein Signal und führt „AEP Premium“ ein. Das System gewährt Apotheken ab einer bestimmten Bestellmenge Rabatte. Zudem startet am 1. September „Zack + Da!“ , eine Endkundenplattform mit digitalem Couponsystem zur Gewährung von Rabatten. Kunden können über die Seite zudem eine Apotheke wählen, Artikel reservieren und sich diese auf Wunsch per Botendienst liefern lassen.

Mit 50 noch einmal etwas Neues machen – diese Begründung nennt Graefe für seinen Abschied von AEP Ende Mai 2021. Mehr als acht Jahre stand er bis dahin an der Spitze des Unternehmens. Rückblickend beschreibt er, dass die Entwicklung von AEP genau so verlaufen sei, wie es in Untersuchungen zu strategischen Märkten beschrieben werde: „Zuerst wird man nicht ernst genommen, als Zweites wird man in die kriminelle Ecke gestellt, als Drittes wird versucht, einen totzumachen, und als Viertes verändert sich etwas.“

Im Juli 2021 ist die Nachfolge von Graefe geklärt: Heike Brockmann übernimmt die Geschäftsführung und verantwortet die Bereiche Einkauf, Marketing und Vertrieb. Zuvor hat Brockmann bei Celesio beziehungsweise später bei McKesson Europe Großhandelserfahrung gesammelt.

2022: 

Der Alzenauer Pharmahändler wird vom Arbeitgeber-Bewertungsportal Kununu mit dem „Top Company Siegel“ ausgezeichnet. Zudem werden aktuelle Zahlen bekannt: AEP beliefert mithilfe seines Logistikpartners Trans-O-Flex einmal täglich rund 5400 Apotheken in ganz Deutschland und erwirtschaftet einen Umsatz von über 530 Millionen Euro.

2023:

Aktuell zählt AEP nach eigenen Angaben mehr als 6.000 Apothekenkunden in ganz Deutschland und beschäftigt mehr als 200 Mitarbeiter. Das Zentrallager hat eine Fläche von 15.000 Quadratmetern, mehr als drei Millionen Produkte sind vorrätig. Bestellungen werden bis jeweils 19 Uhr angenommen, täglich sollen mehrere tausend Lieferungen den Standort verlassen.

Zudem kommuniziert das Unternehmen, auf „zukunftsweisende Digitalisierungsprojekte“ zu setzen, die einerseits das Zusammenspiel zwischen pharmazeutischer Industrie, Großhandel, Apotheke und Endverbraucher „noch effizienter gestalten“ und zum anderen die Vor-Ort-Apotheke „nachhaltig stärken“ sollen.


Thorsten Schüller, Autor DAZ.online
redaktion@daz.online


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