Großhandel wälzt Kostensteigerungen auf Apotheken ab

Einmal durchreichen bitte…

Berlin - 16.06.2023, 15:15 Uhr

Der Arzneimittel-Großhandel versucht, seine Mehrkosten ungeniert an die Apotheken durchzureichen – hier lohnt es sich unbedingt, genauer hinzuschauen und nachzurechnen! (Foto: AdobeStock /C_Marco2811)

Der Arzneimittel-Großhandel versucht, seine Mehrkosten ungeniert an die Apotheken durchzureichen – hier lohnt es sich unbedingt, genauer hinzuschauen und nachzurechnen! (Foto: AdobeStock /C_Marco2811)


Der Arzneimittel-Großhandel hat die im letzten Jahr stark gestiegenen Kosten für Energie und Löhne „großzügig“ an seine Apothekenkunden weitergegeben und die Retouren-Konditionen deutlich verschlechtert. Wie hoch diese Zusatzkosten, mit denen Sie als Apothekeninhaber zur Kasse gebeten werden, konkret ausfallen und wie Sie sich dagegen wehren können, das hat der AWA – Apotheke & Wirtschaft unlängst in einem Bericht ausführlich unter die Lupe genommen.

Mit diesem Artikel wollen wir uns nicht den Rabatten, Vorteilen und Boni zuwenden, sondern insbesondere all denjenigen Bestandteilen der Großhandelsvereinbarung, die deren Wert wieder senken. Gemeint sind hier im Einzelnen alle mit dem Warenbezug verbundenen Kosten, die Retouren-Regelungen und die Artikelgruppen, die grundsätzlich von der Rabattierung ausgeschlossen werden.

Spitzenreiter bringen es auf bis zu 30 Prozent Kontingentartikel

Kontingentartikel sind PZN, deren Nachfrage im Markt höher ist als das verfügbare Warenangebot. Aus diesem Grund stellen alle Großhändler den Apotheken im Internet Listen zur Verfügung, auf denen diese Kontingentartikel aufgeführt sind. Diese differieren je nach Großhandel zum Teil stark voneinander und umfassen zwischen 200 und mehreren tausend Artikeln. Dieser Unterschied überrascht insofern, als seitens der Industrie betont wird, dass man alle Großhändler im gleichen Maß beliefern würde.

Im Ergebnis sind alle auf diesen Listen aufgeführten Kontingentartikel von der Rabattierung und Skontierung ausgeschlossen. Bezogen auf den Rx-Umsatz machen die Kontingentartikel einen Anteil zwischen 5 Prozent und 10 Prozent aus – der „Spitzenreiter“ unter den Großhändlern bringt es auf 25 Prozent bis 30 Prozent Kontingentartikel am Rx-Gesamtumsatz. Dies bedeutet, dass knapp ein Drittel des Rx-Umsatzes weder rabattiert noch skontiert wird!

Wären diese Gegebenheiten wenigstens für alle Apotheken gleich, dann wäre das noch einigermaßen akzeptabel. Der Blick auf die Rechnungen der Großhändler zeigt aber, dass es neben dem Volumen der Kontingentartikel auch noch große Schwankungen beim Umgang mit denselben gibt: Einige Apotheken erhalten weder Rabatt noch Skonto, andere erhalten einen Rabatt von 3 Prozent und kein Skonto, und wieder andere Apotheken bekommen sowohl den Rabatt als auch das Skonto. Hier zeigt sich, dass die Großhändler mit verschiedenen Messlatten arbeiten. Umso mehr kommt es auf das Verhandlungsgeschick des einzelnen Apothekers an, in den Jahresgesprächen mit seinem Großhändler bestmögliche Konditionen durchzusetzen.

Dringend korrekturbedürftig

Gerne unter den Teppich gekehrt wird in diesem Kontext ein wichtiger Zusatzeffekt: Trotz des Ausschlusses von der Rabattierung und Skontierung werden die Kontingentartikel zur Berechnung des Handelsspannenausgleichs in den Rx-Umsatz mit eingerechnet. Damit erhöht sich der Rx-Gesamtumsatz, von dem nun der prozentuale Ausgleich des Großhandels ermittelt wird. Also erhält die Apotheke erstens keinen Rabatt für die Kontingentartikel und bezahlt zweitens dann noch eine prozentuale Strafe in Form des Handelsspannenausgleiches. Das ist weder ausgewogen noch fair, und sollte dringend korrigiert werden.

Großzügige „Ausschließeritis“

Kontingentartikel sind aber nicht die einzige Produktgruppe, die aus der Rabattierung und Skontierung ausgeschlossen werden (können). Nimmt man die Konditionsvereinbarungen der verschiedenen Großhändler genauer unter die Lupe, findet man dort eine ganze Palette von weiteren Ausschluss-Artikeln: Das beginnt bei Netto- oder Sonderkonditionsartikeln und geht über Hochpreisartikel (mit einem Preis größer als 1.237,50 Euro), saisonale Impfstoffe, Betäubungsmittel (BTM), Zytostatika und Insulin bis hin zu Kühlartikeln, Dispositionen, Minderspannenartikel sowie dem Beschaffungs- oder Blitzservice.  Für all diese Warengruppen können Ausschlüsse vereinbart werden – müssen aber nicht.

Auch hier liegt es an Ihrem Verhandlungsgeschick als Apothekeninhaber oder -leiter, für welche Artikel Sie letztlich einen Rabattausschluss durch Ihren Großhändler akzeptieren und für welche nicht. Bei einer soliden, vernünftigen Vereinbarung können Sie davon ausgehen, dass Sie für 5 Prozent bis 10 Prozent Ihres Rx-Umsatzes ohne Rabatt und Skonto auskommen müssen.

Viele kreative Möglichkeiten zur Kostenweitergabe

Kontingentartikel sind freilich nur ein Ansatz, wie Apotheken vom Großhandel zusätzlich zur Kasse gebeten werden. Daneben gibt es noch viele andere „kreative“ Möglichkeiten der Kostenweitergabe: Das beginnt bei der Energiekostenabgabe und geht über die fragwürdige „Mindestlohnpauschale“ bis hin zu einer massiven Verschlechterung bei den Retouren-Konditionen. All diese Punkte werden in der ungekürzten Fassung des Originalbeitrags, der in der AWA-Ausgabe 8-2023 erschienen ist („Den Letzten beißen die Hunde!“), detailliert erörtert.

Wirtschaftskompetenz für die Apothekenpraxis

Der AWA – Apotheke & Wirtschaft ist der wirtschaftliche Rat­geber für Apothekeninhaber und Filialleiter. Mit hochkarätigen Beiträgen aus Apothekenwirtschaft, Management und Digitalisierung im 14-Tage-Turnus. Damit Sie nicht nur pharmazeutisch up to date sind, sondern am Ende des Tages auch die Zahlen stimmen.

Ergänzt wird die AWA-Printausgabe durch ein neues Internet-Portal mit attraktiven Mehrwerten –maßgeschneidert für Apothekenleiter, unter anderem:

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Joachim Ullrich, Apothekenberatung und -entwicklung
redaktion@daz.online


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