Eckpunktepapier des BMG

Durchgerechnet: Was bringt Lauterbachs Reform den Apotheken?

Berlin - 19.01.2024, 07:00 Uhr

(Foto: imago images / Design Pics)

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Eine „Mogelpackung“, nannte die ABDA sie in einer vorläufigen Bewertung. Es geht um die von Minister Lauterbach geplante Apothekenreform. Bekannt sind bislang nur die Eckpunkte. Kritisiert wird unter anderem, dass keine Anpassung der Honorare vorgesehen ist. Aber wie würden sich die Pläne denn finanziell auswirken? Herausgeber Reinhard Herzog hat das im AWA durchgerechnet.

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) veröffentlichte kurz vor Weihnachten sein Eckpunktepapier zur Apothekenreform. Die sicher am stärksten ins Auge stechenden monetären Aspekte lassen sich wie folgt zusammenfassen:

  • Vornean steht die teilweise Umschichtung des prozentualen Drei-Prozent-Rx-Aufschlags „eins zu eins“ in den Festaufschlag. 0,5 Prozentpunkte sollen so 2025 umverteilt werden (eine Summe von voraussichtlich rund 250 Millionen Euro), dann noch einmal 0,5 Prozentpunkte in 2026 (eine dem Marktwachstum folgende, etwas höhere Summe). Ab 2027 beträgt der prozentuale Aufschlag dann zwei Prozent. Somit werden fortan gut 500 Millionen Euro jährlich derart umgeschichtet.
  • Die Notdienstvergütung soll um etwa 150 Euro je Volldienst steigen. Hierzu werden nunmehr 0,28 Euro statt bisher 0,21 Euro je Rx-Packung an den Not- und Nachtdienstfonds NNF abgeführt – ein Plus von 55 Millionen Euro oder gut 3.000 Euro je Apotheke. Notdienste werden gesamthaft dann mit rund 215 bis 220 Millionen Euro netto (gut 255 Millionen Euro brutto für die Kostenträger) honoriert.
  • Im Grunde nicht der Reform zuzuordnen, da sowieso geplant: die Senkung des Kassenabschlags von 2,00 Euro brutto auf 1,77 Euro brutto, oder 0,19 Euro netto je Rx-Packung, ab Februar 2025. Die Entlastung gegenüber 2024 beträgt gesamthaft etwa 110 Millionen Euro in 2025 und 120 Millionen Euro in 2026, also rund 7.000 Euro je Apotheke.
  • Ab 2027 sollen die Vergütungen dann im Rahmen der Selbstverwaltung (also die Berufsvertretung mit den Vertretern der Kostenträger) verhandelbar sein – Chance und Risiko zugleich.
  • Von direkter monetärer Bedeutung könnten die sehr offen gehaltenen Formulierungen zu flexibleren Öffnungszeiten, zur Entbürokratisierung, dem Entfall von Dokumentationspflichten und nur noch digital vorzuhaltenden Pflichtmedien sein.

Wir rechnen mit einem Vor-Ort-Apothekenumsatz von etwa 74 Milliarden Euro netto in 2025 und 77 Milliarden in 2026. Abzüglich Non-Rx-Produkten (elf Milliarden Euro), (Spezial-)Rezepturen, Impfstoffen unter anderem (gut acht Milliarden Euro) und abzüglich des gesetzlichen Rohertrages (um sieben Milliarden Euro) errechnen sich daraus um die 50 Milliarden Euro zum Netto-Apothekeneinkaufspreis (AEP) als Bemessungsgrundlage für die Apothekenzuschläge. In 2025 sollte das etwas darunter, in 2026 in etwa da liegen. 

Überschlägig kann man von runden 50 Milliarden Euro AEP ausgehen. Angesichts der geringen prozentualen Aufschlagsätze (zwei Prozent bis drei Prozent) sind die absoluten Abweichungen gering, wenn sich der Einkaufswert um nur wenige Milliarden Euro davon entfernen sollte.

Tabelle 1 zeigt nun eine erste Abrechnung. Wenn tatsächlich Wort gehalten wird, die Datenbasis unstrittig ist und sauber gerechnet wird, dann müsste der Festzuschlag in 2025 gegenüber 2024 um etwa 0,31 Euro erhöht werden, in 2026 betrüge das Plus bereits 0,65 Euro.

Das wird jedoch „oben“ beim prozentualen Zuschlag wieder einkassiert. Der Rohertrag der (zahlenmäßig geringeren) teuren Packungen leidet, billigere profitieren etwas in der Masse. Unter dem Strich sollte es aber auf null herauslaufen, doch nicht für jeden gleichermaßen, dazu gleich mehr. Übrigens: Die in der Presse anfangs kolportierte Erhöhung des Festzuschlags um lediglich zweimal 0,19 Euro erfüllt die „1 : 1-Kompensation“ nicht und würde unter dem Strich zu Verlusten führen.

Diese neue Austarierung der Rx-Vergütung zeigt Abbildung 1 in Abhängigkeit des Herstellerpreises (ApU). Vor allem bei teuren Medikamenten würde der Ertrag spürbar sinken (rote gegenüber grüner Kurve). Kurioses Detail am Rande: Erstmals würde der Großhandel in einem Segment von etwa 625 Euro bis gut 1.500 Euro zum ApU unter o. a. Modellprämissen einen höheren Rohertrag haben als die Apotheke im GKV-Segment. Das können bis zu gut fünf Euro sein – Rabatte sollten das freilich kompensieren. Bei Privatverordnungen verschiebt es sich marginal.

Gewinner und Verlierer?

Der durchschnittliche Rx-Packungswert über alle Rx-Packungen (mit Hochpreisern) ist die entscheidende Größe für einen Gewinn oder Verlust aus der Reform. Heute beträgt dieser zum Netto-Apothekeneinkaufswert AEP etwa 55 Euro bis 60 Euro. Nur Apotheken mit schlechter Ärzteanbindung (unter anderem Centerlagen) liegen heute noch unter 40 Euro. Andererseits sind Werte über 80 Euro auch wieder selten, aber sie kommen in Fachärztehäusern vor. 2025 bzw. 2026 werden diese Werte weiter gestiegen sein.

Tabelle 2 zeigt einige Fallkonstellationen. Sehr Rx-hochpreisig aufgestellten Apotheken drohen tatsächlich (leichte) Verluste, bei den meisten bleibt es bei einem überschaubaren Plus, welches vor allem aus der Kassenrabattsenkung und der Notdienstvergütung herrührt. Wer Rx-niedrigpreisig unterwegs ist (Center), profitiert in diesem Modell – aber auch eher marginal.

Fazit

Aus monetärer Sicht werden die Apotheken im Wesentlichen auf dem Ist-Zustand eingefroren. Die Befreiung daraus wird dann auf das Verhandlungsglück ab 2027 verschoben – eine vage Aussicht. Rhetorische Frage: Muss man das haben?

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Prof. Dr. Reinhard Herzog, Apotheker, DAZ-Autor
redaktion@daz.online


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2 Kommentare

Glaube ich nicht

von Karl Friedrich Müller am 19.01.2024 um 10:50 Uhr

Für 2022 hab ich es für mich durchgerechnet: ein Minus von 13.000€! Den zurückgenommenen Kassenrabatt nicht berücksichtigt, weil der 2022 nicht anfiel.
Das ist nicht nur eine Mogelpackung, sondern der Versuch, uns über den Tisch zu ziehen. Die höhere Notdienstvergütung ist auch nicht berücksichtigt, Mit der wäre es immer noch 10.000€ weniger.

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eine klassische und unlautere Mogelpackung

von Thomas B am 19.01.2024 um 8:26 Uhr

Zum Einen ist unlauter und unseriös, die von vornherein als vorübergehende Erhöhung des Kassenabschlags zum vorher geplanten Termin als Entlastung der Apotheken zu verkaufen. Das ist lediglich die vorher versprochene Beendigung eines - meines Erachtens ohnehin äusserst fragwürdigen und unberechtigten - Sonderopfers.
Zum Andern wird der seit 2003 fällige Inflationsausgleich weiterhin verweigert. Und ob der dann 2027 (nach dann 24 Jahren und einer allgemeinen Preisentwicklung von 1,6 plus x) dann tatsächlich kommt, ist dem Nachfragemonopol der kranken Kassen vorbehalten....
Dieses Modell ist in höchstem Mass unseriös und unlauter!
Es zeigt Herrn Lauterbachs tatsächliche Wertschätzung für unseren Berufsstand: er liegt tief im negativen Bereich!
Wann stehen wir endlich auf? Geschlossen und unüberhörbar?

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