Start am 1. September

So bereiten sich Schleswig-Holstein und Westfalen-Lippe auf das E-Rezept vor

Berlin - 08.08.2022, 17:50 Uhr

Ab 1. September wird das E-Rezept für die Apotheken bundesweit zur Pflichtanwendung. (s / Foto: Pharmatechnik)

Ab 1. September wird das E-Rezept für die Apotheken bundesweit zur Pflichtanwendung. (s / Foto: Pharmatechnik)


In wenigen Wochen ist es so weit: Dann wird das E-Rezept bundesweit zur Pflichtanwendung für Apotheken. In Schleswig-Holstein und Westfalen-Lippe sind zudem die Ärztinnen und Ärzte dabei – in diesen beiden Bezirken sollen die elektronischen Verordnungen erstmals in die Fläche gehen. Wie bereiten sich die Apotheker:innen und ihre Standesvertretungen dort auf den Start vor? Die DAZ fragte beim AVWL und der AKSH nach.

Schon seit Monaten beteuern die apothekerlichen Standesvertretungen öffentlich, dass die Offizinen hierzulande E-Rezept-ready seien. Bald steht der Praxistest an: Zum 1. September wird das E-Rezept zur Pflichtanwendung für die Apotheken in Deutschland. In Schleswig-Holstein und Westfalen-Lippe sollen die elektronischen Verordnungen laut einem Gematik-Beschluss von Ende Mai dann zudem sukzessive in die Fläche gehen – zunächst in Pilotpraxen und -krankenhäusern. Voraussichtlich im Dezember könnte die Nutzung für alle Ärztinnen und Ärzte zur Pflicht werden.

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In beiden Regionen laufen die Vorbereitungen auf Hochtouren, wie die DAZ auf Nachfrage erfuhr. Alle zwei Wochen kommen die beteiligten Organisationen demnach auf Bundesebene zusammen – von den Apothekerkammern und -verbänden über den DAV und die Gematik bis hin zu den kassen(zahn)ärztlichen Interessenvertretern, den Herstellern der Praxis- und Apothekenverwaltungssysteme und den Rechenzentren. Im hohen Norden sitzen zudem die Krankenhausgesellschaft und Gesandte des Uniklinikums Schleswig-Holstein mit am Tisch. „Wöchentlich tauschen sich ferner die ABDA sowie die Landesorganisationen der beiden Startregionen aus“, schreibt der AVWL. Gemeinsam habe man etwa die Erfolgskriterien entwickelt, die erfüllt sein müssen, bevor der flächendeckende Rollout angegangen werden kann.

Technische Probleme im Fokus

Vorrangig, erläutert der Verband aus Westfalen-Lippe weiter, werden in diesen Austauschrunden mit der Gematik technische Probleme bei der Abwicklung des E-Rezepts besprochen, insbesondere Schwierigkeiten, die in der Kommunikation der Praxis- und Apothekenverwaltungssoftware auftreten. „Die Mitglieder spiegeln uns zudem die Probleme, die in den Apotheken vor Ort mit den E-Rezepten auftreten“, informiert eine Sprecherin. „Der AVWL hat die Möglichkeit, diese Fehler bzw. Probleme über ein Ticketing-System an die Gematik zu melden, die diese wiederum an die zuständigen Akteure weitergibt.“ So konnten den Angaben zufolge bereits eine Reihe von Problemen gelöst werden. „Beispielsweise sind Blutzuckerteststreifen per E-Rezept verschrieben und abgerechnet worden, obgleich diese erst ab Juli 2026 über das E-Rezept verordnungsfähig sind. Hier sind die Softwarehersteller informiert worden, dass Nachbesserungsbedarf besteht.“

Die Zusammenarbeit sei „intensiv und äußerst konstruktiv“, betont der AVWL. Dem schließt sich auch die Kammer aus Schleswig-Holstein an: Insbesondere die Kooperation mit der örtlichen Kassenärztlichen Vereinigung (KV) hebt AKSH-Geschäftsführer Felix-Alexander Litty hervor. „Auch die KVSH ist hochengagiert und leistet ihren Anteil“, teilt er auf Anfrage der Redaktion mit. „Das ist wichtig, weil es ohne breite Akzeptanz der Ärzteschaft keine E-Rezepte in den Apotheken geben wird. Der AV und die AKSH haben einen regelmäßigen, kollegialen und konstruktiven Austausch mit der KVSH und wir unterstützen uns sogar gegenseitig bei der Schulung bzw. Information der Mitglieder. Das ist nicht selbstverständlich.“

Unterschiedliche Interessenlagen

Grundsätzlich ist Litty überzeugt davon, dass es der richtige Weg ist, alle Akteure an einem Tisch zu versammeln, auch wenn sich nicht alle Probleme unmittelbar lösen ließen. Denn: „Die Interessenlagen sind punktuell sehr unterschiedlich“, sagt er. Es gebe noch viel zu tun, räumt er ein. „Viele Prozesse sind leider noch nicht über das E-Rezept abbildbar, der Transportweg des E-Rezepts über die eGK erfolgt erst nächstes Jahr, ein sicherer Transportweg wie KIM ist für die Apotheken kostenpflichtig, auch die AVS sind noch nicht vollumfänglich auf den neuen Prozess eingerichtet, der Kundensupport hängt jetzt schon Tage hinterher und so weiter …“ Dennoch sei man auf einem guten Kurs. „Irgendwer muss anfangen und ich bin optimistisch, dass die Apotheker- und Ärzteschaft den Rollout in Schleswig-Holstein in gewohnter Harmonie und mit norddeutschem Pragmatismus hinbekommen und wir gute Handlungshilfen für folgende Bundesländer abgeben können.“

Auch der AVWL krempelt die Ärmel hoch: „Die Situation ist neu. Und so wird es sich aller intensiven und guten Vorbereitungen zum Trotz nicht vermeiden lassen, dass im Verlauf des Prozesses auch neue, derzeit noch nicht absehbare Herausforderungen auftreten – die wir dann natürlich angehen.“ Für Vorstand und Geschäftsstelle des AVWL habe der Start des E-Rezepts schon lange hohe bis höchste Priorität. „Mit regelmäßigen Informationen, die wir den Mitgliedern mit Infoveranstaltungen sowie einem eigenen Newsletter ‚Update E-Rezept‘ zur Verfügung stellen, halten wir die Apotheken in Westfalen-Lippe auf dem aktuellen Sachstand, nehmen sie mit und motivieren sie, die Aufgabe anzugehen“, heißt es. „Handlungsanweisungen haben wir übersichtlich aufbereitet und für unsere Mitglieder auf der Homepage veröffentlicht. Auch haben wir gemeinsam mit der Apothekerkammer einen ‚Erklärfilm‘ entwickelt für die Kommunikation mit den Patienten. Diesen bieten wir den Apotheken zum Download an.“

Friedenspflicht gibt Sicherheit

Positiv stimmt beide Organisationen, dass es vonseiten der Krankenkassen zunächst eine Friedenspflicht bei technischen E-Rezept-Fehlern geben soll. „Das ist ein großer Erfolg für die Apotheker und gibt Sicherheit“, unterstreicht AKSH-Geschäftsführer Litty. Denn ein großes Problem beim Projekt E-Rezept sei, dass das finanzielle Risiko komplett bei den Apotheken liegt. „Es kann nicht sein, dass die Apotheke Retaxationen oder sonstige Beanstandungen bei Fehlern in den Datensätzen erhält, für die die Apotheke erstens nicht verantwortlich ist und zweitens diese auch gar nicht identifizieren kann.“ 

In Westfalen-Lippe haben laut Verbandssprecherin bereits einige Krankenkassen „vertragspartnerschaftliche Zusammenarbeit“ zugesagt. „Wir stehen ferner auf Landesebene im weiteren Austausch mit den Krankenkassen, da sich bei einem derart neuen Prozess Herausforderungen ergeben können, die sich derzeit noch gar nicht abzeichnen.“

Informationsveranstaltung am 30. August

Am 30. August blasen die Apothekerorganisationen in Westfalen-Lippe und Schleswig-Holstein noch einmal zum Angriff: In einer gemeinsamen Veranstaltung, an der Litty zufolge auch einige AVS-Hersteller teilnehmen, will man die Kolleginnen und Kollegen aus den betroffenen Regionen auf den aktuellen Stand bringen und erläutern, wie sie praktisch mit den sich stellenden Herausforderungen umgehen können. Thematisiert werden sollen dabei zum Beispiel auch die verpflichtende Angabe der Chargenbezeichnung im Abgabedatensatz und die Tücken beim Abruf der E-Rezept-Quittung aus dem Fachdienst.


Christina Müller, Apothekerin und Redakteurin, Deutsche Apotheker Zeitung (cm)
redaktion@daz.online


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1 Kommentar

Affentheater auf unsere Kosten

von ratatosk am 08.08.2022 um 18:34 Uhr

Friedenspflicht , gnädigerweise die Aussetzung von Haftung für die Fehler anderer. Völlig lächerlich. Klare Zuordnung erst mal, wer für was verantwortlich ist. Hier soll nur ein krankes Projekt gerettet werden , natürlich auf unsere Kosten, damit die Politik und Verwaltung nicht so doof dastehen, wie es eigentlich klar ist. Das ganze Land rennt sehenden Auges in die Katastrophe, aber kaum einer traut sich dies auszusprechen, kennt man von _ des Kaisers neue Kleider - - Nur eine faktische Ablehnung durch die Praxen kann die Sache noch retten, hier besteht noch Hoffnung, da die nicht so doof sind , jeden Blödsinn bis zum Untergang dann auch umzusetzen.
Man sollte auch nicht sagen ein Abbrechen ginge nicht, geht schon, wir hatten auch schon mal das Projekt Herkules des Bundes, wurde nach Milliardenverschwendung einfach abgewürgt und begraben,

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