Kein verbessertes Überleben

Metformin enttäuscht bei Brustkrebs

Stuttgart - 27.05.2022, 16:45 Uhr

Kein verbessertes krankheitsfreies Überleben: Metformin hat keinen positiven Effekt zusätzlich zur Standardbehandlung bei Brustkrebs. (b/Foto: romaset / AdobeStock)

Kein verbessertes krankheitsfreies Überleben: Metformin hat keinen positiven Effekt zusätzlich zur Standardbehandlung bei Brustkrebs. (b/Foto: romaset / AdobeStock)


Metformin verlängert als Zusatztherapie zur Standardbehandlung bei Brustkrebs das Überleben der Patientinnen nicht. Frühere Daten hatten Hoffnung auf eine indirekte oder direkte Antitumorwirkung des Diabetes-Arzneimittels geschürt.

Verlängert Metformin das Überleben von Brustkrebspatientinnen, wenn diese zu ihrer Standardbehandlung das Biguanid erhalten? Die Antwort veröffentlichten Wissenschaftler im Fachjournal „JAMA“(1).

Sie hatten dafür zwischen 2010 und 2013 insgesamt 3.649 Patientinnen (Alter 18 bis 74 Jahre, im Mittel: 52,4 Jahre) ohne Diabetes untersucht, denen im Jahr zuvor Brustkrebs (Stadium T1-3 N0-3, nicht metastasiert) diagnostiziert worden war und die eine Standardbehandlung erhielten. Sie mussten sich einer vollständigen Resektion ihres Brustkrebses unterzogen und eine neoadjuvante Chemotherapie (falls gegeben) abgeschlossen haben, konnten aber nach Aufnahme in die Studie weiterhin eine Bestrahlung, adjuvante Hormone, eine ERBB2-gerichtete Therapie, andere Biologika oder eine knochengerichtete Therapie (falls gegeben) erhalten. Das Follow-up fand bis Oktober 2020 statt. Die MA.32-Studie (Phase 3, randomisiert, placebokontrolliert, doppeltblind) lief in Kanada, der Schweiz, den USA und dem Vereinigtem Königreich. Ausgeschlossen waren Patientinnen, die bereits zuvor an einem invasiven Tumor gelitten, eine diabetische Vorgeschichte oder Laktazidose hatten oder bei denen der Brustkrebs als Rezidiv aufgetreten war.

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Unterschieden wurde zudem, ob die Patientinnen ER/PGR+ waren (2.533) oder ER/PGR- (1.116), sie erhielten entweder 850 mg zweimal täglich (nach einer Eindosierungsphase von vier Wochen) zur Standardbehandlung oder Placebo. Allerdings stellten die Wissenschaftler bereits 2016 in der Gruppe der Hormonrezeptor-negativen Frauen fest, dass Metformin keinen Vorteil bringt, weswegen dieser Arm der Studie zu diesem Zeitpunkt beendet wurde. Ausgewertet wurden letztlich Frauen mit ER/PGR+ Brustkrebs. Primärer Endpunkt der Studie war das krankheitsfreie Überleben der Patientinnen nach fünf Jahren.

Kein Vorteil beim Überleben

Das krankheitsfreie Überleben bei Frauen, die fünf Jahre lang Metformin eingenommen hatten, unterschied sich nicht von dem der Brustkrebspatientinnen ohne Metformin: Nach einer medianen Nachbeobachtungszeit von 96,2 Monaten (etwa acht Jahre) hatten 465 Patientinnen ein lokales Rezidiv oder Fernmetastasen entwickelt oder waren gestorben – 234 in der Metformingruppe, 231 in der Placebogruppe. Die Inzidenz geben die Wissenschaftler für Metformin mit 2,78 pro 100 Patientenjahre an, für Placebo mit 2,74 pro 100 Patientenjahre, was eine Hazard Ratio von 1,01 ergibt: Das Risiko für beide Behandlungsgruppen ist vergleichbar.

Kein Grund für Metfomin bei Brustkrebs

Somit führte bei Patientinnen mit operablem Hochrisiko-Brustkrebs ohne Diabetes die zusätzliche Gabe von Metformin im Vergleich zu Placebo zur Standard-Brustkrebstherapie nicht zu einer signifikanten Verbesserung des krankheitsfreien Überlebens oder anderer Brustkrebs-Endpunkten, was den Einsatz des Biguanids als adjuvante Standardtherapie bei Patientinnen mit Brustkrebs im Frühstadium ohne Diabetes nicht befürworten lässt.

Metformin bei Brustkrebs – wie entstand die „Idee“?

Metformin kennt man als typisches Arzneimittel aus der Behandlung von Diabetes. Allerdings lieferten Beobachtungsstudien, in denen Diabetikerinnen mit Brustkrebs teilnahmen, Hinweise, dass Metformin die Prognose bei Brustkrebs verbessern kann – auch wenn die Studienergebnisse uneinheitlich waren: „Metformin könnte in der Standardkrebsbehandlung sowohl das krebsspezifische wie auch das Gesamtüberleben von Diabetikerinnen mit Brustkrebs verbessern“, lautete das Fazit einer 2015 im „The Oncologist“ veröffentlichten Studie(2). Dem standen Forschungsergebnisse von 2013 gegenüber, die „keinen Zusammenhang zwischen einer verbesserten Überlebensrate und einer längeren kumulativen Metformin-Dauer bei älteren Brustkrebspatientinnen, bei denen der Diabetes erst kürzlich aufgetreten war“ zeigten („Diabetes Care“(3)).

Metformin senkt nachweislich den Nüchterninsulinspiegel und verbessert die mit Fettleibigkeit verbundene Physiologie bei Patientinnen mit Brustkrebs – auch, wenn sie keinen Diabetes haben. Doch ob das auch das Überleben bei Krebs beeinflusst, und wie, war bislang nicht geklärt. 
Man geht derzeit davon aus, dass Metformin eine indirekte Antitumorwirkung über eine Reduzierung des Insulinsignals und zudem eine direkte Antitumorwirkung haben könnte. In mehreren Studien konnte Metformin den intratumoralen Ki67-Wert (einen Marker für die Teilungsgeschwindigkeit von Zellen) senken(4).

Darüber hinaus wirkte sich bei Patientinnen mit ERBB2-positivem Brustkrebs (HER2-positiv) und neoadjuvanter Chemotherapie sowie ERBB2-spezifischer Behandlung Metformin positiv auf das Ansprechen der Patientinnen aus(5).

Diese Daten bildeten die Grundlage für die Hypothese, dass Metformin, verglichen mit Placebo, das krankheitsfreie Überleben von Brusktkrenspatientinnen über fünf Jahre verbessern könnte und formten damit die Idee, der jetzt im JAMA publizierten MA.32-Studie.

1. „JAMA“: „Effect of Metformin vs Placebo on Invasive Disease–Free Survival in Patients With Breast Cancer The MA.32 Randomized Clinical Trial“ (doi:10.1001/jama.2022.6147)

2. „The Oncologist“: „Metformin Use Is Associated With Better Survival of Breast Cancer Patients With Diabetes: A Meta-Analysis“ (DOI: 10.1634/theoncologist.2015-0096)

3. „Diabetes Care“: „Association Between Metformin Therapy and Mortality After Breast Cancer: A population-based study“ (doi.org/10.2337/dc12-2535)

4. „Breast Cancer Research and Treatment“: „Metformin in early breast cancer: a prospective window of opportunity neoadjuvant study“

5. „Frontiers in Oncology“: „The C Allele of ATM rs11212617 Associates With Higher Pathological Complete Remission Rate in Breast Cancer Patients Treated With Neoadjuvant Metformin“; (doi.org/10.3389/fonc.2019.00193)



Celine Bichay, Apothekerin, Redakteurin DAZ
redaktion@daz.online


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