AMK und BFS warnen

Keine Iodprophylaxe in Eigenregie

Stuttgart - 01.03.2022, 17:50 Uhr

Hochdosiertes Iod sollte nur auf explizite Anweisung der Katastrophenschutzbehörden eingenommen werden, nicht jedoch in der Selbstmedikation. (x / Foto: IMAGO / Eibner)

Hochdosiertes Iod sollte nur auf explizite Anweisung der Katastrophenschutzbehörden eingenommen werden, nicht jedoch in der Selbstmedikation. (x / Foto: IMAGO / Eibner)


Vor allem Kinder und Schwangere, aber nicht für Ab-45-Jährige

Besonders wichtig, sollte eine Iodblockade erforderlich werden, ist, dass Kinder und Schwangere Iod einnehmen, da die Schilddrüse bei Kindern besonders empfindlich sei, erklärt das BfS. Bei Schwangeren soll durch die Iodblockade vornehmlich das ungeborene Baby geschützt werden, das auf die mütterliche Iodzufuhr angewiesen ist. Hingegen rät das BfS von einer Iodprophylaxe bei Ab-45-Jährigen ab. Bei ihnen überwögen die Nebenwirkungen der Hochdosisiodtherapie den Nutzen der Iodblockade mit der Intention, Schilddrüsenkrebs zu vermeiden.

Nur nach Aufforderung der Katastrophenschutzbehörde

Allerdings sollten Iodtabletten in dieser Menge „nur nach ausdrücklicher Aufforderung durch die Katastrophenschutzbehörden eingenommen werden“, erklärt das Bundesamt für Strahlenschutz und weist darauf hin, dass hochdosiertes Iod Nebenwirkungen mit sich bringt. Deswegen rät das BfS, wie auch die AMK, von der „Eigenanwendung dringend“ ab. Auch betont das BfS, dass im Fall einer erforderlichen Iodblockade sodann eine einmalige Applikation genügt. Weiteres Iod sollte nur auf Empfehlung der Strahlenschutzbehörde eingenommen werden.

Der richtige Zeitpunkt

Dass eine hochdosierte Iodprophylaxe nur auf ausdrückliches Kommando der zuständigen Katastrophenschutzbehörden erfolgen sollte, begründet sich darin, dass sowohl eine zu frühe wie auch zu späte Anwendung den maximalen Nutzen verfehlt. Bei zu früher Einnahme könne nicht radioaktives Iod schon wieder abgebaut sein, wenn radioaktives Iod aufgenommen werde, warnt das BfS. Bei verzögerter Einnahme hingegen war das radioaktive Iod schneller und hat sich bereits in der Schilddrüse eingelagert, was ebenfalls den Iodschutz beschränkt.

Entfernung, Windverhältnisse und freigesetzte Menge

Ob die Katastrophenschutzbehörden nach nuklearen Zwischenfällen dazu auffordern, prophylaktisch Iod einzunehmen, hängt davon ab, ob ein Risiko für die Bewohner besteht und ob radioaktives Iod über die Luft in die Region kommen kann. Das wiederum werde beeinflusst davon, „wieviel radioaktives Iod freigesetzt wird, wie weit der Unfallort entfernt liegt und wie die Wind- und Wetterverhältnisse sind“, erklärt das BfS.

Radioaktives Iod ist nicht das einzige Problem

Einen weiteren wichtigen Punkt gibt es zu beachten: Bei nuklearen Unfällen ist radioaktives Iod nicht das alleinige Problem. So twitterte Professor Martin Smollich (Institut für Ernährungsmedizin des Universitätsklinikums Schleswig-Holstein und Betreiber von Ernährungsmedizin.blog) am heutigen Dienstag (1. März 2022): „Die Jodblockade schützt ausschließlich vor der Aufnahme von radioaktivem Jod in die Schilddrüse. Vor allen (!) übrigen Schäden einer Kernwaffenexplosion (Druckwelle, Licht-/Wärme-/ionisierende Strahlung, Fallout, EMP) schützen Jodtabletten NICHT.“ Und weiter: „Damit ist klar: Die Schilddrüsenschädigung durch radioaktives Jod macht nur einen minimalen Bruchteil der Gesundheitsschäden einer Kernwaffenexplosion aus“.

Nach Angaben der AMK haben die für den Katastrophenschutz zuständigen Behörden 189,5 Millionen hochdosierte Kaliumiodidtabletten bevorratet, die bei Bedarf und nach Aufforderung der Behörden an die Bevölkerung ausgegeben werden sollen.



Celine Müller, Apothekerin, Redakteurin DAZ.online (cel)
redaktion@daz.online


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