SARS-CoV-2 beeinflusst Darmbakterien

Wie hängt COVID-19 mit dem Mikrobiom zusammen?

Stuttgart - 30.09.2021, 09:15 Uhr

Gestörte Darmbarriere durch COVID-19? Wissenschaftler:innen fanden heraus, dass bei schwer an COVID-19 Erkrankten es zu einer Verringerung der Gattung Faecalibacterium (Ordnung: Clostridiales) kam, was mit einer Störung der Darmbarrierefunktion in Zusammenhang gebracht wird. (x / Foto: Christoph Burgstedt / AdobeStock)

Gestörte Darmbarriere durch COVID-19? Wissenschaftler:innen fanden heraus, dass bei schwer an COVID-19 Erkrankten es zu einer Verringerung der Gattung Faecalibacterium (Ordnung: Clostridiales) kam, was mit einer Störung der Darmbarrierefunktion in Zusammenhang gebracht wird. (x / Foto: Christoph Burgstedt / AdobeStock)


Intensivpatienten weisen geringere Mikrobiom-Diversität auf

Die Forschenden von den medizinischen Fakultäten von Yale und der New York University entnahmen nun Stuhlproben von SARS-CoV-2-infizierten Patient:innen, die bei ihnen in den Krankenhäusern behandelt wurden. Sie stellten fest, dass das Mikrobiom von Patient:innen, die wegen COVID-19 auf der Intensivstation lagen, eine geringere Diversität aufwies, also weniger vielfältig war. Den Wissenschaftler:innen fiel zudem auf, dass dies in besonderem Ausmaß bei COVID-19-Patient:innen, die eine Blutstrominfektion (BSI, Blood Stream Infection) entwickelten, der Fall war – bei denen also Bakterien in den Blutkreislauf eingeschwemmt wurden (nicht zwingend mit klinischen Sepsiszeichen). Sie sprechen von einer „stark reduzierten bakteriellen α-Diversität“. 

Außerdem hatten alle BSI-Patient:innen während ihres Krankenhausaufenthaltes wegen Verdachts auf BSI Antibiotika erhalten, was die „Verschiebung der Mikrobiota-Population“ verstärkt haben könnte, überlegen die Wissenschaftler:innen. Auffällig war jedoch, dass auch 80 Prozent dieser Patient:innen bereits kurz vor COVID-19 antibiotisch behandelt worden waren.

Weniger Bakterien mit Darmbarrierefunktion

Nun interessierte die Wissenschaftler:innen, wie „anders“ das Mikrobiom sich bei schwer erkrankten Patient:innen mit BSI zusammensetzte: Sie fanden unter anderem heraus, dass es zu einer Verringerung der Gattung Faecalibacterium (Ordnung: Clostridiales) kam, was mit einer Störung der Darmbarrierefunktion in Zusammenhang gebracht wird. Diese Dysbiose stimmt mit den Erkenntnissen aus dem Mausmodell überein, wo Clostridiales-Arten bei mit SARS-CoV-2 infizierten Mäusen ebenfalls abgenommen hatten.

Verlagerung der Darmbakterien ins Blut

Beim Vergleich der den Darm besiedelnden Mikroorganismen mit den im Blutkreislauf gefundenen deutete sich zudem eine Übereinstimmung der Taxa in den Stuhlproben mit den im Blut identifizierten an. „Die Analyse der Ergebnisse von Blutkulturen, die auf sekundäre mikrobielle Infektionen des Blutkreislaufs getestet wurden, mit den Mikrobiomdaten dieser Patienten legt nahe, dass Bakterien aus dem Darm in den systemischen Kreislauf von COVID-19-Patienten gelangen“, schlussfolgern die Wissenschaftler:innen. Und weiter: „Wir konnten nachweisen, dass eine Dysbiose des Darmmikrobioms bei COVID-19 mit der Verlagerung von Bakterien ins Blut einhergeht und lebensbedrohliche Sekundärinfektionen verursacht“. 

Zudem zeigten sie erstmals, dass das Darmmikrobiom durch eine SARS-CoV-2-Infektion in einem Mausmodell direkt und dosisabhängig beeinflusst wird, wodurch ein kausaler Zusammenhang zwischen Virusinfektion und Dysbiose des Darmmikrobioms angenommen wird. Die an Patient:innen beobachtete Dysbiose stimmte darüber hinaus mit den Beobachtungen im Tiermodell überein.



Celine Müller, Apothekerin, Redakteurin DAZ.online (cel)
redaktion@daz.online


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