Evaluation des Modellprojekts in Nordrhein

Impfende Apotheker überzeugen auf ganzer Linie

Berlin - 09.06.2021, 17:50 Uhr

Die impfenden Apotheken auf ganzer Linie überzeugen: 90,4 Prozent der befragten Geimpften gaben an, mit dem Service sehr zufrieden gewesen zu sein. (c / Quelle: May + Bauer, Präsentation beim Apothekerverband Nordrhein)

Die impfenden Apotheken auf ganzer Linie überzeugen: 90,4 Prozent der befragten Geimpften gaben an, mit dem Service sehr zufrieden gewesen zu sein. (c / Quelle: May + Bauer, Präsentation beim Apothekerverband Nordrhein)


Der AVNR bleibt Vorreiter in Sachen Grippeimpfung in den Apotheken: Als erster Partner eines solchen Modellprojekts legt der Verband jetzt die Evaluationsergebnisse aus der ersten Impfsaison vor, in der die Apotheken Menschen die Grippeschutzimpfung verabreichen durften. Die Zufriedenheit der Impflinge spricht Bände – doch die Vergütung bewegt sich an der absoluten Untergrenze dessen, was noch als wirtschaftlich erachtet werden kann.

Der Apothekerverband Nordrhein (AVNR) war im vergangenen Jahr der erste, der eine Vereinbarung für ein Modellprojekt zur Grippeimpfung in den Apotheken mit einer Krankenkasse aushandeln konnte. Im Herbst 2020 konnten sich Versicherte der AOK Rheinland/Hamburg erstmals in bestimmten Regionen Nordrheins in den Apotheken gegen Influenza immunisieren lassen. Insgesamt 33 Betriebe nahmen aktiv am Modellprojekt teil. Der Gesundheitsökonom Professor Uwe May von der Beratungsagentur May und Bauer präsentierte bei der Online-Versammlung des AVNR die Evaluationsergebnisse aus der vergangenen Grippesaison.

Demnach konnten die impfenden Apotheken auf ganzer Linie überzeugen: 90,4 Prozent der befragten Geimpften gaben an, mit dem Service sehr zufrieden gewesen zu sein. Weitere 9,0 Prozent waren zufrieden. Ganze 94 Prozent von ihnen würden sich wieder in der Apotheke gegen Grippe impfen lassen und 78 Prozent würden sich auch für Impfungen gegen andere Erkrankungen an die Betriebe wenden. Weitere knapp 15 Prozent würden es wahrscheinlich tun, nur 1,8 Prozent schließen das für sich aus. Rund 5 Prozent waren sich unsicher.

Impfquote lässt sich durch Apothekenimpfungen erhöhen

Ziel der Apothekenimpfung ist es, die Impfquote bei Grippe zu erhöhen – und das scheint zu gelingen: Für fast jeden Dritten (30 Prozent) derjenigen, die sich in den Apotheken Nordrheins die Influenzavakzine verabreichen ließen, war es die erste Grippeimpfung überhaupt. 12 Prozent der Impflinge hätten sich definitiv nicht impfen lassen, wäre dies nicht in der Apotheke möglich gewesen, weitere 13 Prozent antworteten mit „weiß nicht“. May ordnete ein: „Nach meiner Erfahrung mit solchen Auswertungen können Sie diese 13 Prozent fast vollständig zu denjenigen zählen, die sich nicht hätten impfen lassen.“ Er geht also davon aus, dass etwa jeder Vierte keine Schutzimpfung gegen Grippe bekommen hätte, wenn die Apotheken nicht zur Stelle gewesen wären.

Insbesondere die Gruppe der 50- bis 59-Jährigen nahm das Angebot wahr: Fast jeder Vierte (100 von 420 geimpfte Personen) stammte aus dieser Altersgruppe. Seniorinnen und Senioren hingegen wurden vergleichsweise selten in den Apotheken geimpft. Nur etwa 25 Personen waren älter als 75 Jahre. May erklärte das damit, dass gerade ältere Menschen meist ohnehin regelmäßig zum Arzt gingen. Zielgruppe für die Apotheken seinen eher die Berufstätigen, die sich nicht extra wegen der saisonalen Impfung in ein Wartezimmer setzen wollten. Unter ihnen finden sich May zufolge viele, die keine Empfehlung für eine Grippeimpfung gemäß STIKO haben, aber dennoch von der Inanspruchnahme profitieren. „Es ist erfreulich, dass wir so viele dieser Menschen erreichen konnten“, betonte May.

May: Nicht herunterhandeln lassen!

Eine weitere wichtige Erkenntnis: In keinem einzigen Fall ist es May zufolge zu einer akuten Impfreaktion gekommen, Notfallmaßnahmen waren also nicht nötig. Das sei nicht überraschend, so der Gesundheitsökonom, aber mit Blick auf die Bedenken, die insbesondere vonseiten der Ärzte immer wieder geäußert werden, erwähnenswert. Angesichts der vorliegenden Auswertung lobte er die Apotheker: „Das sind enorm positive Zahlen und das direkte Ergebnis Ihrer Arbeit in den Apotheken.“

2hm-Gutachten: 1 Euro je Minute ist das Minimum

Mit 12,61 Euro netto ausgehandelter Vergütung je Impfung hatte der AVNR bundesweit Maßstäbe gesetzt. Überbezahlt sind die Apotheken damit sicher nicht, nach Mays Analyse lohnt sich das Impfen dennoch wirtschaftlich für die teilnehmenden Betriebe. „Man darf sich jetzt nur nicht herunterhandeln lassen“, warnte er. Denn durchschnittlich benötigen die Apotheker:innen etwa 15 Minuten je Impfling, was rund 1 Euro pro Arbeitsminute entspricht. May erinnerte an das 2hm-Gutachten zum Apothekenmarkt im Auftrag des Bundeswirtschaftsministeriums, dessen Veröffentlichung Ende des Jahres 2017 für viel Aufsehen unter den Pharmazeutinnen und Pharmazeuten gesorgt hatte. Dieses Gutachten sei „nicht gerade apothekenfreundlich“ gewesen, so May. Doch selbst darin hätten die Autoren 1 Euro pro Minute als absolute Untergrenze für die Vergütung apothekerlicher Dienstleistungen angesetzt.

Für die Krankenkassen gebe es auch gar keinen Grund, die Vergütung weiter zu drücken. Vergleiche mit dem ärztlichen Honorar hinkten, wie auch DAZ.online seinerzeit berichtet hatte. Die Impfung in der Apotheke sei unter dem Strich immer noch günstiger als die Impfung beim Arzt, betonte der Experte.

Auch wenn die Stichprobe mit 33 Apotheken und 420 Impflingen recht klein ausfällt, stuft May die Ergebnisse der Evaluation doch als sehr verlässlich ein. Denn sie stimmten weitgehend mit Daten aus anderen Ländern überein, in denen sich bereits Millionen von Menschen in Apotheken gegen Grippe impfen ließen. Auch dort habe zum Beispiel die Zufriedenheit der Impflinge stets bei mehr als 90 Prozent gelegen.



Christina Müller, Apothekerin und Redakteurin, Deutsche Apotheker Zeitung (cm)
redaktion@daz.online


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