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Apotheken überzeugen durch Kompetenz und leichten Zugang

So lief das Modellprojekt zur Grippeschutzimpfung an Rhein und Ruhr

Die Impfquote in Bezug auf die Grippeschutzimpfung ist in Deutschland seit Jahren auf einem gleichbleibend niedrigen Niveau. Im Jahr 2019 lag sie bei 35,2 Prozent [1]. Der Anteil an über 60-Jährigen, die sich gegen Influenza impfen ­ließen, liegt zwar mit 38,8 Prozent etwas über dem Durchschnitt, verfehlt aber dennoch die von der WHO empfohlene Impfquote für ältere Personen von 75 Prozent deutlich [2]. Internationale wie auch nationale Untersuchungen haben gezeigt, dass das Impfangebot in Apotheken zu einer Steigerung der Impfquote führen kann. Aus diesem Grund hat der Gesetzgeber im Zuge des Masernschutzgesetzes im Jahr 2020 erlassen, dass Modellvorhaben zur Grippeschutzimpfung in Apotheken durchgeführt werden können.

Im Bereich der Apothekerkammer Nordrhein konnten sich in der Saison 2021/22 bereits zum zweiten Mal Versicherte der AOK Rheinland/Hamburg in Apotheken, die am Modellprojekt teilnehmen, gegen die Grippe impfen lassen. Gemäß den gesetzlichen Vor­gaben wurden die dabei erhobenen Daten nun von „May und Bauer – Konzepte im Gesundheitsmarkt“ evaluiert und zeigen eine deutliche Steigerung der Inanspruchnahme des Impfangebots in der Apotheke im Vergleich zur Vorsaison.

Im Kammerbereich Nordrhein nahmen zuletzt 127 Apotheken aus acht Regionen am Modellvorhaben zur Grippeschutzimpfung teil und impften 1371 Menschen.

Patientenzahl verdreifacht

Während in der Saison 2020/21 noch 33 Apotheken in vier Regionen des Modellgebiets Nordrhein Impfungen durchgeführt haben, waren es in der vergangenen Saison bereits 127 Apotheken in acht Regionen. Entsprechend hat sich auch die Zahl der an der Impfung teilnehmenden Patientinnen und Patienten von 420 auf 1371 mehr als verdreifacht.

Elf der Teilnehmerinnen und Teilnehmer konnten aufgrund bestehender, in der Apotheke identifizierter Kontra­indikationen (z. B. Einnahme von Antikoagulantien) nicht geimpft werden. Im Ergebnis wurden somit insgesamt 1360 Personen tatsächlich in der Apotheke geimpft. Besonders häufig vertreten war dabei die Altersgruppe 50 bis 59 Jahre, gefolgt von den Gruppen 40 bis 49 und 30 bis 39. Eher selten ließen sich 75- bis 79-Jährige impfen.

Auf das Impfangebot aufmerksam geworden sind die Impflinge vorrangig durch Poster oder Flyer in der Apo­theke oder das dortige Personal. Viele haben zudem durch Mund-zu-Mund-Propaganda und das Internet vom Impfangebot in Apotheken erfahren. Wenige haben angegeben, von ihrer Krankenkasse oder in der Arztpraxis darauf aufmerksam gemacht worden zu sein.

Die vier häufigsten Gründe, wegen denen sich Patientinnen und Patienten für die Grippeschutzimpfung in der Apotheke entschieden haben, waren (bei möglicher Mehrfachauswahl) die leichte Erreichbarkeit der Apotheke (79 Prozent), keine Wartezeit (60 Prozent), das Vertrauen in die Kompetenz der Apothekerinnen und Apotheker sowie der Apotheke (47 Prozent) sowie günstige Öffnungszeiten (39 Prozent). Im Vergleich zur Vorsaison konnten alle genannten Gründe deutlich an Bedeutung gewinnen (Tab. 1). Der niederschwellige Zugang und die Kompetenz der Apotheker sind folglich Faktoren, die die Impfentscheidung maßgeblich beeinflussen können.

Tab. 1: Warum entscheiden sich Patienten für die Grippeschutzimpfung in Apotheken?
2020/21
2021/22
Leichte Erreichbarkeit
49 Prozent
79 Prozent
Keine Wartezeit
51 Prozent
60 Prozent
Vertrauen in die Kompetenz der Apotheker und die Apotheke
Nicht verfügbar
47 Prozent
Günstige Öffnungszeiten
33 Prozent
39 Prozent

Durch das niederschwellige Angebot der Impfung in der Apotheke konnten insbesondere auch Patientinnen und Patienten von der Inanspruchnahme der Grippeschutzimpfung überzeugt werden, die sich zuvor noch nie haben gegen Grippe impfen lassen. Dies trifft mit 19 Prozent auf fast jede fünfte geimpfte Person im Rahmen des Modellprojekts zu. Von diesen 255 Personen hätten sich 36 Prozent definitiv nicht impfen lassen und weitere 26 Prozent wussten nicht, ob sie sich hätten impfen lassen, wenn dies nicht in der Apotheke möglich gewesen wäre. Auch hierin ist das große Potenzial auszumachen, das in der Apothekenimpfung im Hinblick auf eine Steigerung der nationalen Impfrate zu sehen ist.

Hohe Zufriedenheit

Durchweg sehr positiv waren die Bewertungen der Apothekenimpfung im Hinblick auf die Zufriedenheit der Teilnehmerinnen und Teilnehmer. Sowohl mit den Informationen zur Impfung als auch mit der Impfung selber waren praktisch alle Geimpften zufrieden (Tab. 2). Dies wirkt sich zum einen auf die Bereitschaft und den Willen, sich noch mal in der Apotheke gegen Grippe impfen zu lassen, als auch auf das Interesse daran, sich dort auch gegen andere Erkrankungen impfen zu lassen, aus. In den beiden letztgenannten Punkten ist ein Indi­kator für den Erfolg dieses Modell­projekts zu sehen.

Tab. 2: Was trägt zur Zufriedenheit mit den Grippeschutzimpfungen in Apotheken bei?
2020/21
2021/22
99 Prozent
100 Prozent
… bewerten die von der Apotheke erhaltenen Informationen zur Impfung als sehr gut oder gut.
99 Prozent
100 Prozent
… sind sehr oder ziemlich zufrieden mit der Grippeimpfung in der Apotheke.
98 Prozent
99 Prozent
… würden sich sicher oder wahrscheinlich noch mal in der Apotheke gegen Grippe impfen lassen.
92 Prozent
98 Prozent
… würden sich sicher oder wahrscheinlich auch gegen andere Erkrankungen in der Apotheke impfen lassen.

Insgesamt resultiert somit aus der Evaluation der Ergebnisse dieses Modellvorhabens, dass die Apothekenimpfung als sicher und qualitativ hochwertig sowie aus der Patientenperspektive als sehr positiv zu bewerten ist. Zudem konnte anhand des Anteils der Patientinnen und Patienten, die sich ansonsten nicht gegen Grippe hätten impfen lassen, gezeigt werden, dass sich das Impfangebot in der Apotheke positiv auf die Impfrate in Deutschland auswirken kann.

Modell wird zur Regelversorgung

Die positive Resonanz aus den Modellvorhaben der vergangenen zwei Grippe­saisons in ganz Deutschland hat den Gesetzgeber veranlasst, die Grippeimpfung in der Apotheke in die Regelversorgung zu überführen. So hat der Bundestag am 19. Mai 2022 mit der Verabschiedung des Pflegebonusgesetzes den Weg dafür frei gemacht, dass alle Apotheken in Deutschland, sofern die gesetzlichen Anforderungen an z. B. Schulung und Räumlichkeiten erfüllt sind, fortan Grippeschutzimpfungen durchführen können [3]. Für die Versicherten bedeutet dies, dass sie, unabhängig von der ­Zugehörigkeit zu einer bestimmten Krankenkasse, in allen Apotheken in Deutschland, die die Grippeschutzimpfung anbieten, diese Leistung in Anspruch nehmen können.

Ein Vorbild für weitere Impfungen in der Apotheke?

Nicht nur im Bereich der Grippeimpfung gibt es eine erhebliche Diskrepanz zwischen den Impfzielen der STIKO und der Inanspruchnahme in der Bevölkerung. So wird die Impfung gegen die Frühsommer-Meningoenzephalitis (FSME) bei Weitem nicht so häufig in Anspruch genommen wie von der STIKO empfohlen. Nur 17 Prozent der gut 13 Mio. Personen, die die Empfehlung einschließt, haben diese im Jahr 2019 in Anspruch genommen. Ähnlich gering ist die Inanspruch­nahme der Pneumokokken Impfung. Lediglich 20,5 Prozent der über 22 Mio. Menschen, für die die Impfung empfohlen wird, haben sich im Jahr 2019 impfen lassen [4]. Nach der erfolgreichen Durchführung des Modellprojekts zur Grippeimpfung in der Modellregion Nordrhein und der daraus resultierenden Aufnahme der Grippeimpfung in Apotheken in die Regelversorgung scheint es daher notwendig, dass entsprechende Überlegungen und Initiativen auch in Bezug auf die FSME und die Pneumokokken Impfung in der Apotheke angestrebt werden. Aus der gesundheitsökonomischen und versorgungspolitischen Perspektive sind die oben dargestellten Evaluationsergebnisse nicht zuletzt deshalb von Interesse, weil sie nahelegen, dass die Impfbereitschaft der Menschen auch gegen andere Erkrankungen durch entsprechende Angebote in den Apotheken deutlich gesteigert werden kann. |
 

Literatur

[1] Berechnungen von May und Bauer basierend auf RKI (2020): Epidemiologisches Bulletin 47/2020. Impfquoten bei Erwachsenen in Deutschland, STIKO: Bestätigung der Pneumokokken-Impfempfehlung. Im Internet abrufbar unter: https://www.rki.de/DE/Content/Infekt/EpidBull/Archiv/2020/Ausgaben/47_20.pdf?__blob=publicationFile (19.05.22).

[2] Vgl. RKI (2020): Epidemiologisches Bulletin 47/2020. Impfquoten bei Erwachsenen in Deutschland, STIKO: Bestätigung der Pneumokokken-Impfempfehlung. Verfügbar unter: https://www.rki.de/DE/Content/Infekt/EpidBull/Archiv/2020/Ausgaben/47_20.pdf?__blob=publicationFile (19.05.221).

Vgl. WHO (o.J.): Influenza vaccination coverage and effectiveness. Im Internet abrufbar unter: https://www.euro.who.int/en/health-topics/communicable-diseases/influenza/vaccination/influenza-vaccination-coverage-and-effectiveness (Zugriff am 21.05.2022).

[3] Vgl. Bundesrat (2022): Gesetzesbeschluss des Deutschen Bundestages. Gesetz zur Zahlung eines Bonus für Pflegekräfte in Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen (Pflegebonusgesetz). Drucksache 224/22. Im Internet abrufbar unter: https://www.bundesrat.de/SharedDocs/drucksachen/2022/0201-0300/224-22.pdf?__blob=publicationFile&v=1 (Zugriff am 21.05.2022).

[4] Berechnungen von May und Bauer basierend auf RKI (2020): Epidemiologisches Bulletin 47/2020. Impfquoten bei Erwachsenen in Deutschland, STIKO: Bestätigung der Pneumokokken-Impfempfehlung. Verfügbar unter: https://www.rki.de/DE/Content/Infekt/EpidBull/Archiv/2020/Ausgaben/47_20.pdf?__blob=publicationFile (19.04.21).

Vgl. Bauer, C., May, U. (2021): Kleiner Piks, großes Potenzial. In: Deutsche Apotheker Zeitung. Nr. 30. S. 36

 

Cosima Bauer, Anissa Schneider-Ziebe und Prof. Uwe May, 
May und Bauer – Konzepte im Gesundheitsmarkt GbR, Rheinbreitbach

 

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