Studie zur globalen Wirkstoffproduktion

Wie kann die Abwanderung nach Asien gestoppt werden?

Berlin - 08.10.2020, 14:30 Uhr

Pro Generika-Geschäftsführer Bork Bretthauer hält Europa als Produktionsstandort für pharmazeutische Wirkstoffe noch nicht für verloren. (c / Foto: Svea Pietschmann)

Pro Generika-Geschäftsführer Bork Bretthauer hält Europa als Produktionsstandort für pharmazeutische Wirkstoffe noch nicht für verloren. (c / Foto: Svea Pietschmann)


Massenware aus Asien, kleine Mengen komplexer API aus Europa

Blickt man auf einzelne Wirkstoffe – 21 nimmt die Studie hier exemplarisch unter die Lupe –, zeigt sich: In Europa werden vor allem Wirkstoffe mit vergleichsweise niedrigem Produktionsvolumen hergestellt sowie solche, deren Produktion komplex ist. Zu 100 Prozent aus Europa kommen einer Schätzung zufolge etwa Benserazid und Propofol. Methotrexat und Levothyroxin kommen noch auf 95 Prozent aus der EU. In Asien konzentriert man sich dagegen auf großvolumige Wirkstoffe.

Meisers Fazit: „Hauptsächlich ungleiche regulatorische Rahmenbedingungen und ein massiver Kostendruck haben dazu geführt, dass die europäische Versorgung heute in hohem Maße von nur wenigen Wirkstoffherstellern in sehr kleinen Teilen der Welt abhängt. Das birgt Risiken für die Versorgung.“ Aber er stellt ebenso fest, dass es in Europa nach wie vor das Know-how und die Kapazitäten für die Wirkstoffproduktion gibt.

Pro Generika: Der Ball liegt bei der Politik

Für Pro Generika-Geschäftsführer Bork Bretthauer ist klar: Diese in Europa noch vorhandenen Standorte gilt es zu schützen und zu stärken. Eine aktive Rückholung der bereits abgewanderten Produktion hält er für wenig realistisch. Aber eine weitere Abwanderung müsse und könne gestoppt werden. Denkbar seien zum Beispiel Investitionszuschüsse – so kürzlich geschehen im österreichischen Kundl, wo nun die letzte westliche Antibiotikaproduktion erhalten bleibt. Aber auch stabilere Lieferketten müssten belohnt werden – etwa wenn eine Krankenkasse bei einer Ausschreibung darauf besteht, dass ein Arzneimittelanbieter einen zweiten Wirkstoffhersteller bieten kann.

Für Bretthauer liegt der Ball nun im Spielfeld der Politik. Sie müsse neue Spielregeln aufstellen: Weg vom Preis als alleiniges Kriterium bei Ausschreibungen. Dabei setzt der Pro Generika-Geschäftsführer auch mehr auf die deutsche, denn auf die europäische Politik. Zwar hat auch die EU klar das Ziel, wieder unabhängiger von Arzneimittel- und Wirkstoffproduzenten in Asien zu werden. Doch die Gesetzgebungsverfahren auf EU-Ebene dauern erfahrungsgemäß sehr lang. In Deutschland, so Bretthauer, könnten viel schneller Regeln geschaffen werden, die eine neue Balance zwischen Wirtschaftlichkeit und Bezahlbarkeit herstellen.

Handeln können allerdings auch schon die Kassen selbst. So erklärte kürzlich die AOK Baden-Württemberg, bei den bundesweiten Rabattverträgen würden nun zusätzliche Standards abseits des Preises eingeführt. Allerdings will sie dabei im Regelfall bei ihrem Einpartner-Modell bleiben, das die Generikaindustrie schon lange durch die regelhafte Mehrfachvergabe abgelöst sehen will.

Letztlich ist der Fokus auf die Wirkstoffe für Pro Generika erst ein Anfang. Bretthauer: „Es darf uns bei der Diskussion über mehr Liefersicherheit nicht nur um Wirkstoffe gehen. Diese allein machen noch kein Arzneimittel aus. Eine robustere Produktion von generischen Medikamenten – auch in Europa –  muss alle Fertigungsschritte umfassen und sollte unser großes politisches Ziel sein.“



Kirsten Sucker-Sket (ks), Redakteurin Hauptstadtbüro
ksucker@daz.online


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