Arzneimittel-Lieferengpässe

Schmidt: Lieber höhere Arzneimittelpreise als komplette Produktion in Asien

Berlin - 10.01.2020, 10:20 Uhr

Selbst wenn die Arzneimittelpreise dadurch ansteigen würden, müsste die Arzneimittelproduktion wieder verstärkt nach Europa zurückgeholt werden, meint ABDA-Präsident Friedemann Schmidt. (s / Foto: imago images / HAIST)

Selbst wenn die Arzneimittelpreise dadurch ansteigen würden, müsste die Arzneimittelproduktion wieder verstärkt nach Europa zurückgeholt werden, meint ABDA-Präsident Friedemann Schmidt. (s / Foto: imago images / HAIST)


In der Debatte um Lieferengpässe bei Medikamenten hat sich die ABDA erneut für eine verstärkte Arzneimittelproduktion in Europa ausgesprochen. „Auf längere Sicht sollten Arzneimittel wieder innerhalb der EU produziert werden“, sagte ABDA-Präsident Friedemann Schmidt der „Passauer Neuen Presse“ Die komplette Auslagerung der Pharmaproduktion nach Asien solle rückgängig gemacht werden. „Zwar würden sich dadurch die Preise erhöhen, doch es sei für die Versorgungssicherheit notwendig“, so Schmidt.

Die Debatte rund um die Arzneimittel-Lieferengpässe nimmt an Fahrt auf. Inzwischen liegen mehrere Positionspapiere zu dem Thema vor. Denn das Bundesgesundheitsministerium und die Regierungsfraktionen planen derzeit Neuregelungen, um künftige Lieferengpässe zu vermeiden und mit bestehenden besser umzugehen. In einem Interview mit der „Passauer Neuen Presse“ hat ABDA-Präsident Friedemann Schmidt die Forderungen der ABDA in dieser Sache nun erneut erklärt.

Schmidt: So eine Situation gab es seit 30 Jahren nicht

Schmidt erklärt, dass sowohl Apotheker als auch Patienten eine solche Situation in den vergangenen 30 Jahren noch nicht erlebt hätten. 2019 hätten 90 Prozent der Apotheker angegeben, dass die Engpässe das größte Problem im Apothekenalltag seien. 2016 seien das nur 30 Prozent der Apotheker dieser Meinung gewesen. Schmidt wiederholte auch die ABDA-Statistik, nach der im ersten Halbjahr 2019 mehr als 7 Millionen Packungen im Rabatt-Markt fehlten. Die Ursachen sieht der ABDA-Präsident in der hochgradig im asiatischen Raum konzentrierten Produktion. Außerdem sei Deutschland „in weiten Bereichen der Medikamenten-Versorgung“ ein Niedrigpreisland geworden.

Man habe die Bundesregierung daher aufgefordert, dem Thema auf europäischer Ebene im Rahmen der EU-Ratspräsidentschaft verstärkt nachzugehen. Dass sich die Preise bei einer Rück-Verlagerung nach Europa erhöhen würden, davon geht Schmidt aus. „Das wäre aber für die Versorgungssicherheit notwendig“, resümiert der ABDA-Präsident. Erneut forderte Schmidt auch, dass die Apotheker für ihren Mehraufwand zusätzlich vergütet werden.

Mit dieser Forderung ecken die Apotheker derzeit nicht einmal an – sogar nicht bei den Krankenkassen. Der GKV-Spitzenverband hatte eine solche Apotheker-Vergütung ins Spiel gebracht – allerdings müssten die Extra-Gelder durch die nicht lieferfähigen Hersteller finanziert werden. Auch der Ex-Chef der AOK Baden Württemberg Dr. Christopher Hermann hatte erklärt, dass er sich eine solche Zusatz-Honorierung durchaus vorstellen könne. Und sogar die Grünen fordern dies in ihrem Autorinnen-Papier. Allerdings: Die Oppositionsfraktion im Bundestag will auch die Krankenkassen für ihren Mehraufwand infolge von Sanktionierungen entschädigen.

Rabattverträge stehen im Fokus vieler Debatten

Viele Diskussionen drehen sich derzeit auch noch um das Rabattvertragssystem. Sowohl die Union als auch die SPD und die Linke hatten in ihren Positionspapieren gefordert, exklusive Ausschreibungen künftig zu verbieten. Das BMG will das aber nicht und sieht die Ursachen nicht im Rabattvertragssystem – auch die Grünen wollen jegliche Änderungen an den Rabattverträgen vermeiden.

In seinem Interview mit der „Passauer Neuen Presse“ erwähnt auch Schmidt nicht, dass es zu Änderungen im Ausschreibungsmodus kommen sollte. Allerdings: Die ABDA hatte im November 2019 einen 8-Punkte-Plan vorgelegt, in dem unter anderem das Ende der Exklusiv-Verträge gefordert wird. Hier sehen Sie nochmals alle Forderungen der ABDA.


Benjamin Rohrer, Chefredakteur DAZ.online
brohrer@daz.online


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2 Kommentare

Ursache und Wirkung

von Reinhard Rodiger am 10.01.2020 um 21:25 Uhr

"Die Oppositionsfraktion im Bundestag will auch die Krankenkassen für ihren Mehraufwand infolge von Sanktionierungen entschädigen."

Also der soll entschädigt werden, der für den Mangel verantwortlich ist ? Wenn eine KK einen Auftrag erteilt, also als Einkäufer fungiert, hat sie die Verantwortung.Das ist in normalen Betrieben so.Nur für Gesellschaften des öffentlichen Rechts, die sich wie kapitalistische Unternehmen gebärden gilt das nicht.Wenn sogar die Opposition Ursache und Wirkung verwechselt, dann liegt wirklich was im Argen.

Wenn auf die Konzentration der Herstellung im asiatischen Raum hingewiesen wird, so ist es wohlfeil, zu fordern, das rückgängig zu machen.Angemessen wäre, den Verursacher an seine Verantwortung zu erinnern.Oder besser diejenigen,die das ermöglicht haben: die Politik. Der Marktmachtmissbrauch der Krankenkassen ist die Wurzel des Übels.Wer soll bei der profunden Entwertung jeder Produktion ein Interesse an verlässlicher Produktion haben? Das Prinzip mündet wie bei den Finanzderivaten lediglich bei der Verschiebung von Verantwortung.Da helfen keine Bürokratiemonster oder Beschwörungen, doch mit stetigem Preis-Verfall besser zu produzieren.Der Preisdrücker steht in der Verantwortung.
Ihn daraus zu entlassen ist gesundheitsschädlich ,um es milde auszudrücken.

Wer Ursache und Wirkung verwechselt, wird sein Ziel nie erreichen.Es sei denn er will das garnicht.Fachwissen stört eben.

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Erkenntnis

von Roland Mückschel am 10.01.2020 um 10:21 Uhr

Wo er Recht hat, hat er Recht.
Allerdings ist diese Erkenntnis weder neu noch
sensationell.

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