Was kann die neue Anwendung?

Neue Corona-Warn-App für Apotheken

Marseille - 01.09.2020, 09:15 Uhr

Mithilfe der Corona-Warn-App von Doctor Box und Noventi sollen Apothekenkunden und -mitarbeiter frühzeitig über einen möglichen Kontakt mit Corona-Infizierten informiert werden. (s/ Bild: Noventi)

Mithilfe der Corona-Warn-App von Doctor Box und Noventi sollen Apothekenkunden und -mitarbeiter frühzeitig über einen möglichen Kontakt mit Corona-Infizierten informiert werden. (s/ Bild: Noventi)


Das Startup Doctor Box will ein eigenes Corona-Warnsystem aufbauen: 5.000 Apotheken erhalten in dieser Woche per Post ein kostenloses Starterpaket. Darin ist neben Info-Broschüren auch gleich schon die Technik enthalten. Auch der Apothekendienstleister Noventi und der Wort & Bild Verlag beteiligen sich an dem Projekt.

Mit der Aktion will Doctor Box die Apotheken zum Mitmachen bewegen. „So machen Sie Ihre Apotheke zum sicheren Ort“, wirbt das Startup in einem Anschreiben,„Ihre Teilnahme wird Leben retten.“ Und weiter: „Etablieren Sie sich als Vorreiter in der Gesundheitsbranche bei Ihren Kunden und erhöhen Sie Ihr positives Image.“ Aber was kann das neue Warnsystem wirklich?

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Doctor Box wurde als Erfinder der Doctor Box App bekannt, die wie eine digitale Patientenakte funktioniert. Nutzer können mit der Anwendung die eigenen Untersuchungsbefunde, Röntgenbilder und weiteres Material von Ärzten anfordern und selbst verwalten. Nun hat Doctor Box mit Unterstützung von Noventi und dem Wort & Bild Verlag (Apotheken Umschau) ein App-basiertes Corona-Warnsystem entwickelt. Das System „funktioniere für sich alleine“, sei „gleichzeitig aber die optimale Ergänzung zur personenbezogenen Corona-Warn-App der Bundesregierung“.

So funktioniert die Doctor Box App

Während die Warn-App des Bundes Begegnungen zwischen Nutzern über einen Datenaustausch von deren Handys erfasst, funktioniert die Anwendung von Doctor Box etwas anders. So sollen in Geschäften und an öffentlichen Orten Sender platziert werden, deren Signale von einer Kontakttagebuch-App erkannt und aufgezeichnet werden. Damit lässt sich später nachvollziehen, ob sich Nutzer zeitgleich am selben Ort wie ein Infizierter aufgehalten haben. Getestet hatte Doctor Box die Technologie im Frühjahr im mecklenburg-vorpommerschen Badeort Ahrenshoop, wo das Startup 40 Sender in Hotels, Supermärkten und an öffentlichen Plätzen aufgehängt hatte. Die Technik scheint demnach zu funktionieren, Infizierte wurden aber nicht gemeldet.

Apotheken, die an dem neuen Warnsystem teilnehmen wollen, müssen bei sich einen Bluetooth-Sender anbringen, der dem Starterpaket beigelegt ist. Dieser lässt sich per Knopfdruck aktivieren und sendet von da an ein Signal mit seinen Standortdaten aus, weshalb Doctor Box die Sender auch Beacon (Leuchtturm) nennt. Kunden, die auf ihrem Handy ein Kontakttagebuch von Doctor Box installiert haben, empfangen das Signal und haben von da an gespeichert, wann sie sich wie lange in der Apotheke aufgehalten haben – oder an einem anderen Ort mit Sender.

Was passiert, wenn eine Infektion festgestellt wird?

Falls anschließend bei einem Mitarbeiter der Apotheke eine Infektion festgestellt wird oder die Apotheke erfährt, dass ein Kunde infiziert war, kann sie das über das System melden. Die Apotheke kann sich zudem vorübergehend als „möglicherweise infektiösen“ Ort markieren.

Sicherheitswarnung an alle Kunden

In jedem Fall wird eine Sicherheitswarnung an alle Kunden verschickt, die die App nutzen und sich zum gleichen Zeitpunkt in der Apotheke aufgehalten haben wie der Infizierte. Diesen bleibt es dann überlassen, ob sie sich isolieren oder testen lassen wollen oder ob sie ihre eigenen Kontakte informieren. Doctor Box empfiehlt, gegebenenfalls einen Arzt aufzusuchen und das Vorgehen mit diesem zu besprechen. In jedem Fall sollen Nutzer über die Daten auf ihrem Handy die Kontrolle behalten. Sie entscheiden selbst, wann und mit wem sie ihr Kontakttagebuch teilen möchten. Die Bluetooth Sender können keine Daten von den Handys der Nutzer empfangen, sie können nur selbst Signale senden.

Gefühlt vermittelt das mehr Sicherheit als der Datenaustausch zwischen Handys, auf dem die Bundes-Warn-App basiert. Was den Infektionsschutz angeht, ist diese allerdings besser durchdacht. Sie bemisst das Infektionsrisiko daran, wie lange sich zwei Personen mit geringer Distanz zueinander aufgehalten haben. Das Doctor-Box System misst hingegen nur den Aufenthalt im gleichen Geschäft, wobei Einkäufe oft schnell erledigt sind und sich die Menschen dabei meist nicht nahe kommen, schon gar nicht in der Apotheke. Ein Vorteil der neuen Anwendung könnte es zwar sein, Personen zu warnen, die sich untereinander nicht kennen, aber alle an einem „Hotspot“ aufgehalten haben: einem Ort an dem es zu mehreren Ansteckungen kam. Andererseits lassen sich bei den geltenden Regelungen und Versammlungsbeschränkungen kaum noch solche Hotspots ausmachen.

Wettbewerb erwünscht?

Die Voraussetzung für einen Bevölkerungsschutz wäre bei beiden Apps, dass eine große Zahl an Menschen sie aktiv nutzt. Die Bundes-App konnte dabei noch nicht überzeugen. Und wenn es nun zwei oder mehr konkurrierende Produkte gibt, dürfte das den Nutzerzahlen beider Apps abträglich sein.

Ohnehin richten sich beide System stark an der Ansteckungsgefahr im öffentlichen Raum aus. Und die wird schnell überschätzt: So hat das RKI vor kurzem Daten dazu veröffentlicht, wie sich die meisten Menschen infizieren. Am häufigsten steckten sich Corona-Infizierte demnach zu Hause bei ihren Familienangehörigen an, sowie in Alten- und Pflegeheimen.

Teilnahme aus Marketing-Gründen

Für Apotheken dürfte sich eine Teilnahme am neuen Warnsystem also eher aus Marketinggründen lohnen, zumal diese offenbar zunächst nichts kostet. Und Werbesticker mit dem Slogan „ihre sichere Apotheke vor Ort“ liefert Doctor Box gleich mit. Ihre Kunden – geschweige denn ihre Mitarbeiter – sind aber natürlich nicht dadurch sicher, dass sie nach einer Infektionsgefahr gewarnt werden.

Nützen könnte das höchstens deren Umfeld, wenn eine Infektion durch die App früher erkannt wird. Andererseits ist das Zeitfenster, in dem ein Infizierter schon ansteckend ist und noch keine Symptome hat, meist nicht groß. Auch die Anzahl gänzlich symptomlos Infizierter, die trotzdem andere anstecken können, scheint kleiner als zunächst befürchtet. Ein besseres Mittel um sein privates Umfeld zu schützen, ist daher wohl immer noch Achtsamkeit. Dazu gehört, bei den ersten, auch milden Anzeichen einer Erkältung auf Abstand – erst Recht zu Risikogruppen – zu gehen, und nicht erst die Warnung durch eine App abzuwarten.



Irene Habich, Autorin DAZ.online
redaktion@daz.online


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2 Kommentare

Warn-App für Apotheken

von Rainer am 01.09.2020 um 20:23 Uhr

Sollte sich meine Stammapotheke an diesem Spektakel beteiligen, suche ich eine andere Apotheke die sich an diesem Irrsinn nicht beteiligt.
Es gibt ja auch Internet-Apotheken.

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Doppelt gemoppelt?

von Rainer W. am 01.09.2020 um 11:14 Uhr

"Gefühlt vermittelt das mehr Sicherheit als der Datenaustausch zwischen Handys, auf dem die Bundes-Warn-App basiert."

Aber eben nur gefühlt. Während bei der Corona-Warn-App sämtliche Szenarien bedacht wurden um eben kein Bewegungsprofil, keine Standortdaten, keine De-Anonymisierung möglich zu machen verwendet man genau diese privaten Informationen hier.

Und dann funktionierts auch nur wenn die Kunden diese App auch verwenden. Und vielleicht noch die Kaufhaus-Corona-App und die ÖPNV-Corona-App und die ...

Wäre es nicht sinnvoller, einen Corona-Beacon - sprich ein Smartphone mit laufender Corona-App (oder mehrere) im HV-Bereich der Apotheke zu positionieren und damit auf das bestehende System zurückzugreifen?

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

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