Erste britische Tinnitus-Leitlinie

Gegen das Pfeifen und Rauschen

Stuttgart - 16.07.2020, 17:45 Uhr

Das NICE des Vereinigten Königreichs hat seine Tinnitusempfehlungen in einer Leitlinie gebündelt. (Foto: imago images / Jacques Alexandre)

Das NICE des Vereinigten Königreichs hat seine Tinnitusempfehlungen in einer Leitlinie gebündelt. (Foto: imago images / Jacques Alexandre)


Betahistin wirkungslos

In Bezug auf eine medikamentöse Therapie geht die britische Leitlinie lediglich auf Betahistin ein, das im Vereinigten Königreich von Ärzten des Öfteren off label zur Behandlung von Tinnitus verordnet wird. Basierend auf Daten von randomisierten Studien sprechen sich die Verfasser der NICE-Leitlinie jedoch klar dagegen aus. Der Wirkstoff führt nicht zu einer Verbesserung der Symptome des Tinnitus, ist aber mit möglichen Nebenwirkungen, hauptsächlich gastrointestinaler Natur, verbunden.

Im Vergleich dazu beleuchtet die deutsche Leitlinie eine Vielzahl von Arzneimitteln, die meist off label oder im Rahmen von Studien zur Behandlung von Tinnitus und assoziierten Komorbiditäten eingesetzt werden bzw. wurden. Konkrete Empfehlungen in Deutschland gibt es nicht, lediglich das Fazit: „Eine spezifische Arzneimitteltherapie mit nachgewiesener Wirksamkeit zur Behandlung des chronischen Tinnitus steht nicht zur Verfügung. Hingegen können therapierbare Komorbiditäten (z. B. eine Depression) spezifisch mit Arzneimitteln behandelt werden“. Es bleibt abzuwarten, ob und wie in der deutschen überarbeiteten Fassung die Empfehlungen konkretisiert werden.

Spezielle Empfehlungen für die Forschung

Die britische Leitlinie gibt darüber hinaus gesonderte Empfehlungen zu Forschungszwecken. Diese umfassen folgende Themen:

1. Kognitive Verhaltenstherapie für Erwachsene muss nicht von Psychologen durchgeführt werden, sondern kann auch durch andere im Gesundheitswesens Geschulte durchgeführt werden.

2. Kombination von Tinnitus Counseling und Soundtherapie.

3. Methoden zur Tinnitusbewertung in der Allgemeinarztpraxis.

4. Neuromodulation.

5. Psychologische Therapie für Kinder und Jugendliche.

Fazit

Mit der britischen NICE-Leitlinie steht ein weiterer Leitfaden für die Behandlung des subjektiven Tinnitus zur Verfügung, der im Großen und Ganzen im Einklang steht mit der aktuellen europäischen Tinnitus-Leitlinie und der deutschen S3-Leitlinie „Chronischer Tinnitus“. Eine medikamentöse Therapie des Tinnitus wird in Großbritannien derzeit nicht empfohlen. 

Wie sich dieser Leitfaden in bestehende europäische und die zurzeit in Überarbeitung befindlichen Deutschen Leitlinien einordnet, erläutert Prof. Dr. Gerhard Hesse, Chefarzt und Geschäftsführer der Tinnitus-Klinik Dr. Hesse, Bad Arolsen, in seinem Kommentar „Linderung ist möglich, Heilung nicht“ in der DAZ 29/2020.



Dr. Daniela Leopoldt, Apothekerin
redaktion@daz.online


Diesen Artikel teilen:


Das könnte Sie auch interessieren

Erste britische Tinnitus-Leitlinie veröffentlicht

Damit es nicht pfeift und rauscht

Erste europäische Tinnitus-Leitlinie veröffentlicht

Wieder selbst den Ton angeben

Ein Gastkommentar zur Leitlinien-Lage bei chronischem Tinnitus

Linderung ist möglich, Heilung nicht

Ursachen der Ohrgeräusche und erfolgversprechende Behandlungsmöglichkeiten

Das Leiden am Tinnitus

Binko® reduziert Ohrgeräusche

Gegen das Orchester im Kopf

Tinnitus – Therapieoption Tebonin®

„Ich höre was, was du nicht hörst!“

Nachfragen zu einer adjuvanten Tinnitus-Therapie mit Ginkgo

„Tinnitus vaskulärer oder involutiver Genese gibt es nicht!“

0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.