Gefährliche Diätpillen

Briten warnen vor DNP zum Abnehmen

Remagen - 25.06.2019, 10:15 Uhr

Die
britische Royal Pharmaceutical Society (RPS) warnt im Pharmaceutical Journal
eindringlich vor den möglicherweise tödlichen Gefahren durch Schlankheitspillen
mit der Substanz 2,4-Dinitrophenol (DNP). (c / Foto: reshoot / stock.adobe.com)

Die britische Royal Pharmaceutical Society (RPS) warnt im Pharmaceutical Journal eindringlich vor den möglicherweise tödlichen Gefahren durch Schlankheitspillen mit der Substanz 2,4-Dinitrophenol (DNP). (c / Foto: reshoot / stock.adobe.com)


In Großbritannien sind in den letzten Jahren vermehrt Vergiftungen mit der Diätpille 2,4-Dinitrophenol (DNP) gemeldet worden, vielfach mit tödlichem Ausgang. Die britische Royal Pharmaceutical Society ruft deshalb die Gesundheitsberufe, einschließlich der Apotheker, zu erhöhter Aufmerksamkeit gegenüber solchen Fällen auf.

Die britische Royal Pharmaceutical Society (RPS) warnt im Pharmaceutical Journal eindringlich vor den möglicherweise tödlichen Gefahren durch Schlankheitspillen mit der Substanz 2,4-Dinitrophenol (DNP). DNP war in UK ins öffentliche Bewusstsein gerückt, nachdem eine junge Frau, die unbedingt schnell abnehmen wollte, damit 2015 zu Tode gekommen war. Sie hatte die Pillen online gekauft. In dem nachfolgenden Prozess hatte sich drei Jahre später herausgestellt, dass der angeklagte Betreiber der Webseite aus Ost-London die Chemikalie in 24 kg-Fässern aus China importierte und in Kapseln umpackte, was ihm einen Gewinn von 200.000 Britischen Pfund pro Fass eingebracht haben soll. Er will allerdings nie beabsichtigt haben, diese für den menschlichen Verzehr zu verkaufen, und eine Warnung auf seiner Website habe dies auch angezeigt:

Sprengstoff und Schlankheitsmittel

Die aromatische Kohlenstoffverbindung DNP wurde 1920 erstmals zu Herstellung von Dynamit und anderen Sprengmitteln eingesetzt. Nachdem erkannt wurde, dass Fabrikarbeiter, die mit der Chemikalie in Berührung kamen, ohne Ernährungseinschränkung wenig Körperfett ansetzten, wurde Dinitrophenol ab 1930 legal als Mittel gegen Fettleibigkeit eingesetzt. Wegen seiner Toxizität führte dies jedoch zu zahlreichen Todesfällen. Schließlich wurde der Verkauf als Diätpille in den USA in den späten 1930er Jahren, in UK aber erst 2003, verboten. Aktuell wird Dinitrophenol industriell in Holzschutzmitteln, Pestiziden und Sprengstoff verwendet. 

Unterschied zwischen der zur Gewichtsreduktion erforderlichen Dosis und der tödlichen ist gering

Die Wirkung von DNP beruht auf der Entkoppelung der oxidativen Phosphorylierung der Atmungskette in den Mitochondrien der Zelle. Um trotzdem ausreichend ATP zu produzieren, fährt die Zelle den Kohlenhydrat- und Fettstoffwechsel hoch. Bei höherer Dosierung führen der Mangel an ATP und der erhöhte Stoffwechsel zu einem Multiorganversagen und plötzlichem Herztod. Die letale Einzeldosis liegt bei 1 bis 3 g, aber auch geringere Dosen über mehrere Tage können tödlich wirken. Der Unterschied zwischen der zur Gewichtsreduktion erforderlichen DNP-Dosis und der tödlichen sei relativ gering, erklärt Simon Thomas, klinischer Leiter des National Poisons Information Service (NPIS).

Immer mehr Frauen nehmen DNP

Wie im Pharmaceutical Journal weiter ausgeführt wird, wurde DNP in den 1990er Jahren in der Bodybuilding-Community immer beliebter. Aber auch Frauen griffen in letzter Zeit vermehrt zu der „Droge“ als Diäthilfe. „DNP wird oft mit sensationellen Behauptungen vermarktet“, sagt Chloe Adams, Policy Officer bei der British Dietetic Association. „Diese schaffen Hoffnung für diejenigen, die emotional verwundbar sind und nach einer schnellen und einfachen Lösung suchen“. Die zunehmende Nutzung durch Frauen ist für die Experten besonders alarmierend, weil der potenzielle Markt für DNP als Hilfsmittel zur Gewichtsreduktion bei der weiblichen Klientel viel größer ist als der für männliche Bodybuilder.

Seit 2012: 115 Vergiftungen

„Bis 2011 war DNP ein sehr seltenes Gift“, berichtet Thomas vom NPIS. „In den fünf Jahren von 2007 bis 2011 haben wir nur drei Fälle von DNP-Vergiftungen gesehen, seit 2012 sind es insgesamt 115. Nach neuesten Statistiken wurden in den zehn Monaten zwischen Januar und September 2018 insgesamt 17 Fälle an den NPIS verwiesen, davon rund ein Drittel mit tödlichem Ausgang. 

DNP soll über Websites im Internet allgemein erhältlich sein, und zwar auch über solche, die ganz legal aussehen. Philip Strange, emeritierter Professor für Pharmakologie an der University of Reading, hat es ausprobiert: „Zwei Minuten bei Google führen zu einer Bodybuilding-Website, auf der 100 Kapseln DNP für etwa 130 britische Pfund verkauft werden. Sie empfehlen einen DNP-Zyklus, der Appetitzügler und eine kohlenhydratarme Diät als Katalysator für den Gewichtsverlust enthält.“ 

 Apotheker fordern komplettes Verbot

Die Royal Pharmaceutical Society fordert neben mehr Aufklärung unter anderem strengere Kontrollen für den Verkauf der Substanz. Im März 2019 schrieb der Präsident der RPS Ash Soni zusammen mit dem Chefwissenschaftler der Gesellschaft Gino Martini, einen Brief an Innenminister Sajid Javid, in dem die Regierung aufgefordert wurde, DNP sofort zu verbieten. Angesichts der Tatsache, dass in chinesischen und indischen Labors alle Arten von Chemikalien hergestellt werden, sei es jedoch sehr schwierig, die Verfügbarkeit vollständig zu unterbinden, geben die Wissenschaftler im Pharmaceutical Journal zu bedenken. 

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Symptome einer akuten Vergiftung

Deswegen sollten alle Angehörigen der Gesundheitsberufe, einschließlich Apotheker, wissen, was DNP ist und welches Risiko damit verbunden ist. In erster Linie müssten Apotheker in der Lage sein, die Symptome einer DNP-Vergiftung zu erkennen, wenn ein Patient angibt, die Substanz eingenommen zu haben. Zu den Symptomen einer akuten Intoxikation zählen Fieber, Dehydrierung, Übelkeit, Erbrechen, Unruhe, gerötete Haut und ein schneller Herzschlag. Diese können schnell zu Koma und Tod führen. Selbst nach längerem und scheinbar ereignislosem Gebrauch könne sich diese Toxizität entwickeln, betont der National Poisons Information Service, und jeder mit Symptomen müsse zur Behandlung direkt ins Krankenhaus überwiesen werden. Bei Langzeitanwendern könnten Symptome wie grauer Star und Hautveränderungen auftreten. Die Apotheker werden aufgefordert, den Verkauf von DNP über Marktplatz-Websites im Auge zu behalten und gegebenenfalls über www.food.gov.uk/contact zu melden.



Dr. Helga Blasius (hb), Apothekerin
redaktion@daz.online


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1 Kommentar

DNP

von Roland Mückschel am 25.06.2019 um 10:26 Uhr

Ich finde es super dass man online auch
Mittel einkaufen kann die Apotheken
vor Ort ablehnen.
Schliesslich gehört mein Bauch mir.
Und möchte nicht so bleiben wie ich bin.

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