Arzneimittelmissbrauch

Illegale Arzneimittel in Online-Shops

Ahnungslose Kunden spielen mit ihrer Gesundheit
Von Wilfried Dubbels
In Hamburg gelang den Zollfahndern im März 2008 der bislang größte Schlag gegen den illegalen Handel mit Arzneimitteln in Deutschland. Sie beschlagnahmten 1,3 Tonnen Anabolika und Potenzmittel, die als Nahrungsergänzungsmittel "maskiert" waren und einen Schwarzmarktwert von 800.000 Euro hatten. Kurz zuvor war in Münster ein Bodybuilder an einer Überdosis 2,4-Dinitrophenol gestorben; er hatte diesen Stoff, der in Deutschland nur illegal zu beschaffen ist, als "Fettverbrenner" eingenommen. Bereits im Sommer 2007 war eine 19-Jährige aus Niedersachsen gestorben, nachdem sie 2,4-Dinitrophenol als Schlankmacher angewendet hatte.

Durch die Einführung des Arzneimittelversandhandels in Deutschland wurden Schwarzmarkthändlern und Arzneimittelfälschern als Trittbrettfahrern Tür und Tor geöffnet. So werden über ausländische Internetapotheken und Online-Shops nicht verkehrsfähige und oft zudem gefälschte Arzneimittel bezogen und in Fitnessstudios an den Mann gebracht. Besonders riskant ist der Kauf von Wachstumshormonen. Ein großer Teil der illegalen Ware wird in Russland immer noch aus menschlichen Hirnen gewonnen. Die Gefahr, sich auf diesem Weg mit der Creutzfeldt-Jakob-Krankheit zu infizieren, ist groß. Die im Internet angebotenen "Fatburner" enthalten häufig nicht verkehrsfähige oder verschreibungspflichtige Substanzen wie Schilddrüsenhormone, Amphetamine, Kombinationen von Ephedrin mit Synephrin und Coffein oder 2,4-Dinitrophenol (s. u.).

Beispiel Metandienon

Das anabole Steroid Metandienon (Dianabol®) wurde 1982 vom Hersteller Ciba weltweit vom Markt genommen, nachdem bei missbräuchlicher Anwendung schwerwiegende Nebenwirkungen mit Todesfolge aufgetreten waren. Die Substanz wird jedoch weiterhin von Ziegler Labs mit Sitz in den Vereinigten Arabischen Emiraten produziert und unter dem Namen D-Blade angeboten. Eine eindrucksvolle und professionelle Produktpräsentation auf der Website www.d-blade.com (auch auf Deutsch) lässt vermuten, dass das Geschäft mit diesem illegalen Arzneistoff lukrativ ist. Die Verantwortlichen können nicht zur Rechenschaft gezogen werden, da Anschrift (Postfach), Website und Produktname ständig geändert werden!

Auch die Firma Sledge Hammer, gegen die bereits im Jahr 2004 eine Großrazzia durchgeführt worden waren, bietet ihren Kunden Metandienon an – früher mit der Bezeichnung Met-AD17-diol in Kapsel- und Granulatform, jetzt als Sublingualtablette D-Blade. Weitere anabole Steroide, Amphetamine, Ephedrin und Schilddrüsenhormone vervollständigen das Sortiment (www.sledge-hammer.com).

Fälscherwerkstatt China

Deutschlands Zollfahnder ziehen deutlich weniger gefälschte Uhren, Schmuck und Textilien aus dem Verkehr. Dagegen nimmt der Schmuggel von kopierten Medikamenten und Designerdrogen von Jahr zu Jahr zu. Drei von vier gefälschten Medikamenten stammen aus China. Bei den Dopingmitteln sind es laut der ZDF-Sendung "Mission Gold – China und Doping" gar über 99%!

Der Olympia-Gastgeber versucht, sein beschädigtes Image wieder aufzubessern. So hat er zahlreiche Dopingmittel-Hersteller und -Händler mit Produktionsstopps, Lizenzentzug und Strafen belegt und der Firma Gene Science (GenSci), deren Inhaber Dr. Lei Jin in den USA per Haftbefehl gesucht wird, die Lizenz zur Herstellung von Jintropin (Wachstumshormon) entzogen. Außerdem hat China 318 Websites geschlossen, auf denen Informationen zum Verkauf von Anabolika und Peptidhormonen publiziert wurden.

Die meisten der Hersteller, wie auch GenSci, produzieren inzwischen wieder. Lediglich der Versand ist (vorübergehend?) eingestellt worden.

Erfolge der Ermittler

Die 2004 beschlagnahmten illegalen Arzneimittel von Sledge Hammer waren aus den USA nach Großbritannien gebracht worden. Damals hatte die Firma ihren Sitz auf der Isle of Man in der Irischen See. Der Server, von dem aus die Homepage ins Netz ging, stand in Sarajewo, und von Großbritannien aus gingen die Pakete per Lkw nach Deutschland. Die Pakete wurden in Hessen bei der Post aufgegeben und an Kunden in Deutschland, Österreich, der Schweiz und Liechtenstein verschickt. Hiesige Firmen und Personen, die in den Fall verwickelt waren, wurden festgenommen. Die Drahtzieher konnten jedoch nicht gefasst werden und machen unbeeindruckt weiter.

Mehr Glück hatten die Hamburger Zollfahnder, als sie März 2008 den Geschäftsführer einer Schwarzhandelsfirma festnahmen und 1,3 Tonnen illegale Arzneimittel sicherstellten. Die Geschäftsunterlagen der "Firma" zeigen, dass sie in mindestens drei Jahren zehn Tonnen illegale Medikamente umgeschlagen hatte. Die Präparate stammten aus China, Iran, Libanon und Spanien und waren nach Art und Aufmachung für den deutschen Markt bestimmt.

Beispiel 2,4-DNP

Über das Internet hatte vermutlich auch ein 25 Jahre alter Freizeitbodybuilder in Münster ein 2,4-Dinitrophenol-Präparat bezogen. 2,4-DNP wird von mehreren Online-Shops angeboten wie

2,4-DNP ist eine hochgiftige Substanz und führt bei Kontamination durch Einatmen, Verschlucken und Kontakt zu Übelkeit, Schwindel, Kopfschmerz und Leberschäden sowie zu Reizungen der Augen und der Atemwege. 2,4-DNP ist nicht als Arzneimittel zugelassen, weder zur Gewichtsreduktion noch für eine andere Indikation. In Deutschland sind Herstellung und Vertrieb von 2,4-DNP als Diätmittel ebenfalls gesetzlich untersagt. DNP wird legal nur für technische Zwecke verwendet, so zur Produktion von Holzschutzmitteln, Fotochemikalien und Insektiziden.

In Bodybuilder-Kreisen gilt 2,4-Dinitrophenol als geheimer Tipp für die "Fettverbrennung". Dadurch, dass 2,4-DNP die oxidative Phosphorylierung von ADP in den Mitochondrien entkoppelt, werden die Zellen ausgehungert. Der Körper versucht den ATP-Mangel auszugleichen, indem er alle Reserven nutzt. Die "Kalorien" werden nicht in verwertbare Energie umgewandelt, sondern "verpuffen" zu Wärme. Die Wärmeentwicklung kann so stark ausgeprägt sein, dass sie zur Überhitzung des Körpers führt. In Internetforen wird dieser Vorgang als "Dieting by Cooking Yourself" bezeichnet. Es wurden bereits einige Fälle von Hyperthermiesyndromen mit tödlichem Ausgang beschrieben. Die letale Dosis von DNP liegt bei 1 bis 3 g. Bei täglicher Anwendung können jedoch weitaus geringere Tagesdosen aufgrund der Kumulation des Wirkstoffs tödlich sein.

Internet – Tummelplatz von Arzneimittelfälschern

Das Internet als anonymes Medium ist ein Tummelplatz von Arzneimittelfälschern und Dealern. Hinter den scheinbar harmlosen Nahrungsergänzungsmitteln, die unseriöse Hersteller und Vertreiber anbieten, verbergen sich häufig nicht verkehrsfähige Arzneistoffe, die wegen schwerwiegender Nebenwirkungen vom Markt genommen wurden. Allein 2,4-Dinitrophenol hat in Deutschland innerhalb eines Jahres zwei Todesopfer gefordert, dennoch wird es weiterhin von verschiedenen Internet-Shops angeboten. Nicht minder gefährlich sind Amphetamine und Schilddrüsenhormone in "Nahrungsergänzungsmitteln". Aber auch scheinbar harmlose Inhaltsstoffe, wie Ephedrin aus Ephedrakraut und Synephrin aus Bitterorangen-extrakt, können – insbesondere in Kombination mit Coffein – tödlich sein.

Es gibt noch keine Internet-kompetente Überwachungsbehörde. Die Behörden werden erst aktiv, wenn auffällige Produkte im Zoll beschlagnahmt werden. Und das kann für viele Konsumenten zu spät sein.

Einige Verbraucherzentralen raten grundsätzlich davon ab, Nahrungsergänzungsmittel und diätetische Lebensmittel via Internet zu beziehen, andere empfehlen, sich vorher anhand der Angaben des Anbieters zu informieren, ob die angebotenen Produkte bzw. ihre Inhaltsstoffe in Deutschland verkehrsfähig sind. Wenn der Anbieter keine eindeutigen Angaben macht, ist von einer Bestellung abzuraten.

Der Laie ist der Dumme

Es ist für den Laien oft nicht erkennbar, ob hinter einer Internetapotheke eine seriöse Apotheke steht oder nicht. Selbst wenn er sich auf einer seriösen Webseite befinden sollte, kann er über manipulierte Links auf gefälschte Internetseiten gelockt werden, die dem Original täuschend ähnlich sind. Bei den Online-Shops, die verschreibungspflichtige Arzneimittel anbieten, kann man mit hoher Wahrscheinlichkeit davon ausgehen, dass es sich um unseriöse Anbieter handelt. Das gilt insbesondere, wenn sie mit ihren Produkten bestimmte Zielgruppen wie Bodybuilder, Leistungssportler, Diätwillige und sonstige Konsumenten von Lifestyle-Medikamenten ansprechen. Eine Untersuchung der Stiftung Warentest hatte vor einem Jahr ergeben, dass 13 von 16 im Internet eingekauften Schlankheitsmitteln verschreibungspflichtige Arzneistoffe wie Sibutramin, Ephedrin, Synephrin enthielten, die eine hohe bis sehr hohe Gefahr für Leben und Gesundheit darstellen. Alle Produkte hatten die Zollkontrollen unbeanstandet überwunden.

Um die Spreu vom Weizen trennen zu können, müsste der grenzüberschreitende Versandhandel mit Arzneimitteln generell und ausnahmslos untersagt sein. Eine Beschränkung des Verbots auf verschreibungspflichtige Arzneimittel wäre nicht ausreichend, um die Flut an nicht verkehrsfähigen Arzneimitteln einzudämmen!

Experten warnen

Angesichts immer mehr gefälschter Arzneimittel in Deutschland warnen das Bundesgesundheitsministerium und das Bundeskriminalamt vor erheblichen Risiken für die Gesundheit. Arnold Schreiber, zuständiger Experte im Gesundheitsministerium, bestätigt eine zunehmende Gefahr durch den illegalen Internethandel von Arzneimitteln. Frank Lippert vom Bundeskriminalamt warnt: "Es geht um Leben und Gesundheit".

Testkäufe zeigten einen hohen Fälschungsanteil bei Lifestyle-Präparaten wie Schlankheitsmitteln und Mitteln zur Potenzsteigerung. Organisierte Kriminelle erzielen immer mehr Gewinne durch gefälschte Arzneimittel. Die Gewinnspanne ist in Einzelfällen höher als im Drogenhandel.

Literatur beim Verfasser 

 


Anschrift des Verfassers 

Wilfried Dubbels,
Bremer Str. 24,
27404 Heeslingen

 

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