Widerruf der Betriebserlaubnis

Lügen helfen Apothekerin nicht weiter

Berlin - 06.09.2018, 14:30 Uhr

Einer Apothekerin aus Schleswig-Holstein wurde die Betriebserlaubnis für zwei Apotheken entzogen, weil sie mehrfach gegen Apothekenvorschriften verstoßen und zudem die Aufsicht angelogen hat. (j/Foto: Imago)

Einer Apothekerin aus Schleswig-Holstein wurde die Betriebserlaubnis für zwei Apotheken entzogen, weil sie mehrfach gegen Apothekenvorschriften verstoßen und zudem die Aufsicht angelogen hat. (j/Foto: Imago)


Ein Apothekenleiter, der Mitarbeiter der Aufsichtsbehörde anlügt und dazu noch in vielfacher Weise und wiederholt gegen Apothekenvorschriften verstößt, muss mit Konsequenzen rechnen. Das bekam jetzt eine Apothekerin in Schleswig-Holstein zu spüren. Sie hatte unter anderem ihre PTA allein in der Apotheke arbeiten lassen und sie sodann angestiftet, für sie zu lügen. Nun wurde der Pharmazeutin die Betriebserlaubnis widerrufen. Doch sie wehrt sich – bislang ohne Erfolg. 

Einem Apotheker ist die Erlaubnis zum Betrieb seiner Apotheke zu widerrufen, wenn er nicht mehr die hierzu erforderliche Zuverlässigkeit besitzt (§ 4 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 2 Abs. 1 Nr. 4 ApoG). Dies ist insbesondere der Fall, wenn strafrechtliche oder schwere sittliche Verfehlungen vorliegen, die ihn für die Leitung einer Apotheke ungeeignet erscheinen lassen. Ebenso, wenn er gröblich oder beharrlich apothekenrechtlichen Vorschriften zuwiderhandelt und sich somit als unzuverlässig erweist.

Einen solchen Widerruf musste nun eine Apothekerin, die in Schleswig-Holstein zwei Apotheken betreibt, erfahren. Was war geschehen? 

Innerhalb eines relativ kurzen Zeitraums zwischen August 2017 und dem Frühjahr 2018 war die Apothekerin der Aufsicht gleich mehrfach aufgefallen. Angefangen hatte es mit einem anonymen Hinweis, der die Behörde veranlasste, die Personalsituation in der einen Apotheke zu überprüfen. Es zeigte sich, dass keine approbierte Leitung anwesend war. Die Apothekerin erklärte dazu, sie sei alleinerziehende Mutter und habe mit einem ihrer Kinder, das geblutet habe, ins Krankenhaus fahren müssen.

Ein verhängnisvolles Kellerfenster

Es folgten erneut anonyme Hinweise und im September 2017 eine weitere Überprüfung, bei der abermals nur eine PTA in der Apotheke angetroffen wurde. Diese erklärte, dass die Apothekerin in einem Hinterzimmer sehr tief schlafen würde. Etwa 40 Minuten später erschien die Apothekerin in der Offizin, gab ebenfalls an, sie habe im Keller der Apotheke sehr fest geschlafen. Dies bestätigte sie auf Bitten der Aufsichtsbehörde sogar schriftlich. Sie beteuerte, die ganze Zeit vor Ort gewesen zu sein und verwies darauf, dass es nur einen Eingang zur Apotheke gebe, durch den sie seit Eintreffen des Mitarbeiters der Aufsichtsbehörde nicht gekommen sei. Doch diese Geschichte stimmte nicht ganz, wie sich später zeigte. Der PTA kamen nämlich Bedenken und sie schrieb der Aufsichtsbehörde, dass sie aus Angst um ihren Arbeitsplatz gelogen habe. Die Apothekerin habe nicht im Keller geschlafen, sondern sei zu Hause gewesen. Als der Mitarbeiter der Aufsicht gekommen sei, habe sie ihre Chefin benachrichtigt und das Kellerfenster geöffnet. Durch dieses Fenster sei die Apothekerin dann in die Apotheke gelangt. Wegen der beiden Vorfälle wurden jeweils Bußgelder gegen die Apothekerin verhängt.

Verfallene Ausgangsstoffe, BtM in der Sammelbox und zweifelhafte Rezeptbelieferungen

Doch damit nicht genug. Im Dezember 2017 und Januar 2018 fanden in beiden Apotheken zudem anlassbezogene Revisionen statt. Dabei gab es einiges zu bemängeln: Unter anderem wurde festgestellt, dass eine Vielzahl der Ausgangsstoffe verfallen, aber nicht abgesondert waren, Ausgangstoffe ungeprüft verwendet wurden und Prüfgeräte zur Identitätsprüfung von Ausgangsstoffen nicht vorrätig waren. Zudem gab es Betäubungsmittelfehlbestände, da diese zum Teil nicht in dem dafür vorgesehenen Tresor gelagert, sondern zufällig in einer Sammelbox gefunden wurden. Es zeigte sich auch, dass Betäubungsmitteln aufgrund fehlerhaft ausgefüllter Betäubungsmittelrezepte an eine Arztpraxis abgeben wurden. Weiterhin bemerkte die Aufsicht, dass ein Arzneimittel, obwohl es bereits in der Apotheke abgerechnet wurde, an den Großhandel zurückgeben wurde. Ferner waren Kassenrezepte mit Rabatt-Arzneimitteln bedruckt und abgerechnet, jedoch Arzneimittel anderer Hersteller abgegeben worden. Auch Impfstoffe wurden ohne gültige Verordnung an eine Arztpraxis abgeben – und damit ist die Liste der Verstöße noch nicht vollständig.

Ansehen des Apothekerberufs beeinträchtigt

Die Apothekerin erklärte zwischen den Revisionen zwar, die Mängel abgestellt zu haben. Die Aufsicht fand anschließend aber wieder neue oder auch schon bekannte. Im Juli 2018 widerrief die Behörde sodann die Betriebserlaubnis für die beiden Apotheken, weil die Apothekerin nicht mehr die erforderliche Zuverlässigkeit zum Betrieb einer Apotheke besitze. Sie habe mehrfach gegen die Grundpflichten eines Apothekers verstoßen und durch ihr Verhalten sowohl das Vertrauen der Bevölkerung missbraucht als auch die Gesundheit der Patienten gefährdet. Zudem habe die Überprüfung ein unlauteres Vorgehen bei der Abrechnung gegenüber Krankenkassen ergeben und das Ansehen des Apothekerberufes in der Öffentlichkeit sei durch das Verhalten der Antragstellerin beeinträchtigt.

Die Apothekerin legte Widerspruch ein und wehrte sich zudem mit einem Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz bei Gericht gegen die Anordnung des sofortigen Vollzugs des Bescheids. Sie erklärte, einige der Vorwürfe seien nicht gravierend, andere seien abgestellt worden. Es habe Versehen ihrer Mitarbeiter gegeben, die aber Einzelfälle seien. Künftig werde so etwas nicht mehr vorkommen – mit ihrem Personal habe sie bereits gesprochen. Außerdem reichten die Bußgeldbescheide, um sie zum rechtmäßigen Handeln zu bewegen.

Gericht: Charakterlich und fachlich ungeeignet

Das Verwaltungsgericht Schleswig-Holstein sieht dies allerdings anders. In einem einstweiligen Rechtsschutzverfahren prüft das Gericht die Rechtslage nicht so umfassend wie in einem Hauptsacheverfahren. Doch es muss darauf achten, dass formale Anforderungen eingehalten wurden und zudem die Interessen der Beteiligten abwägen: Wiegt das persönliche Interesse der Apothekerin schwerer, ihre Apotheke offen zu halten? Oder das der Öffentlichkeit, dass diese sofort geschlossen wird? Im vorliegenden Fall war zudem zu berücksichtigen, dass der Entzug der Betriebserlaubnis einen Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit darstellt, der sogar ein noch höheres öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung erfordert.

Das Ergebnis des Gerichts: Formal gibt es nichts zu beanstanden und vermutlich wird auch der Widerspruch der Apothekerin abschlägig beschieden. Die Voraussetzungen des § 2 Abs. 1 Nr. 4 ApoG seien hier gegeben, die Apothekerin also nicht zuverlässig. Sie habe mehrfach und wiederholt gegen Grundpflichten eines Apothekers verstoßen und diese Verstöße trotz teils mehrfacher Beanstandung nicht behoben. „Insbesondere die Summe der Verstöße innerhalb des kurzen Beobachtungszeitraumes als auch der Umgang mit den Mitarbeitern, lässt auf eine charakterliche und fachliche Ungeeignetheit der Antragstellerin zum Leiten einer Apotheke schließen“, heißt es im Beschluss. Besonders schwer wiege dabei auch, dass die Apothekerin versucht habe durch eigene Lügen sowie Anstiftung der Mitarbeiter zum Lügen ihr Fehlverhalten zu vertuschen. All dies deute darauf hin, dass sie sich ihren Pflichten als Apothekenleiterin sowohl gegenüber ihren Mitarbeitern als auch gegenüber den Patienten, die ihr vertrauen, nicht bewusst sei. Die zahlreichen Beanstandungen – selbst nach Erlass des Widerrufsbescheids – ,der Versuch ‚Verantwortung auf Mitarbeiter abzuwälzen und auch der Umstand, dass Bußgelder sie bislang nicht zu rechtstreuen Handels bewegten, führen letztlich zu einer gegenwärtig schlechten Prognose. Allerdings könne die Apothekerin trotz der Vorkommnisse in angestellter Position arbeiten, betonten die Richter. Zudem könne sie nach Ablauf einer Frist erneut eine Betriebserlaubnis beantragen.

Apothekerin legt Beschwerde ein

Auch ein besonderes öffentliches Interesse, das angesichts des Grundrechtseingriffs nötig ist, nimmt das Gericht an. Es kann die von der Behörde genannten konkreten Gefahren für Gemeinschaftsgüter (Gefahr für die Gesundheit der Bevölkerung, Schutz des sozialversicherungsrechtlichen Gesundheitssystems und Schutz des Ansehens des Berufsstandes der Apotheker in der Öffentlichkeit) nachvollziehen, wenn die Apothekerin ihre Apotheken weiterführt.

Rechtskräftig ist die Entscheidung allerdings noch nicht. Die Apothekerin hat Beschwerde eingelegt, die Sache ist nun beim Oberverwaltungsgericht Schleswig anhängig.

Beschluss des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts vom 21. August 2018, Az.: 7 B 103/18



Kirsten Sucker-Sket (ks), Redakteurin Hauptstadtbüro
ksucker@daz.online


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