Rechtsprechung aktuell

Verstöße gegen Grundpflichten eines Apothekers rechtfertigen Widerruf der Betr

Verübt ein Apothekenleiter Straftaten, die zu Vermögensschäden bei einer Krankenkasse führen, so gibt dies Anlass, an der persönlichen Zuverlässigkeit des Apothekers zu zweifeln. Ein Verstoß gegen Grundpflichten des Apothekers liegt auch dann vor, wenn ein Apotheker ohne Herstellungserlaubnis Arzneimittel herstellt, die an andere Apotheken abgegeben werden. Dies hat das Hamburgische Oberverwaltungsgericht festgestellt und den sofortigen Vollzug des Widerrufs einer Apothekenbetriebserlaubnis für rechtmäßig erklärt. (Urteil des Hamburgischen Oberverwaltungsgerichts vom 11. Januar 2000, Az.: 5 Bs 282199)

Der Betrieb einer Apotheke ist nach § 2 Apothekengesetz (ApoG) erlaubnispflichtig. Gemäß § 4 Abs. 1 ApoG ist die erteilte Betriebserlaubnis von Gesetzes wegen - ohne dass der Behörde ein Ermessensspielraum zusteht - zurückzunehmen, wenn der Apotheker nicht (mehr) die gemäß § 2 ApoG erforderliche persönliche Zuverlässigkeit für den Betrieb einer Apotheke besitzt.

An der Zuverlässigkeit fehlt es, wenn Tatsachen vorliegen, welche die Unzuverlässigkeit des Apothekers in Bezug auf das Betreiben einer Apotheke dartun, insbesondere wenn strafrechtliche oder sittliche Verfehlungen vorliegen, die ihn für die Leitung einer Apotheke ungeeignet erscheinen lassen oder wenn er sich durch gröbliche oder beharrliche Zuwiderhandlungen gegen das Apothekengesetz oder die Apothekenbetriebsordnung oder die für die Herstellung von Arzneimitteln und den Verkehr mit diesen erlassenen Rechtsvorschriften als unzuverlässig erwiesen hat.

Unredlichkeit kann Unzuverlässigkeit begründen

In dem der Entscheidung des Hamburgischen Oberverwaltungsgerichts zugrunde liegenden Fall quittierte ein Apotheker in mehr als zehn Fällen einem Patienten die Aushändigung eines auf Privatrezept verordneten Arzneimittels, obwohl dieses nicht oder nur in geringerer Menge geliefert worden war, so dass der Patient gegenüber seiner Krankenkasse unberechtigt Erstattungen geltend machen konnte. Der betreffende Apotheker war daher wegen Beihilfe zum Betrug rechtskräftig verurteilt worden.

Das Oberverwaltungsgericht sah aufgrund dieses Verhaltens Bedenken hinsichtlich der Zuverlässigkeit des Apothekers zur Leitung seiner Apotheke: Es handle sich um eine Verhaltensweise, die das Vertrauen in eine gesetzestreue Berufsausübung des Apothekers in einem Bereich erschüttere, der den Kern der Ausübung des Apothekerberufs betreffe. Dies stelle die ordnungsgemäße Arzneimittelversorgung der Bevölkerung infrage, welches maßgeblich auf dem uneingeschränkten Vertrauen in die umfassende Redlichkeit des selbstständigen Apothekers aufgebaut sei. Krankenkassen und andere Kostenträger seien unabdingbar auf das uneingeschränkte Vertrauen in die Apothekerschaft dahin angewiesen, dass die auf Rezepten quittierten Arzneimittel tatsächlich an die Patienten ausgeliefert und von diesen bezahlt worden sind.

Entziehung der Erlaubnis nur bei negativer Prognose

Allein das Vorliegen eines Verstoßes kann die Rücknahme der Betriebserlaubnis noch nicht rechtfertigen. Vielmehr muss der Verstoß ausreichen, um die Erwartung zu begründen, dass der Apotheker auch zukünftig seine Berufspflichten als Apotheker nicht zuverlässig erfüllen werde. Das Hamburgische Oberverwaltungsgericht hatte hinsichtlich des geschilderten Betrugssachverhalts eine solche Beurteilung nicht vorzunehmen, weil noch weitere Verstöße gegen Kernpflichten des Apothekers vorlagen, die - wenn nicht allein, so doch gemeinsam mit den Betrugstatbeständen - die Unzuverlässigkeit des Apothekers begründeten.

Herstellung von Arzneimitteln ohne Herstellungserlaubnis als grobe Pflichtverletzung

Nach Überzeugung des erkennenden Gerichts hatte der Apotheker über ein Jahr lang Arzneimittel entgegen § 13 AMG ohne die erforderliche Herstellungserlaubnis hergestellt, indem er von ihm hergestellte Arzneimittel nicht nur in seiner Apotheke und auch nicht nur an Verbraucher abgegeben hat. Der Apothekenleiter hatte in erheblichem Umfang Apotheken im gesamten Bundesgebiet mit seinen Rezepturen beliefert. Dabei handelte es sich nach Auffassung der Hamburger Richter um einen Umfang, der unter keinen Umständen mehr als ein zulässiges, nicht gewerbsmäßiges "Aushelfen" unter Apothekern mit Hausspezialitäten angesehen werden konnte - in manchen Monaten waren mehrere hundert Rezepturen ausgeliefert worden, außerdem bewarb der Apotheker bundesweit seine Rezepturen. Vor diesem Hintergrund sei der Apotheker zumindest verpflichtet gewesen, sich zunächst über die Grenzen seiner Berechtigung kundig zu machen und entsprechenden zuverlässigen Rat einzuholen.

Im Verhalten des Apothekenleiters sah das erkennende Gericht eine gröbliche Zuwiderhandlung gegen die in § 2 Abs. 1 Nr. 4 ApoG genannten Bestimmungen. Dabei setze der Begriff der gröblichen Zuwiderhandlung gegen das Arzneimittelgesetz oder die Apothekenbetriebsordnung voraus, dass - unabhängig vom Verschulden - Verstöße gegen Grundpflichten des Apothekers vorliegen oder sie in sonstiger Weise von besonderem Gewicht sind und den Schutzzweck der apothekenrechtlichen Regelungen unterlaufen. Dies sei hier der Fall, weil Apothekern die Herstellung von Arzneimitteln ohne Herstellungserlaubnis nur für die Abgabe in der eigenen Apotheke gestattet sei. Auch sei, von eng umgrenzten Ausnahmen abgesehen, ein Versand von Arzneimitteln aus der Apotheke heraus, verboten. Dies gelte erst recht für in Apotheken zulassungsfrei hergestellte Arzneimittel, bei denen es beim Versand an andere Apotheker für jene nur schwer zu beurteilen sei, ob ein Arzneimittel die erforderliche Qualität aufweise. Ein solcher Verstoß, insbesondere wenn er nicht nur im Einzelfall, sondern mengenmäßig in erheblichem Umfang erfolge, berühre daher eine der Grundpflichten des Apothekers.

Kastentext: Aus den Entscheidungsgründen

"Der Antragsteller vermag nicht ernstlich in Frage zu stellen, dass er gegen § 13 Abs. 1, 2 Nr. 1 AMG verstoßen hat, indem er Arzneimittel in einem Umfang hergestellt hat, der über den 'üblichen Apothekenbetrieb' hinausgeht, ohne die andernfalls erforderliche Herstellererlaubnis zu besitzen. Die Herstellung von Arzneimitteln ohne Herstellererlaubnis setzt voraus, dass diese Arzneimittel vom herstellenden Apotheker grundsätzlich nur in der eigenen Apotheke an Verbraucher abgegeben werden dürfen; nur dann kann von einer apothekenüblichen Herstellung gesprochen werden. Der Antragsteller hat jedoch in erheblichem Umfang Apotheken im gesamten Bundesgebiet mit so genannten 'Quintus-Rezepturen' beliefert. (...) Dabei handelte es sich um einen Umfang, der unter keinen Umständen mehr als ein zulässiges, nicht gewerbsmäßiges ,kollegiales Aushelfen' unter Apothekern mit Hausspezialitäten angesehen werden kann, selbst wenn der Antragsteller solches geltend gemacht hat und die Rechnungen teilweise mit einem entsprechenden Aufkleber versehen haben will.

(...) Beim Verstoß gegen § 13 AMG wurde gegen Grundpflichten verstoßen, weil Apothekern nicht nur die Herstellung von Arzneimitteln ohne Herstellererlaubnis (neben Mengenbeschränkungen) grundsätzlich nur für die Abgabe in der eigenen Apotheke gestattet ist, sondern umfassend ein Versand von Fertigarzneimitteln aus einer Apotheke heraus, von eng umgrenzten Ausnahmen abgesehen, zum Schutz der Bevölkerung verboten ist; der Wirkungskreis des selbstständigen Apothekers ist grundsätzlich auf seine Apotheke begrenzt.

Dies gilt gleichermaßen oder gar erst recht für in Apotheken zulassungsfrei hergestellte Arzneimittel, bei denen es beim Versand an andere Apotheker für jene nur schwer zu beurteilen ist, ob die Arzneimittel die erforderliche Qualität aufweisen. Ein Verstoß, insbesondere wenn er wie vorliegend nicht im Einzelfall, sondern in mengenmäßig durchaus erheblicher Weise erfolgt, berührt deshalb eine der Grundpflichten des selbstständigen Apothekers, der als solcher grundsätzlich nur für den Bedarf in seiner (Einzel-)Apotheke Arzneimittel herstellen darf oder aber unter anderem einer Herstellererlaubnis als pharmazeutischer Unternehmer bedarf."

Kastentext: Leitsätze

1. Eine Straftat eines Apothekers, die zu Vermögensschäden bei einer Krankenkasse führt, weckt in der Regel ernstliche Zweifel an der persönlichen Zuverlässigkeit für den Betrieb einer Apotheke. 2. Die Herstellung von Arzneimitteln ist einem Apotheker im üblichen Apothekenbetrieb ohne Herstellungserlaubnis nach § 13 Abs. 1, 2 Nr. 1 AMG grundsätzlich nur zur Abgabe in der eigenen Apotheke gestattet. 3. Eine gröbliche Zuwiderhandlung eines Apothekers gegen das Arzneimittelgesetz oder die Apothekenbetriebsordnung ist gegeben, wenn Verstöße gegen Grundpflichten des Apothekers vorliegen oder sie in sonstiger Weise von besonderem Gewicht sind und den Schutzzweck der apothekenrechtlichen Regelungen unterlaufen.

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