Gefahr der Unterdosierung

GSK-Impfstoffe sind nicht ganz dicht

Stuttgart - 04.04.2018, 13:40 Uhr

Unter anderem bei Tetanol sind Probleme aufgetreten. (Foto: imago / Schöning)

Unter anderem bei Tetanol sind Probleme aufgetreten. (Foto: imago / Schöning)


Bei verschiedenen Impfstoffen der Firma GlaxoSmithKline sind offenbar immer wieder Spritzen undicht. Darüber informiert der Hersteller in Abstimmung mit den Aufsichtsbehörden. Betroffen sind Spritzen mit einem Keramik-beschichteten Konus. Die Sterilität sei nicht beeinträchtigt, jedoch bestehe die Gefahr von Unterdosierungen, heißt es. Die betroffen Patienten seien unter Umständen nicht ausreichend immunisiert. 

Bei vielen Impfstoffen von GlaxoSmithKline (GSK) tritt bei der Impfstoffvorbereitung oder Injektion Impfstoff aus. Seit Juli 2015 wurde eine erhöhte Anzahl diesbezüglicher Meldungen registriert. Demnach sind Spritzen mit einem Keramik-beschichteten Konus an der Verbindungsstelle von Spritzen-Konus und Nadel-Ansatzpunkt undicht. Betroffen sind mit Boostrix, Boostrix Polio, Encepur Erwachsene, Encepur Kinder, Engerix-B Erwachsene, Engerix-B Kinder, Fendrix, Havrix 1440, Havrix 720 Kinder, Infanrix, Infanrix IPV+Hib, Infanrix hexa, Tetanol pur, Twinrix Erwachsene und Twinrix Kinder zahlreiche GSK-Impfstoffe. 

Sterilität nicht beeinträchtigt, aber Unterdosierungen drohen

Die Sterilität ist laut GSK nicht beeinträchtigt. Aber es könne zu Unterdosierungen kommen – basierend auf Literaturdaten, Untersuchungen des Spritzen-Herstellers und praxisbezogenen Tests können die Volumenverluste zwischen 10 und 50 μl variieren. Die betroffenen Personen könnten in der Folge nicht ausreichend immunisiert ein, heißt es. So gebe es lediglich für einige Impfstoffe relevante Daten zur Verabreichung geringerer Antigendosen. Diese deuteten für Havrix, Engerix und Fendrix darauf hin, dass sogar mit der Hälfte der üblichen Dosis die gewünschte die Seroprotektion oder Seropositivität erreicht wird. Da die Wahrscheinlichkeit sehr gering ist, dass die zu impfende Person aufgrund einer undichten Spritze nur die Hälfte der erforderlichen Impfdosis erhalten hat, werde kein Einfluss auf die Seroprotektion/Seropositivität nach der Impfung erwartet, so GSK. Für Twinrix gebe es zwar keine Dosisfindungsstudien, man habe jedoch zeigen können, dass die Immunantwort der zwei Antigene im Twinrix-Impfstoff vergleichbar war mit derjenigen nach Impfung mit den monovalenten Impfstoffen Havrix and Engerix – für die es ja Daten gibt. Für alle anderen Impfstoffe, die möglicherweise von undichten Spritzen betroffen sind, ist es laut GSK leider nicht möglich, eine Aussage zu treffen, welche Auswirkungen eine Unterdosierung auf die Seroprotektion/Seropositivität habe könnte. Bei Impfstoffen, mit denen mehrfach geimpft wird – also Grundimmunisierung plus Auffrischimpfung – hält der Hersteller es für höchst unwahrscheinlich, dass jede Dosis mit einer undichten Spritze verabreicht wird.

Impfung wiederholen oder besser nicht?

Auch die Arzneimittelkommission der Apotheker berichtet, wiederholt Meldungen aus Apotheken zu undichten Spritzen diverser GSK-Impfstoffe zu erhalten. Demnach gingen seit 2015 73 Meldungen zu dem geschilderten Problem ein, sechs davon betrafen Importprodukte. Laut AMK traten jedoch vereinzelt Volumina aus, die größer als die vom Hersteller ermittelten 50µl waren. Man habe nach Untersuchung der eingesandten Reklamationsmuster aus Apotheken die Undichtigkeit teilweise nachvollziehen können, erklärt die AMK. Sie stehe diesbezüglich in Kontakt mit den Behörden.

Hinweise, dass die Undichtigkeit der Spritzen zu einem Impfversagen oder anderen Sicherheitsbedenken geführt haben liegen laut GSK bislang nicht vor. Das gehe aus der Analyse der bisherigen Pharmakovigilanzdaten hervor. 

Hinweise zum Vorgehen

Um einem Wirkverlust entgegen zu wirken, sollen folgende Hinweise berücksichtigt werden:

  • Tritt die Undichtigkeit bereits während der Rekonstitution von lyophilisierten Impfstoffen auf, soll die Spritze verworfen werden.
  • Tritt beim Verabreichen Impfstoff aus, gibt es zwei Möglichkeiten: noch einmal impfen oder nicht. Dabei gilt es den potenziellen Nutzen eines erhöhten Schutzes bei der erneuten, vollständigen Verabreichung des Impfstoffes, das potenzielle Risiko von Nebenwirkungen nach erneuter Verabreichung sowie das potenzielle Risiko eines verminderten Impfschutzes, wenn nicht noch einmal geimpft wird gegeneinander abzuwägen. 

Ärzte sollen zudem lokalen Empfehlungen  um  Umgang  mit einer möglichen Unterdosierung des Impfstoffes folgen. Für den Fall, dass es keine lokalen Empfehlungen gibt, sollen die des  amerikanischen CDC (Center for Disease Control and Prevention), des englischen PHE (Public Health England) oder der WHO herangezogen werden. 

Internationale Empfehlungen zum Vorgehen

So rät das CDC in seiner Richtlinie: Jede Impfung bei der weniger als die Standarddosis verwendet wurde, wird nicht gezählt. Die betreffende Person sollte altersgemäß erneut geimpft werden.  Ausnahme: Die serologische Testung hat eine adäquate Immunantwort gezeigt. Bei einer partiellen Gabe eines parenteralen Impfstoffes aufgrund einer undichten Spritze oder Nadel, sollte laut CDC die Impfdosis wiederholt werden.

Die englische Institution empfiehlt, dass Patienten, die Impfstoffe in geringerer als der empfohlenen Dosis bekommen haben, vorsichtshalber eine Wiederholungsimpfung erhalten sollten – idealerweise am selben Tag. Ist es nicht möglich, sollten Lebendimpfstoffe mit einem Mindestabstand von vier Wochen zur fehlerhaften Dosis wiederholt verabreicht werden. Inaktivierte Impfstoffe  sobald wie möglich. 

Die WHO hat sich 2015 zum Thema „unterbrochene oder verzögerte Impfschemata“ geäußert. Demnach sollen Tetanus-Diphterie-Pertussis-Kombinationsimpfstoffe  sowie bei Vakzinen gegen Masern, Tollwut, Mumps und Varizellen, dass Impfschema fortgesetzt werden, ohne die vorangegangene Dosis zu wiederholen. Die Auffrischimpfung sollte aber immer gegeben werden.

Apotheker sollen Probleme melden

Die AMK bittet zudem Apotheker, behandelte Patienten sowie belieferte Institutionen angemessen zu informieren. Verdachtsfälle von Arzneimittelrisiken im Zusammenhang mit der Rekonstitution oder Anwendung von Impfstoffen sind bitte unter www.arzneimittelkommission.de zu melden.



Julia Borsch, Apothekerin, Chefredakteurin DAZ
jborsch@daz.online


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