Niederlage der Verteidigung

Gericht lehnt Neustart des Zyto-Prozesses ab

Essen - 09.02.2018, 08:45 Uhr

Am gestrigen Donnerstag hat im Zyto-Prozess unter anderem ein Mitarbeiter der Firma Hexal ausgesagt. (Foto: hfd)

Am gestrigen Donnerstag hat im Zyto-Prozess unter anderem ein Mitarbeiter der Firma Hexal ausgesagt. (Foto: hfd)


Apotheker hat schon vor Jahren Merkwürdiges beobachtet

Am gestrigen Prozesstag war der 41-jährige Apotheker Ingo E. als Zeuge geladen, der von April 2009 bis September 2010 im Zyto-Labor der Bottroper Apotheke gearbeitet hat. Aufgrund des Ablaufs möglicher Verjährungsfristen räumte ihm der Vorsitzende Richter anders als Mitarbeitern, die teils weiterhin in der Apotheke arbeiten und sich durch Aussagen womöglich selbst belasten könnten, kein Auskunftsverweigerungsrecht ein. Zwar stünde Apothekern grundsätzlich ein Zeugnisverweigerungsrecht zu, was sensible Gesundheitsdaten anbelangt – doch dies greife auch nicht. „Das soll ja Patienten schützen – das soll nicht davor schützen, dass interne Abläufe von Apotheken geheim bleiben“, erklärte Hidding.

Nach seiner Bewerbung auf eine Chiffre-Anzeige sei der Apotheker von Peter S.‘ Vater begrüßt worden – der Angeklagte sei damals in stationärer Behandlung gewesen, doch habe er ihn im Krankenhaus getroffen, erklärte Ingo E.. Eigentlich habe er das Zyto-Labor übernehmen sollen, damit S. sich auf die anstehende Übertragung der Apotheke von seinen Eltern auf ihn konzentrieren könnte – doch habe er wie ein PTA ganz viel Herstellungsarbeit leisten müssen, was nicht den Versprechungen entsprochen und weshalb er später gekündigt habe. Verdient habe er 4700 Euro brutto plus ein dreizehntes Monatsgehalt – „mehr gab’s nicht“, erklärte der Pharmazeut.

Zeuge: Er entsprach den Standards nicht

Die Verhältnisse im Labor seien „sehr beengt“ gewesen, erklärte E. Er habe sich gewundert, dass teure Antikörpertherapien morgens schon zubereitet waren, obwohl die Gefahr bestand, dass sie nicht zur Anwendung kommen würden und somit ein „größtes“ finanzielles Risiko bestand. Bis auf ein einziges Mal, wo er zusammen mit S. hergestellt habe, habe er seinen Chef nie direkt im Labor arbeiten sehen. Morgens auf dem Weg zur Arbeit habe er ihn ein paar Mal im Labor gesehen, da man von der Straße in die Räumlichkeiten im ersten Stock habe sehen können, wo S. sich ohne Schutzkleidung aufgehalten habe. Er könne sich nicht erinnern, ob er seinen Chef hierauf angesprochen habe, erklärte E. Aber er habe sich „schon gewundert, da es den Standards nicht entsprach“, sagte er vor Gericht.

Wirkstoffe habe es immer ausreichend gegeben, erklärte der Apotheker. Doch es habe Momente gegeben, an denen er gedacht habe, ob aus dem Kühlschrank nicht mehr hätte „weg sein müssen“, erklärte er. „Wo kommt die Ware her, wo geht sie hin“ – das habe er trotz der geplanten Tätigkeit als Leiter des Zyto-Labors nicht beurteilen können. Nicht angewendete Rückläufer seien umetikettiert worden, wenn sie weiterhin haltbar, nicht angestochen waren und die Dosis bis auf wenige Prozent Abweichung stimmte. Auf die Frage, ob dies erlaubt sei, sagte der Apotheker: „Das kann ich nicht beantworten.“

Risiko von unsauberer Zyto-Arbeit? Sepsis!

Ein Nebenklagevertreter frage E., welche Folgen unhygienische Arbeitsweisen haben könnten. „Das Risiko besteht halt, dass der Patient, der das infundiert bekommt, eine Sepsis kriegt“, erklärte der Apotheker – dies könne lebensbedrohlich sein. Allen Pharmazeuten müsste dies bewusst sein, sagte er.

Auf die Frage der Verteidigung, ob er von seinem Chef mal eine Anweisung erhalten habe, Krebstherapien unterzudosieren, antworte E. klar „nein“. Auch die PTAs sowie er selber hätten nie falsche Dosen verwendete. „Das habe ich nie getan“, erklärte er. Auch sei er nie „ausdrücklich oder stillschweigend in einen Tatplan eingeweiht worden, unterzudosieren“, erklärte der Apotheke auf Nachfrage eines Verteidigers.



Hinnerk Feldwisch-Drentrup, Autor DAZ.online
redaktion@daz.online


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