Niederlage der Verteidigung

Gericht lehnt Neustart des Zyto-Prozesses ab

Essen - 09.02.2018, 08:45 Uhr

Am gestrigen Donnerstag hat im Zyto-Prozess unter anderem ein Mitarbeiter der Firma Hexal ausgesagt. (Foto: hfd)

Am gestrigen Donnerstag hat im Zyto-Prozess unter anderem ein Mitarbeiter der Firma Hexal ausgesagt. (Foto: hfd)


Hexal-Referent bestreitet Verkäufe aus dem Kofferraum

Als zweiten Zeugen hatte das Gericht den 54-jährigen Pharmareferenten Wilfried H. geladen, der für Hexal tätig ist und den Angeklagten S. seit gut sechs Jahren kennt. Auf Nachfrage von Hidding beschrieb er zunächst allgemein seine Tätigkeit. Bei Terminen mit Ärzten würde er mit diesen die Vorteile einzelner Präparate besprechen, erklärte er – und teils erfahren, mit welchem Apotheker der Onkologe zusammenarbeite. Daraufhin würde er den Pharmazeuten aufsuchen um die Möglichkeit zu bekommen, „Präparate meiner Firma anzubieten“. Normal seien Besuchsrhythmen „von alle paar Monaten“, erklärte H., doch S. sei ein Apotheker gewesen, der an Veränderungen auf dem Markt „sehr interessiert war“ und geguckt habe, „wie man sein Geschäft eventuell ausweiten kann“. Der Pharmareferent bezeichnete ihn als „Schlüsselkunden“.

600-Euro-Wirkstoffe gingen für 50 Euro über den Tisch

„Es ist so, dass ich mit den Präparaten außer den Preisverhandlungen nichts zu tun habe“, erklärte der Hexal-Mitarbeiter – Muster der großteils toxischen Krebsmittel habe er daher auch nicht dabei. Konfrontiert mit einem Statement der Verteidigung, er habe S. „zu deutlich unter Marktpreisen liegenden Konditionen Wirkstoffe aus dem Kofferraum heraus“ verkauft, bestritt H. Es sei in dieser Form auch gar nicht möglich, da die Einkaufskonditionen ohnehin so gut seien: Bestimmte Wirkstoffe mit einem offiziellen Preis von beispielsweise 600 Euro würden teils für 40 oder 50 Euro verkauft, „weil einfach der Markt kaputt ist“, erklärte H. „Natürlich gibt es Rabatte“, sagte er.

Angesichts der Marktpreise stelle sich kein Apotheker ins Parkhaus, um Zytostatika schwarz einzukaufen, sagte der Zeuge. In Schriftsätzen hatten die Verteidiger im Zusammenhang mit den mutmaßlichen Schwarzmarkteinkäufen vorgebracht, dass S. – ordentlich versteuert – Bargeld im sechsstelligen Bereich entnommen habe. Eine derartige Summe hieße, dass es um 30.000 Packungen gehen könnte, erklärte H. – Lieferungen per Kofferraum hätten dann mehrfach wöchentlich erfolgen müssen. „Das kriegen Sie nicht einmal in einen LKW rein“, betonte er.

Der Staatsanwalt fragte den Hexal-Referenten, ob es einen Schwarzmarkt für Antikörper gebe – die Hexal selber im Anklagezeitraum nicht im Programm hatte. „Ich weiß da nichts“, erklärte H. Angesichts der öffentlich bekanntgewordenen Vorwürfe sei er innerhalb des Unternehmens befragt worden, Hexal hatte die Vorwürfe auch gegenüber DAZ.online abstritten. Ein Nebenklagevertreter fragte den Zeugen, ob er gegen die harten Vorwürfe vorgehen werde. „Ich habe mir noch keine Gedanken dazu gemacht“, antwortete er. Wie auch der als Apotheker Ingo E. erklärte der Pharmareferent, er habe über Fachmedien wie DAZ.online über den laufenden Prozess gelesen, nicht aber die veröffentlichte Ermittlungsakte gekannt.



Hinnerk Feldwisch-Drentrup, Autor DAZ.online
redaktion@daz.online


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