Interview Robby Schlund (AfD)

„Die Altparteien lösen keine Probleme in der Gesundheitspolitik“

Berlin - 02.02.2018, 07:00 Uhr

Für Schlund gelten die flächendeckende Versorgung im niedergelassenen Bereich, der schrittweise Rückbau des DRG-Systems bei der Klinikvergütung und die Aus- und Weiterbildungen von Ärzten, als Kernthemen. (Foto: Imago)

Für Schlund gelten die flächendeckende Versorgung im niedergelassenen Bereich, der schrittweise Rückbau des DRG-Systems bei der Klinikvergütung und die Aus- und Weiterbildungen von Ärzten, als Kernthemen. (Foto: Imago)


Mit der AfD sitzt eine gesundheitspolitische Blackbox im Bundestag. Was will die Partei in der Gesundheit erreichen? Wie steht sie zum Apothekenmarkt? Das Wahlprogramm verrät wenig zu diesen Punkten. Im Interview mit DAZ.online kündigt Robby Schlund, Arzt aus Thüringen, ein grundsätzliches Positionspapier seiner Partei zur Gesundheitspolitik an. Die Apotheken will er in regionalen „Wirtschafts-Clustern“ sogar stärken. 

Robby Schlund

(Foto: Imago)

Der 50-jährige Robby Schlund zog über die Landesliste Thüringen in den Bundestag ein. Schlund studierte Medizin in Jena, arbeitete danach als Stationsarzt in Kliniken und später als Facharzt für Orthopädie und Sportmedizin. 2006 eröffnete er seine erste Kassenpraxis. Eigenen Angaben zufolge will Schlund sich im Bundestag für die „Neustrukturierung des Gesundheitswesens im Interesse der Versicherten und Leistungserbringer und nicht der Bürokraten“ einsetzen. Als ein weiteres Ziel bezeichnet er die Aufhebung der Russlandsanktionen.
Auf abgeordnetenwatch.de gibt Schlund an: „Für den aufrechten Patrioten Dr. Robby Schlund ist die AfD die einzigste echte Alternative in Deutschland, da sich die Inhalte in der Programmatik und ihre basisdemokratische Ausrichtung, im Wesentlichen von denen der Altparteien unterscheiden.“

DAZ.online: Sehr geehrter Herr Schlund, die Pressestelle der AfD ist seit Wochen nicht erreichbar, Fragen von Journalisten werden nicht beantwortet, im Büro des gesundheitspolitischen Sprechers in spe ist ein Anrufbeantworter geschaltet. Ist die AfD mit ihren neuen Aufgaben im Bundestag überfordert?

Schlund: Ich bitte Sie da um Verständnis. Die Altparteien sind das politische Geschäft im Bundestag seit Jahrzehnten gewöhnt, wir noch nicht. Aber es passiert viel in diesen Tagen: Die Arbeitsgruppe hat sich gegründet, wir sind bereit die Facharbeit im Ausschuss aufzunehmen.

DAZ.online: Auch das Wahlprogramm der AfD war ja aus gesundheitspolitischer Sicht nicht besonders aussagekräftig. Die Rede war vom Einfluss der Zuwanderung auf die GKV-Finanzen, die Versorgung wurde nur am Rande angeschnitten. Welche großen Ziele verfolgt Ihre Fraktion in der Gesundheitspolitik?

Schlund: Wir sind der Meinung, dass wir im Gesundheitswesen vor großen Problemen stehen. Was die Altparteien machen, ist neu aufkommende Probleme jeweils kurzfristig auszubessern, an den systematischen Ursachen dieser Probleme machen sie jedoch nichts.

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DAZ.online: Ihnen fehlt also der Weitblick in der Gesundheitspolitik?

Schlund: Ja. Beispiel Pflege: Die Politik hat es 20 Jahre lang versäumt, hier etwas zu tun und steht jetzt vor dem großen Scherbenhaufen und wundert sich auf einmal, dass wir zu viele Pflegebedürftige bei zu wenig Personal haben. Was wird gemacht? Ein kurzfristiges Adhoc-Programm. Wir werden jedes Programm zur Verbesserung der Pflegesituation mittragen, verfolgen aber auch hier einen ganzen Systemwechsel.

DAZ.online: Wie konkret sind denn diese Umschwungs-Forderungen in ihrer Partei? Gibt es ausformulierte Anträge?

Schlund: Nein. Auch da bitte ich um Verständnis, dass wir noch etwas arbeiten müssen. In etwa zwei Monaten wollen wir aber in der Gesundheitspolitik ein Positionspapier vorstellen. Wir werden in dieser Zeit noch gesundheitspolitisch versierte Referenten einstellen und bei den anderen Fraktionen für unsere Ideen werben.

Mehr Handlungsspielraum für Freiberufler

DAZ.online: Sie sind selbst niedergelassener Arzt und bringen einige praktische Erfahrung in den Ausschuss mit. Welches sind denn Ihre persönlichen Kernthemen?

Schlund: Natürlich geht es mir in erster Linie um die flächendeckende Versorgung im niedergelassenen Bereich. Außerdem möchten wir uns für den schrittweisen Rückbau des ineffizienten DRG-Systems bei der Klinikvergütung kümmern. Schließlich sind uns die Aus- und Weiterbildungen von Ärzten ein wichtiges Thema.

DAZ.online: Die AfD hat ihre Schwerpunkte bislang in anderen Politikbereichen gesetzt und sich vornehmlich um die Innenpolitik gekümmert. Auch im gesundheitspolitischen Teil Ihres Wahlprogrammes geht es um Flüchtlinge. Dort heißt es, dass die Zuwanderung sich negativ auf die Solidarsysteme auswirkt. Wird dieser Punkt das Kernanliegen der AfD im Gesundheitsausschuss werden?

Schlund: Natürlich werden wir auch darüber reden wollen. Denn auch wenn die medizinische Versorgung der Zuwanderer zunächst aus Steuermitteln finanziert wird, steht fest, dass die meisten von ihnen zwangsläufig irgendwann in die GKV überführt werden und somit das System überlasten. Wenn die Immigration nicht gelingt, müssen wir in Deutschland große Abstriche im sozialen Bereich hinnehmen.

DAZ.online: Zurück zur flächendeckenden Versorgung. Was wollen Sie hier erreichen?

Schlund: Ich komme selbst aus Ostdeutschland und bemerke hautnah, dass die ärztliche Versorgung auf dem Land vielerorts ausdünnt. Wir müssen die Attraktivität für Ärzte, auf dem Land zu arbeiten, wieder steigern. Für genaue Maßnahmen bitte ich auch in diesem Fall, auf unsere Vorstellungen zu einem Gesamtkonzept abzuwarten. Grundsätzlich haben wir es uns zum Ziel gesetzt, dass alle Akteure im Gesundheitswesen dadurch profitieren sollen, dass es einfach weniger Regeln und Bürokratie geben soll. Wir sind der Meinung, dass man im Gesundheitswesen kurzfristig, durch entsprechende intelligente Eingriffe in die Gesamtstruktur, bis zu 15 Milliarden Euro pro Jahr sparen kann, wenn man unnötige Strukturen abbauen würde.

DAZ.online: Welche wären das?

Schlund: Bei den Ärzten fällt mir da spontan die Verwaltung und das Exekutieren von Budgetierung und Regressen ein. Ich möchte in der Zukunft nicht in einem sozialistischen System, wie in der DDR leben. Freiberufler müssen wieder mehr Handlungsspielraum bekommen.

Inhabergeführte Apotheken sind krisenresistenter

DAZ.online: Und welche Visionen haben Sie für den Apothekenmarkt?

Schlund: Wir stehen ganz klar zur inhabergeführten Apotheke vor Ort. Wir sind der Meinung, dass die Apotheke wie der Arzt oder der Bäcker in wichtige, regionale Wirtschafts-Cluster gehört, die wir unbedingt erhalten wollen. 

DAZ.online: Welche Vorteile haben solche „Wirtschafts-Cluster“ aus Ihrer Sicht?

Schlund: In erster Linie sind sie krisenresistenter. Wenn eine Krise droht, beispielsweise ein Ausbruch einer Krankheit oder Ähnliches, dann sind Großkonzerne – wie etwa Apothekenketten oder Versand-Konzerne – viel empfindlicher. Kleinbetriebe haben eine enorme regionale Bedeutung. Deswegen wollen wir die Apotheken sogar unterstützen und fördern, indem wir auch hier effizientere Strukturen einführen wollen.

DAZ.online: Die wären?

Schlund: Ich glaube, dass sich insbesondere in der Kommunikations-Schnittstelle zwischen Ärzten, der Pharmaindustrie und den Apothekern Kosten einsparen lassen, insbesondere auch durch Digitalisierung. Diese Einsparungen könnte man dann wiederum zur Versorgung der Versicherten verwenden.

DAZ.online: Ihre Partei ist heftiger Kritik ausgesetzt. Viele ihrer Parlamentskollegen haben in der Vergangenheit laut Medienberichten engen Kontakt mit rechtsextremistischen Vereinigungen gehabt. Detlev Spangenberg, der auch Mitglied im Gesundheitsausschuss werden soll, soll beispielsweise in Sachsen einer solchen Vereinigung angehört haben. Könnten diese Vorwürfe Ihre inhaltlichen Argumente in der Gesundheitspolitik belasten, beziehungsweise die Arbeit mit den anderen Fraktionen erschweren?

Schlund: Ich würde Sie bitten, mit den jeweiligen Abgeordneten, also zum Beispiel mit Hr. Spangenberg selbst über diese Vorwürfe zu sprechen. Gleichzeitig kann ich aber die anderen Fraktionen nur dazu aufrufen, sich mit uns gemeinsam Gedanken über das ganze System zu machen. Wir sind was die Expertise betrifft, in vielen Bereichen besser aufgestellt als die Altparteien. Einen Gesundheitspolitiker mit der Erfahrung von Hr. Gehrke finden Sie im Parlament wahrscheinlich kein zweites Mal. Untereinander arbeiten wir mit sehr viel Akzeptanz und Sachverstand – das würde ich mir auch für die Zusammenarbeit mit den anderen Fraktionen wünschen.



Benjamin Rohrer, Chefredakteur DAZ.online
brohrer@daz.online


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