Gastbeitrag zur Zyto-Debatte

Mehr Apotheken mit Reinraum!

Erding - 29.11.2017, 13:15 Uhr

Alle Zytoherstellungen nur in Krankenhausapotheken? (Foto: benicoma / stock.adobe.com)

Alle Zytoherstellungen nur in Krankenhausapotheken? (Foto: benicoma / stock.adobe.com)


450 bis 500 Apotheken erforderlich

Dabei werden nicht nur die pharmazeutischen Rahmenbedingungen missachtet, sondern auch künftige Entwicklungen vernachlässigt. So werden in den kommenden Jahren Antikörper für neurologische, rheumatologische, gastroenterologische und viele andere Facharztgruppen hinzukommen, deren Herstellung auch von spezialisierten Apotheken (mit Reinräumen) vor Ort übernommen werden sollte. Bereits jetzt werden vermutlich in vielen Arztpraxen bei der Gebrauchsfertigmachung dieser zum Teil hochallergenen und manchmal toxischen Wirkstoffe selbst niedrigste Anforderungen hinsichtlich Produkt- und Personen/Mitarbeiterschutz nicht eingehalten, von der fehlenden Sterilität ganz zu schweigen. Dabei ist auch die Politik gefordert, die § 11 Abs. 2 Apothekengesetz ändern muss, um Zuweisungen für alle parenteralen Zubereitungen (und nicht nur für anwendungsfertige Zytostatikazubereitungen) aus Sicherheitsgründen zu erlauben. Hier sei erwähnt, dass selbst Stand jetzt viele dieser Zubereitungen für die Krankenkassen kostengünstiger kommen als die Abgabe des entsprechenden Fertigarzneimittels.

Berücksichtigt man alle diese Punkte, so sind mehr und nicht weniger Apotheken mit angeschlossenem Reinraum zu fordern. Ideal wäre mindestens eine Apotheke mit Reinraum pro Landkreis oder pro kreisfreier Stadt. Da Städte wie München sicher mehr als eine Apotheke mit Reinraum benötigen, könnte letztlich eine Zahl von 450 bis 500 Apotheken erforderlich sein.

Nur die Herstellung sollte bezahlt werden

Um kriminelle Betrugsfälle wie Bottrop zu vermeiden, sollte nur die Dienstleistung der Herstellung bezahlt werden. Zurzeit gibt es rund 250 herstellende Apotheken, die im Schnitt 13.000 Zubereitungen pro Jahr herstellen (Datenbasis Gamsi 1. Halbjahr 2017). Da in der Zahl der Zubereitungen aber auch Krankenhausambulanzen und abrechnende, nicht selbst herstellende Apotheken enthalten sind (laut VSA ca. 60 Prozent [!] der abgerechneten Zubereitungen), ergeben sich als Zielgröße etwa 3000 bis 5000 Zubereitungen pro Apotheke und pro Jahr, die für einen auskömmlichen Betrieb eines Reinraumes zugrunde gelegt werden müssten. Aus Sicht des Autors müsste deshalb die Dienstleistungspauschale für die Herstellung bei etwa 120 Euro liegen. Bei Umsetzung des vorgeschlagenen Kommissionsmodells (DAZ Nr. 23, 2017, S. 24 ff. und DAZ Nr. 32, 2017, S. 22ff.) würde dieser Betrag pro Herstellung ausreichen. Bliebe aber die Verantwortung für das Handling und die Vorfinanzierung der Arzneimittel weiterhin bei der herstellenden Apotheke, wäre dies mit weiteren drei Prozent des Warenwertes zu vergüten. Nur abrechnende Apotheken sollten aus Gründen der Arzneimittelsicherheit verboten werden, da sie in der jetzigen Form nur zur Intransparenz des Systems beitragen. Sie können gerne einen eigenen Reinraum bauen.



Dr. Franz Stadler
redaktion@daz.online


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Lesen Sie hier die Zusammenfassung

Schwerkranke Patienten brauchen ein möglichst angenehmes Umfeld für ihren Heilungserfolg. Allein aus diesem psychologischen Grund sollte die flächendeckende ambulante Versorgung mit parenteralen Zubereitungen gefördert werden. Zudem können nur so die für den Behandlungserfolg grundlegenden pharmazeutischen Rahmenbedingungen eingehalten werden. Die Zielgröße von 450 bis 500 Apotheken mit einem angeschlossenen Reinraum kann mit einer Herstellungspauschale von 120 Euro pro Herstellung und etwa 3000 bis 5000 Herstellungen je Apotheke erreicht werden. Ebenso sind aus Gründen der Patientensicherheit dringend einige gesetzliche Anpassungen erforderlich. Nur so kann die Arzneimittelsicherheit bei vertretbaren Kosten sichergestellt werden.

2 Kommentare

Herstellung von Zytostatika ohne behördliche Erlaubnis

von Anonymer Kollege am 29.11.2017 um 23:23 Uhr

Mit Bedauern erinnere ich mich an meine erste Ausbildungsstätte in der Zytostatika ohne jegliche behördliche Erlaubnis hergestellt wurden. Die Zytto-Box stand auf 2 Ikea Regalen im Keller, und damit sie nicht nach vorne kippt, war sie unter einem Heizungsrohr eingeklemmt. Man fragte mich ob ich auch Zytostatika herstellen würde, nach meinem Einwand mich bei der BG anzumelden war das Thema vom Tisch. Interessierten Kollegen senfe ich gerne ein Foto zu. So viel zum Thema!

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Na klar

von Karl Friedrich Müller am 29.11.2017 um 13:33 Uhr

Die Apotheken investieren und verschulden sich. Dann kommen die KK und sagen „ätsch“.
Ausschreibung an irgendjemand, auch ohne Herstellmöglichkeit. Das wird dann von Dritten übernommen.
KK: Klasse, wieder ein paar Apotheken ruiniert

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

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