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Gastbeitrag zur Zyto-Debatte
Mehr Apotheken mit Reinraum!
ZUSAMMENFASSUNG
Zytostatikaherstellende
Apotheken stehen zurzeit in der Kritik. Von einem Einzelfall wie in Bottrop wird oft auf die gesamte Branche
geschlossen. Niemand will kriminelles Verhalten von Kollegen verteidigen. Aber
deshalb zu fordern, die gesamte Versorgung wieder in die Krankenhäuser zu verlegen,
geht eindeutig in die falsche Richtung. Das meint Dr. Franz Stadler, Apotheker aus Erding, in einem Gastbeitrag für DAZ.online.
Zytostatikaherstellende Apotheken sind zurzeit schwer in der Kritik. Dabei wird nicht selten pauschaliert und von einem Einzelfall wie Bottrop auf die gesamte Branche geschlossen. Niemand will kriminelles Verhalten von Kollegen verteidigen, aber deshalb zu fordern, die gesamte Versorgung wieder in die Klinik zu verlegen, geht eindeutig in die falsche Richtung. Nicht nur, dass Versorgungen in Kliniken generell sehr kostenintensiv sind, auch das Patienteninteresse wird dabei völlig außer Acht gelassen. Deshalb sollen hier Überlegungen zu einer optimierten ambulanten Versorgung angestellt werden.
Nach dem Bericht zum Krebsgeschehen in Deutschland des Robert Koch-Institutes vom November 2016 erkrankten im Jahr 2013 zirka 483.000 Männer und Frauen neu an Krebs. Tendenz steigend. Gleichzeitig lebten rund 1,6 Millionen Menschen in Deutschland mit einer bis zu fünf Jahren zurückliegenden Krebsdiagnose. Viele davon dürften sich 2013 gerade in Behandlung befunden haben. Ohne es exakt belegen zu können, aber mit einer hohen Wahrscheinlichkeit, dürfte der Großteil dieser gut zwei Millionen Menschen eine ambulante Versorgung einem Klinikaufenthalt vorziehen. Voraussetzung: vergleichbare Behandlungsqualität.
Was aber definiert eine gute Behandlungsqualität? Sowohl die medizinische als auch die pharmazeutische Betreuung sollte eine optimale Behandlung ermöglichen. Die Qualität der medizinischen Behandlung soll hier nicht das eigentliche Thema sein, wird aber aus meiner Sicht durch eine gute Zusammenarbeit des erstbehandelnden Tumorzentrums mit der niedergelassenen onkologischen Praxis sichergestellt. Gut funktionierende Tumorkonferenzen aller beteiligten Therapeuten stellen so einen schnellen Wissenstransfer und damit die notwendige Behandlungsqualität sicher. Hier kann viel online und über große Entfernungen geschehen und trotzdem erhält der Patient, ohne selbst beschwerliche Klinikaufenthalte antreten zu müssen, eine gute Therapie, wohnortnah und auf dem Stand der wissenschaftlichen Erkenntnis.
Wie aber funktioniert eine optimierte pharmazeutische Versorgung mit den benötigten Infusionen? Hier ist von den Eigenschaften der eingesetzten Wirkstoffe auszugehen, wie sie in den Fachinformationen durch die pharmazeutischen Hersteller vorgegeben werden. Da viele der Wirkstoffe (im Besonderen die Antikörperlösungen) sehr instabil sind und sie nur sehr kurze Haltbarkeitsdaten aufweisen, muss im Interesse der Patienten eine praxisnahe Herstellung der Infusionen durch Apotheken, die über Reinräume verfügen, angestrebt werden. Leider werden in diesem Bereich, aus vermeintlich finanziellen Erwägungen heraus, die Weichen in eine falsche Richtung gestellt. Ohne beispielsweise das durch die adhoc-Herstellung vor Ort vermeidbare Problem der Rückläufer, die eigentlich vernichtet werden müssten, zu beachten, drängen Krankenkassen im Verbund mit an einer Ausweitung ihrer Marktanteile interessierten Herstellbetrieben (und größeren herstellenden Apotheken) mit Macht auf eine Zentralisierung der Herstellung.
450 bis 500 Apotheken erforderlich
Dabei werden nicht nur die pharmazeutischen Rahmenbedingungen missachtet, sondern auch künftige Entwicklungen vernachlässigt. So werden in den kommenden Jahren Antikörper für neurologische, rheumatologische, gastroenterologische und viele andere Facharztgruppen hinzukommen, deren Herstellung auch von spezialisierten Apotheken (mit Reinräumen) vor Ort übernommen werden sollte. Bereits jetzt werden vermutlich in vielen Arztpraxen bei der Gebrauchsfertigmachung dieser zum Teil hochallergenen und manchmal toxischen Wirkstoffe selbst niedrigste Anforderungen hinsichtlich Produkt- und Personen/Mitarbeiterschutz nicht eingehalten, von der fehlenden Sterilität ganz zu schweigen. Dabei ist auch die Politik gefordert, die § 11 Abs. 2 Apothekengesetz ändern muss, um Zuweisungen für alle parenteralen Zubereitungen (und nicht nur für anwendungsfertige Zytostatikazubereitungen) aus Sicherheitsgründen zu erlauben. Hier sei erwähnt, dass selbst Stand jetzt viele dieser Zubereitungen für die Krankenkassen kostengünstiger kommen als die Abgabe des entsprechenden Fertigarzneimittels.
Berücksichtigt man alle diese Punkte, so sind mehr und nicht weniger Apotheken mit angeschlossenem Reinraum zu fordern. Ideal wäre mindestens eine Apotheke mit Reinraum pro Landkreis oder pro kreisfreier Stadt. Da Städte wie München sicher mehr als eine Apotheke mit Reinraum benötigen, könnte letztlich eine Zahl von 450 bis 500 Apotheken erforderlich sein.
Nur die Herstellung sollte bezahlt werden
Um kriminelle Betrugsfälle wie Bottrop zu vermeiden, sollte nur die Dienstleistung der Herstellung bezahlt werden. Zurzeit gibt es rund 250 herstellende Apotheken, die im Schnitt 13.000 Zubereitungen pro Jahr herstellen (Datenbasis Gamsi 1. Halbjahr 2017). Da in der Zahl der Zubereitungen aber auch Krankenhausambulanzen und abrechnende, nicht selbst herstellende Apotheken enthalten sind (laut VSA ca. 60 Prozent [!] der abgerechneten Zubereitungen), ergeben sich als Zielgröße etwa 3000 bis 5000 Zubereitungen pro Apotheke und pro Jahr, die für einen auskömmlichen Betrieb eines Reinraumes zugrunde gelegt werden müssten. Aus Sicht des Autors müsste deshalb die Dienstleistungspauschale für die Herstellung bei etwa 120 Euro liegen. Bei Umsetzung des vorgeschlagenen Kommissionsmodells (DAZ Nr. 23, 2017, S. 24 ff. und DAZ Nr. 32, 2017, S. 22ff.) würde dieser Betrag pro Herstellung ausreichen. Bliebe aber die Verantwortung für das Handling und die Vorfinanzierung der Arzneimittel weiterhin bei der herstellenden Apotheke, wäre dies mit weiteren drei Prozent des Warenwertes zu vergüten. Nur abrechnende Apotheken sollten aus Gründen der Arzneimittelsicherheit verboten werden, da sie in der jetzigen Form nur zur Intransparenz des Systems beitragen. Sie können gerne einen eigenen Reinraum bauen.
Lesen Sie hier die Zusammenfassung
Schwerkranke Patienten brauchen ein möglichst angenehmes Umfeld für ihren Heilungserfolg. Allein aus diesem psychologischen Grund sollte die flächendeckende ambulante Versorgung mit parenteralen Zubereitungen gefördert werden. Zudem können nur so die für den Behandlungserfolg grundlegenden pharmazeutischen Rahmenbedingungen eingehalten werden. Die Zielgröße von 450 bis 500 Apotheken mit einem angeschlossenen Reinraum kann mit einer Herstellungspauschale von 120 Euro pro Herstellung und etwa 3000 bis 5000 Herstellungen je Apotheke erreicht werden. Ebenso sind aus Gründen der Patientensicherheit dringend einige gesetzliche Anpassungen erforderlich. Nur so kann die Arzneimittelsicherheit bei vertretbaren Kosten sichergestellt werden.
2 Kommentare
Herstellung von Zytostatika ohne behördliche Erlaubnis
von Anonymer Kollege am 29.11.2017 um 23:23 Uhr
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Na klar
von Karl Friedrich Müller am 29.11.2017 um 13:33 Uhr
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