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Ach, wär’ das schön, wenn die Jamaikaner auf ihren derzeitigen Lieblingsbalkon der Parlamentarischen Gesellschaft träten, lässig von da oben grüßten und verkünden könnten: „Wir haben uns geeinigt“ und „Der Rx-Versand wird verboten“. Derweil geht unser Leben da unten weiter. DocMorris musste lernen, die Telefonnummern seiner Kunden abzufragen und Apotheker trauen sich nicht zu impfen. Den Wochen-Lichtblick bringt eine Umfrage: Ärzte und Patienten halten uns für unverzichtbar. Tut echt gut.
30. Oktober 2017
Vom Arzneidrogensammler über den Arzneihersteller und den Logistiker hin zum kompetenten Berater – mal ultraverkürzt dargestellt ist das der Weg des Berufsbilds Apotheker in den letzten 775 Jahren. Das Berufsbild, das man damals und das man heute unter dem „Apotheker“ versteht, hat sich verändert, angepasst, ist mit der Zeit gegangen. Mein liebes Tagebuch, die Sinnkrisen unseres Berufs haben wir Apothekers rückblickend doch ganz gut durchstanden. Eine Umfrage des Online-Seminar-Anbieters „Campus Pharmazie“ unter Apothekern, Ärzte und Patienten zur Frage, ob Apotheker wirklich unverzichtbar und kompetent sind, bringt Lichtblicke: Die meisten der Befragten halten Apotheker für unverzichtbar und kompetent, sogar die Ärzte. Die Beratung, die Apotheker anbieten und leisten, ist für alle nützlich. Sogar für uns, sie bringt uns sogar selbst ein befriedigendes Gefühl, „gut, dass es uns gibt“, „mein Beruf bringt mir Freude“. Ach, mein liebes Tagebuch, tut das nicht echt gut, wenn man mal solche Zeilen schreiben kann? Bloß, wie geht’s nun weiter? Die Welt ist kein Ponyhof und unser kleines, feines Apothekensystem schon gleich gar nicht. Da draußen, da gibt’s die Digitalisierung, da gibt’s den unpersönlichen Billig-Versandhandel und die Konzerne, da gibt’s Politiker, die unseren Wert immer noch nicht richtig kennen und honorieren wollen. Klar, die Arzneimittel und Basisinfos kommen vielleicht irgendwann aus einem Automaten, vom Roboter. Aber was mich zuversichtlich stimmt, dass es auch weiterhin noch uns Apothekers gibt, ist die Tatsache, dass die Menschen nicht schlagartig so klug werden, um auf Apothekers Expertise verzichten zu können. Hier High-Tech-Arzneimittel, dort ein krankes Individuum, ein Mensch, der dieses Arzneimittel, und womöglich zusammen mit weiteren Arzneimitteln, in der richtigen Dosierung, zur richtigen Zeit, in der richtigen Art anwenden muss, ein Mensch, der Gefühle hat und auf Empathie reagiert. Wie unter diesen Vorzeichen die Arzneitherapie gelingt, wie die Anwendung sicher ist und wirksam, das wissen nur wir Apothekers und – trotz aller künstlichen Intelligenz – keine Roboter.
31. Oktober 2017
Kommt da die Quadratur des Kreises oder ein kleines Weltwunder auf uns zu, wenn sich Schwarz-Schwarz, Gelb und Grün auf eine Jamaika-Koalition einigen? Diese Vermutung drängt sich da auf angesichts von Positionen, die diametral auseinander liegen, die gegensätzlicher nicht sein könnten. Wie soll man da zueinander finden? Mein liebes Tagebuch, die täglichen Wasserstandsmeldungen, wo man sich näher gekommen ist und wo nicht, warum man die Gespräche erstmal abgebrochen hat, wo es noch viel Verhandlungsbedarf gibt, die Sticheleien, Scharmützel und Verbalattacken, die wohl als Show dazugehören – irgendwie sehne ich mich nach Ergebnissen. Ich bin ungeduldig, möchte wissen, wie’s weitergeht. Erst recht im Bereich Gesundheitspolitik und Apotheken. Wie nun, kommt ein Rx-Versandverbot oder nicht? Bleibt’s bei GKV und PKV oder kommt die Bürgerversicherung? Gibt’s Cannabis für alle, aus Apotheken? Mein liebes Tagebuch, wenn Politik so einfach wäre… Und auch wenn sich Gröhe mit seinem Rx-Versandverbot schon sehr bald positionierte – fraglich, ob dieses Thema bei Jamaika eine große Rolle spielt, hoffentlich nicht als Verhandlungsmasse.
1. November 2017
Versandapotheken müssen laut Apothekenbetriebsordnung die Telefonnummer ihrer Kunden abfragen, damit sie ihre Kunden beraten können. Eigentlich eine klare, eindeutige Vorschrift, die allerdings DocMorris nicht verstehen wollte. Die Versandapo mit Sitz in den Niederlanden unmittelbar an der deutschen Grenze weigerte sich bisher, in ihren Rezept-Freibriefumschlägen, die sie ihren Werbeflyern beilegt, die Telefonnummer abzufragen. Als niederländische Versandapo deutsche Vorschriften beachten? Und dann noch Vorschriften, die den flotten Abverkauf behindern? Eine deutsche Apothekerin verklagte DocMorris, ein Gericht urteilte: Die Regelung, dass die Telefonnummer abgefragt werden muss, ist auch auf die in den Niederlanden ansässige Versandapo anwendbar. Gefällt DocMorris nicht, aber der Versender gab klein bei und fragt nun nach der Telefonnummer. Mein liebes Tagebuch, da fragt man sich, warum DocMorris nicht gerne und freiwillig die Telefonnummer abfragt – wenn man doch der Politik verkaufen möchte, ach so eine gute Pharmazie zu machen und die Beratung hoch zu hängen. Besonders witzig: Wie zu erfahren war, soll sich DocMorris als ausländische Versandapo durch die Abfrage von Telefonnummern bei der Einsendung von Verschreibungen unbillig behindert gefühlt haben, man stünde schlechter da als deutsche Präsenzapotheken. Mein liebes Tagebuch, geht’s noch? Das Gericht musste dann dem Versender erklären, dass der Vergleichsmaßstab eine deutsche Versandapotheke und nicht die Einlösung einer Verschreibung bei einer Präsenzapotheke sei.
2. November 2017
Sollen Apotheker impfen oder nicht, fragte der Mitteldeutsche Rundfunk. Bessern sich dadurch die Impfquoten? Die meisten Ärzte sind dagegen, Argument: Die Länder mit pharmazeutischer Impfkompetenz hätten keine „durchschlagenden Impferfolge“. Aber selbst der Apotheker, der in der Sendung zu Wort kam, ist skeptisch und will lieber keine Impfkompetenz, Argument: „Wenn was passiert beim Impfen…“ Mein liebes Tagebuch, die Zeit fürs Impfen in der Apotheke scheint in Deutschland noch nicht reif zu sein. Ärztliches Standesdenken und ängstliches Apothekerdenken – da wird nichts draus. Dabei wird Impfen in der Apotheke in den Ländern, wo’s erlaubt ist, von den Kunden überaus gut angenommen, Beispiel Schweiz oder Großbritannien. In der Schweiz lernen die angehenden Pharmazeuten das Impfen mittlerweile bereits im Studium.
3. November 2017
Seine Rosen-Apotheke in Offenbach hat er unlängst verkauft: Hans-Rudolf (Haru) Diefenbach, ein engagierter Vollblut-Apotheker, ein streitbarer Vollblut-Berufspolitiker. Er war der Don Quichote, der immer wieder gegen die Missstände der Lieferengpässe ankämpfte, sie in Funk und Fernsehen anprangerte und der als erster systematisch begann, Defektlisten auszuwerten, um einen Überblick über die besonders kritischen nicht verfügbaren Präparate zu bekommen. Von der ABDA wurde er dabei nie unterstützt. Man hatte manchmal sogar das Gefühl, der ABDA gingen Diefenbachs Aktivitäten zu weit. Mein liebes Tagebuch, Apotheker wie Diefenbach, die nicht jeden ABDA-Beschluss abnicken, die kein Blatt vor den Mund nehmen, mit eigener Meinung, gar selbst aktiv werden, werden bei der ABDA argwöhnisch betrachtet. Doch davon ließ sich Haru Diefenbach nicht beeindrucken, er war und ist selbstbewusst genug, sein Ding zu machen. Und mittlerweile redet man wieder mit ihm. Seine berufspolitischen Aktivitäten startete er bereits 1998 als Kammerdelegierter, in den 1990er Jahren arbeitete er sich in den Kammervorstand des Hessischen Apothekerverbands vor und wurde Vize. Dieses Amt legte er erst im Frühjahr dieses Jahres nieder – die Chemie zwischen ihm und dem damals amtierenden Verbandschef stimmte nicht. Jetzt freut sich Diefenbach auf ein Leben nach der Apotheke, obwohl, so ganz ohne Apothekerei kann er nicht. Er will u. a. Vertretungen machen, die Berufspolitik als Kammermitglied weiter erfolgen und auch beim Apothekertag dabei sein. Mein liebes Tagebuch, hoffen wir, dass er sich auch weiterhin noch oft zu Wort meldet. Dank an Haru Diefenbach, Dank an „Mister Lieferengpass“.
Jamaika und Gesundheit – bisher stand das Gesundheitsthema, geschweige denn so etwas wie ein Rx-Versandverbot bei den Sondierungsgesprächen von CDU/CSU, FDP und den Grünen noch nicht auf der Agenda. Das wird sich möglicherweise schon in der kommenden Woche ändern. Zwei Minister der Union hauen jetzt schon mal Pflöcke ein. Der hessische Gesundheitsminister Stefan Grüttner schickte, stellvertretend für alle CDU/CSU-Landesgesundheitsminister einen Brief an die Kanzlerin, in dem er u. a. deutlich macht, dass der Versandhandel mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln keine flächendeckende und 24-stündige Versorgung sicherstellt – „er ist daher zu untersagen (Saarland lehnt dies ab)“. Mein liebes Tagebuch, das ist doch mal Klartext. Und was das Saarland angeht, so weiß man dort selbst nicht, wie der Passus entstanden sei, denn auch dort stehe man dazu, den Rx-Versandhandel zu untersagen. Auch die bayerische Gesundheitsministerin Melanie Huml gibt ihrem Landeschef Seehofer einen Brief mit auf den Weg nach Berlin, in dem sie explizit darauf hinweist, dass ein Verbot des Versandhandels von verschreibungspflichtigen Arzneimitteln für sie von „besonderer Bedeutung“ ist. Mein liebes Tagebuch, jetzt müssen sich die Union und Bundesgesundheitsminister Gröhe nur noch gegen die gelb-grüne Gefahr durchsetzen.
6 Kommentare
Hoppla, meine Lieben - wenig los, was !?
von gabriela aures am 05.11.2017 um 21:00 Uhr
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AW: Hoppla, meine Lieben - wenig los, was
von Karl Friedrich Müller am 06.11.2017 um 7:48 Uhr
AW: P.S. Wo stecken denn alle ?
von Bernd Jas am 06.11.2017 um 8:54 Uhr
AW: p.s. Wo stecken denn alle?
von Christian Giese am 06.11.2017 um 15:27 Uhr
Ich verstehe nichts
von Karl Friedrich Müller am 05.11.2017 um 14:00 Uhr
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Da Reggae mi uff...
von Bernd Jas am 05.11.2017 um 10:21 Uhr
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