Die letzte Woche

Mein liebes Tagebuch

22.02.2015, 08:00 Uhr


Ach, alles halb so schlimm mit den Amis und TTIP, die wollen doch nur ein bisschen spielen, sagt das Bundesgesundheitsministerium und meint, dass im Apothekenrecht alles bleibt wie’s ist. Mein liebes Tagebuch, sind wir da ganz böse, wenn wir daran nicht so recht glauben wollen? Genauso wenig wie daran, dass Lieferengpässe nur vorübergehend ein Problem sind. Oder dass sich Apothekerverband und GKV-Spitzenverband auf kein Nullretax wegen Formfehlern einigen können. Immerhin, bald gibt’s die „Pille danach“ als OTC, aber bitte nicht im Versand, meint der Bundesrat. Kein Faschingsscherz: Eine Apotheke gibt Patienten, die ihr einen Besuch beim Onkel Doktor nachweisen, zwei Taler! Und ein Gericht sagt: jawoll, so geht’s. O sancta simplicitas!

16. Februar 2015

Rosenmontag. Dazu passt das Schreiben des Bundesgesundheitsministeriums an die ABDA: Man gehe nicht davon aus, so das BMG, dass die in Deutschland geltenden Regelungen im sensiblen Bereich des Apothekenrechts durch das mit den USA geplante Freihandelsabkommen TTIP aufgeweicht werden. Mein liebes Tagebuch, man merkt, dass das BMG mit erstem Dienstsitz immer noch im Rheinland, in Bonn sitzt. Das Schreiben muss in der Karnevalszeit verfasst worden sein. Woher sonst kommt diese Unbekümmertheit des BMG, das TTIP bedeute keine Gefahr für unser Apothekensystem? Selbst wenn es in den bisherigen TTIP-Verhandlungen keine Anhaltspunkte für eine Aufweichung bestehender deutscher Gesetze und Einschränkungen im Apothekenbereich geben sollte: Was ist, wenn amerikanische Megakonzerne über nicht öffentliche Schiedsgerichte ihre Interessen einklagen? Da fliegen uns nicht nur die Chlorhühnchen um die Ohren. Mein Tipp für TTIP: Mehr Informationen dazu gibt’s beim ApothekenRechtTag auf der Interpharm in Hamburg am 6. März um 14 Uhr: "TTIP-Freihandelsabkommen und EU-Kommission: Angriff auf das Fremdbesitzverbot – reloaded?".

17. Februar 2015

Faschingsdienstag. Wie gaga ist das denn? Eine Apotheke gewährt ihren Kunden zwei Taler für einen nachgewiesenen Besuch bei einem Arzt. Und das verstößt nicht gegen das Wettbewerbsrecht, hat das Landgericht Bochum entschieden. Denn, so das Gericht, bei dieser Werbung fehle die Verknüpfung mit der Vorlage eines Rezepts oder dem Erwerb von Waren. Die Richter gehen dabei nicht davon aus, so heißt es, dass hierfür die Einlösung eines Rezeptes erforderlich ist. Haha, mein liebes Tagebuch, das ist richtig bizarr. Klar, formaljuristisch mag da keine Verknüpfung bestehen. Nur, wie schnell hätte sich diese Apothekenaktion wohl erledigt, wenn die Kunden ihren Arztbesuch nachweisen, sprich ihre Verordnung vorzeigen, zwei Taler abgreifen und ihr Rezept dann in einer anderen Apotheke einlösen! Muss ein Gericht nicht auch die Absicht dahinter sehen? Und ganz abgesehen davon: Wie weit ist es mit diesem Taler-Gedöns gekommen! Kein seriöses Fachgeschäft schüttet seine Kunden mit Talern zu. Aber Apotheken. Mein liebes Tagebuch, kennst Du das Fremdschämen? Es überkommt mich, wenn ich die Apotheken-Taler sehe.

Um Lieferengpässe ist’s ruhiger geworden? Von wegen! Es gibt sie im Apothekenalltag nach wie vor, zum Teil mehr denn je. Das Dumme: Mittlerweile tritt bei manchen Gewöhnung an den Mangel ein. Wer hier genau Bescheid weiß, ist, nein, nicht das Apothekerhaus in Berlin, sondern Lieferengpass-Kommissar Haru Diefenbach vom HAV. Er hat die Defektlisten von 130 Apotheken bundesweit gesammelt und ausgewertet – mit erschreckendem Ergebnis. Lieferengpässe nehmen immer mehr Breite im Gesamtsortiment ein und: Teile der Substitutionsausschlussliste könnten gar nicht erfüllt werden. Spätestens jetzt: Müsste das nicht auch die ABDA interessieren? Wäre es nicht an der Zeit, politisch Alarm zu schlagen?

Immerhin, die Attacke von DAK-Chef Rebscher, mit der er die Nullretaxationen rechtfertigt, lässt Fritz Becker vom Deutschen Apothekerverband nicht kalt: „Wir Apotheker versorgen tagtäglich rund um die Uhr Millionen Patienten mit lebenswichtigen Arzneimitteln, aber einzelne Krankenkassenvertreter glauben offensichtlich, die Zeche dafür prellen zu können. Das ist ebenso unverschämt wie inakzeptabel.“ Einzelne Kassen müssten aufpassen, so Becker weiter, dass sie nicht in Verdacht gerieten, Nullretaxationen als Kostenkürzungsinstrument zulasten ihrer eigenen Versicherten zu missbrauchen. Mein liebes Tagebuch, mal ehrlich, diesen Verdacht haben wir doch schon lange! Die Akribie, mit der Kassen über zwischengeschaltete Rezeptprüfungszentren jeden falsch gesetzten i-Punkt monieren und gelieferte, zum Teil teuerste Arzneimittel nicht bezahlen, ist für uns mehr als ein Beweis: Hier kann’s nur um Kostenreduktionen gehen.

18. Februar 2015

Der Aschermittwoch holt uns in die Realität zurück: Die „Pille danach“ wird in Deutschland nicht so schnell ein ganz normales OTC-Arzneimittel werden. Mit Blick auf ihre bevorstehende Entlassung aus der Verschreibungspflicht haben mehrere Bundesländer über den Bundesrat ein Versandhandelsverbot für Notfallkontrazeptiva auf den Weg gebracht. Begründung: Der Versandhandel kann nicht rasch genug liefern, und die Beratung findet nicht von Angesicht zu Angesicht statt. Mein liebes Tagebuch, die Linke meint, das habe ein „ideologisches G‘schmäckle“. Hat es, aber die Bedenken sind nicht ganz aus der Luft gegriffen. Nur, ob sich das halten lässt? Pharmazeutisch gesehen könnten einem noch mehr OTCs einfallen, die unbedingt einer intensiven Beratung face to face bedürften. Andererseits, mit einem Versandhandelsverbot für die „Pille danach“ würde dem Versandhandel gezeigt, dass er ’ne Apotheke zweiter Klasse ist: langsam in der Belieferung – und mit der Beratung: na ja. Das mag Versandhandelsgegner freuen, weg bekommt man ihn damit nicht.

19. Februar 2015

Nach Meinung der gesundheitspolitischen Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion, Hilde Mattheis, gibt es keinen Grund für ein Versandhandelsverbot bei der „Pille danach“. Sie sieht, ähnlich wie die Linke, hinter dem Vorstoß des Bundesrats eine Fortsetzung der ideologisierten Debatte um die Rezeptpflicht der „Pille danach“. Im Interesse der Frauen gebe es keinen Grund, diesen Bezugsweg rechtlich auszuschließen. Außerdem gebe es keine Unterschiede in der Beratungsqualität zwischen Versand- und Vor-Ort-Apotheke. Mein liebes Tagebuch, ich hab mal Kunden von Versandapotheken gefragt: Keiner hat jemals einen Beratungsanruf einer Versandapo erhalten. Egal, die Politik will sie, sie liebt sie, die Versandapotheke, die OTC-Freiwahl für Jedermann.

20. Februar 2015

Kann man, soll man, muss man – heute noch eine Apotheke eröffnen? Vor dreißig Jahren gab es sie noch, die weißen Flecken auf der Landkarte, die nach einer Apothekenneugründung lechzten. Und kurz nach der Wende, da fanden einige Unternehmerapothekers ihre Chance im Osten. Aber heute? Alles dicht, alles zu? Apothekenberater und -makler raten fast nur noch zu einer Übernahme. Da gibt’s in der Tat noch Schnäppchen und Filetstückchen, wenn man das nötige Kleingeld mitbringt. Aber eine Neugründung? Selbst Banken sind zurückhaltend. Und trotzdem, wenn die Voraussetzungen stimmen, kann der Sprung in die Selbstständigkeit durch Übernahme oder Neugründung reizvoll sein. Mein liebes Tagebuch, in der nächsten DAZ gibt’s das Schwerpunkt-Thema Existenzgründung mit Beiträgen von Steuerberatern, Maklern und Experten.

Ganz aktuell: Wir haben einen Apotheker gefunden, der in der vergangenen Woche seine zweite Filiale eröffnete, keine Übernahme, sondern in neuen Räumen. Am Rande der Stuttgarter Innenstadt, dort, wo es schon die eine oder andere Apotheke gibt. Mein Gespräch mit ihm – er erzählte mir von seinen Erwartungen, von seinen Schwierigkeiten, von Höhen und Tiefen – habe ich in einem kleinen Bericht für die nächste DAZ zusammengefasst. Wir werden ihn und die Entwicklung seiner Filiale in den nächsten Monaten begleiten und in Abständen darüber berichten. Wird spannend.


Peter Ditzel


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