Die letzte Woche

Mein liebes Tagebuch

20.09.2015, 08:00 Uhr

Rückblick auf die letzte Woche (Foto: imagesab - Fotolia.com)

Rückblick auf die letzte Woche (Foto: imagesab - Fotolia.com)


Man kann nur noch den Kopf schütteln, es kommt Verzweiflung auf, Depresssion macht sich breit – wenn man auf diese Apotheker-Woche zurückschaut. Apotheken kämpfen mit Hochpreisern; Retaxfallen wo man hinschaut; bittersüße Glaeske-Worte für ein Beratungshonorar, aber ohne Wege; Honorar ohne ABDA-Plan; keine Wertschätzung des Apothekers durch die Regierung; ABDA kein Interesse an Lieferengpassverzeichnis. Und, mein liebes Tagebuch, da ist es kein Wunder, wenn junge Pharmazeuten nicht in die Apotheke drängen – denn dort arbeiten Apotheker zweiter Klasse. 

14. September 2015

Die Hochpreiser-Problematik schreit nach einer Lösung, mein liebes Tagebuch. Welche  Durchschnittsapotheke kann sich noch leisten, mehrere zehntausend Euro teure Arzneipackungen in den Schubladen liegen zu lassen? Apotheker sind keine Autoverkäufer! Nicht auszudenken, wenn auf einem solchen Rezept ein läppischer Formfehler übersehen und die Kasse auf Null retaxieren würde. Und was wäre, wenn die Packung versehentlich beschädigt wird oder das Verfalldatum abgelaufen ist? Selbst der Großhandel scheint diese Arzneimittel anzufassen wie eine heiße Kartoffel. Außerdem: Immer mehr Hersteller liefern hochpreisige Arzneimittel nur noch direkt. Haru Diefenbach sei Dank, dass er sich neben den Lieferengpässen auch dieser Problematik annimmt. Er fragte bei den Kolleginnen und Kollegen nach, wie sie mit dieser Problematik umgehen. Die ersten Umfrageergebnisse klingen ernüchternd. Während für große, liquide Apotheken das noch kein Problem darstellt, sollen manche kleineren Apotheken den Patienten sogar Lieferverzögerungen vortäuschen in der Hoffnung, der Patient steuert mit seinem teuren Rezept eine andere Apotheke an. Viele Apotheken überlegen bereits, wie sie die Vorfinanzierung dieser teuren Präparate stemmen – das geht angeblich sogar soweit, dass das eigene Haus als Sicherheit angeboten wird – letztlich nur, um Patienten mit diesen teuren Präparaten versorgen zu können. Nach einer geordneten Arzneiversorgung sieht das alles nicht aus. Soll da der Gesetzgeber tätig werden?

15. September 2015

Für das Entlassmanagement hat der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) eine konkrete Regelung zu erarbeiten, heißt es im GKV-Versorgungsstärkungsgesetz. Der Entwurf liegt nun vor und wartet auf Stellungnahmen. Und das (und noch mehr) steht drin:  Wenn der Patient an einem Freitag oder vor einem Feiertag aus dem Krankenhaus entlassen wird, kann ihm das Krankenhaus „die für die Versorgung erforderlichen Arzneimittel mitgeben“. Wird der Patient unter der Woche entlassen, dürfen die Krankenhäuser ein Kassenrezept mitgeben, das dann allerdings „Arzneiverordnungsblatt“ heißt und als solches gekennzeichnet sein muss. Nur die kleinste Packungsgröße darf verordnet werden. Und jetzt aufgepasst: Die Apotheke darf solche Krankenhausverordnungen nur innerhalb von drei Werktagen beliefern, Änderungen und Ergänzungen zu einer Verordnung bedürfen einer erneuten Unterschrift und Datumsangabe. Mein liebes Tagebuch, was für den Patienten als eine an sich vernünftige Regelung daher kommt, bedeutet für uns Apothekers höchste Aufmerksamkeitsstufe. Denn die Retaxfallen wegen Formfehlern sind geradezu bilderbuchhaft. Bleibt die Hoffnung, dass die Schiedsstelle Retaxationen aufgrund heilbarer Formfehler endlich abschafft.

 

Glaeskes Beratungshonorar für Apotheker war ein Aufreger. Der Radiobeitrag des Apothekers und Gesundheitsökonoms Professor Gerd Glaeske, der Apothekern auch bei rezeptfreien Arzneimitteln ein Beratungshonorar zukommen lassen möchte, sorgte für lebhafte Diskussionen. Der Apotheker soll unabhängig beraten und auch abraten können, so Glaeskes Credo – und das ginge nur, wenn der Apotheker an der Beratung verdiene und nicht an der verkauften Packung. Ja, wieso eigentlich nicht? Was ist daran so zum Aufregen? Ist es nicht das höchste und hehre Ziel eines jeden heilberuflich tätigen  Apothekers, für seine Beratungsleistung honoriert zu werden? Ups, mein liebes Tagebuch, klingt gut und staatstragend. Und nach mehr. Fände ich auch schön. Richtig edel. Aber die Praxis! Der Kunde wird in der Apotheke befragt, beraten, erhält eine Ware, sprich Arzneimittel, und bezahlt dafür. Und wenn abgeraten wird und er keine Ware erhält, gibt’s kein Cash. So einfach ist das. Wie will man den seit gefühlten Jahrtausenden auf dieses Procedere konditionierten Kunden umerziehen – damit er für Worte bezahlt? Cash auch ohne Ware? Und das in einer Apotheke? Das kommt einem Systemwechsel gleich. Da hat’s unser Heilberufsbruder Arzt wesentlich leichter, für seine Beratung honoriert zu werden, auch fürs Abraten („hören Sie mit dem Rauchen auf“, „essen Sie weniger fett“, nehmen Sie diese Arzneimittel nicht mehr“) – das wird im Hintergrund mit der Kasse abgerechnet, der Patient zückt nicht sein Portemonnaie. Also mein liebes Tagebuch, nette Vorschläge des Ökonomen, schade nur, dass er den Weg dahin nicht aufzeigt. Aber man kann ja mal drüber plaudern.

16. September 2015

Also, mein liebes Tagebuch, ist ja ausgesprochen nett von einigen Krankenkassen wie der Schwenninger BKK oder der TK, dass sie die Friedenspflicht verlängern und uns Apothekers nicht retaxieren, wenn Doktors nicht mehr wissen, wie sie mit Vornamen heißen oder ihre Telefonnummer nicht auf dem Rezeptformular preisgeben wollen. Und was machen die anderen Kassen? Retaxieren die uns jetzt gnadenlos, wenn wir übersehen haben, dass Dr. Müller eigentlich Dr. Kevin Müller heißen muss? 1 x 28 Sovaldi 400 mg für 17.855,51 Euro auf Kassenrezept, aber ohne Arztvorname oder Arzt-Telefonnummer kostet die Apotheke 17.855,51 Euro – und die Kasse tanzt Freude. Das kann’s nicht sein!

17. September 2015

Neulich auf der Kammerversammlung in Kiel: In der ABDA, so hieß es, werde offenbar über einen Plan B für die Apothekenhonorierung diskutiert. Ja, mein liebes Tagebuch, ist denn heut schon Weihnachten? Dass wir das noch erleben dürfen. Ein Plan B! Diskutiert! Ich fass es nicht. Nein, im Ernst: Wir wollen doch mal hoffen, dass da ein bisschen mehr als ein Plan B oder C schon diskussionsreif in der Schublade liegt. Wie weiter auf der Kammerversammlung zu hören war, könnte ein solcher Plan – falls keine akzeptable Methodik für die Erhöhung des Festzuschlags gefunden wird – neue Strukturkomponenten enthalten, die sich am Versorgungszeitraum für die Versicherten orientieren könnten – wie auch immer man sich das vorstellen soll. Tja, und es wurde nochmal deutlich gesagt, dass erst eine neue Rechenmethodik für unsere Honoraranpassung gefunden werden müsse, bevor man mit Nachdruck eine Anpassung des Festzuschlags fordere. Interessant waren auch allgemeine Überlegungen zum Kostenfaktor Apotheke. Aufgrund hoher Preisnachlässe, die manche Apotheke den Kunden für OTC-Arzneimittel gewähre, entstehe der Eindruck, es gehe auch billiger – und vor diesem Eindruck könnte die Politik entscheiden, hieß es da. Mein liebes Tagebuch, das ist das Fatale: Einerseits fordert die Politik Preiswettbewerb von den Apotheken. Und wenn sie in den Wettbewerb gehen, dann nimmt die Politik das als Anlass, die Honorare nicht zu erhöhen. Schon super, oder?

 

Diese Bundesregierung versteht man nicht mehr – wenn es um die Einschätzung des Apothekerberufs geht. Aus den Gegenäußerungen der Bundesregierung zu den Bundesratsempfehlungen zum eHealth-Gesetz ist zu entnehmen: Sie, die Bundesregierung, hält nichts davon, die Patienten wählen zu lassen, ob sie ihren Medikationsplan vom Arzt oder Apotheker erstellen lassen. Die Begründung: Nur dem behandelnden Arzt stünden alle hierfür erforderlichen Informationen im Rahmen der Ausübung seiner ärztlichen Tätigkeit zur Verfügung. Die Apotheker sollten aber dazu verpflichtet werden, auf Wunsch des Patienten den Medikationsplan zu aktualisieren. Mein liebes Tagebuch, alle sachlichen überzeugenden Argumente der ABDA, die auch in ein Votum des Bundesrats einflossen, prallten am der Regierung ab. Ist das die Wertschätzung des Apothekers? Immerhin, es gibt noch Hoffnung, heißt es. Der Bundestag könnte dies noch im Lauf des parlamentarischen Verfahrens ausbessern. Ob wir das noch erleben dürfen?

18. September 2015

Der Antrag des letztjährigen Apothekertags, die ABDA solle ein elektronisches Verzeichnis einrichten, in das Apotheken Lieferengpässe eintragen, wird die ABDA nicht weiter verfolgen, wie jetzt bekannt wurde. Der Antragsteller, die Kammer Thüringen, beabsichtigte damit, die Versorgungssituation unabhängig von Herstellerangaben zu dokumentieren, um auch das Bundesgesundheitsministerium zum Handeln zu zwingen. Nach Abwägung des Aufwand- und Nutzen-Verhältnisses lässt die ABDA ihre Finger davon. Mein liebes Tagebuch, man hat das Gefühl, dass die ABDA an das Thema Lieferengpässe nicht ran will. Jedenfalls tut sie augenscheinlich so gar nichts auf diesem Gebiet. Warum eigentlich? Weil Lieferengpässe noch keine Versorgungsengpässe nach sich ziehen, wie es so schön heißt? Zum Glück gibt es die Privatinitiative von Apotheker Haru Diefenbach, der Defektlisten auswertet und versucht, die Situation der Lieferengpässe zu dokumentieren. Sonst könnten die Apotheker in der Öffentlichkeit keine Zahlen vorweisen.

 

Als ich vor Kurzem mit PhiPs (Pharmazeuten im Praktikum – wobei 90 Prozent von ihnen weiblich waren) aus verschiedenen Studienorten Baden-Württembergs an einem Infoabend zusammentraf, fragte ich einige, ob sie schon wüssten, wo sie denn nach dem Examen arbeiten wollten. Einige waren sich zwar noch nicht sicher, aber viele, sehr viele liebäugelten mit einem Arbeitsplatz in der Industrie. Auch die Krankenhausapotheke stand weit oben auf der Wunschliste. In die öffentliche Apotheke dagegen als Wunscharbeitsplatz drängten, gefühlt, wesentlich weniger als früher (kein Wunder, wenn Apotheken händeringend pharmazeutische Mitarbeiter suchen). Warum das so sei, wollte ich wissen. Keine befriedigende Arbeit, keine richtige Pharmazie mehr, zu viel Bürokratie und nicht zuletzt geringere Verdienstmöglichkeiten gehörten zu den Antworten. Außerdem, so hörte ich, werde man an so manchem pharmazeutischen Institut von Assistenten fast mitleidig angesehen, wenn man als Arbeitsplatzwunsch die öffentliche Apotheke nenne. „Man kommt sich vor, wie ein Apotheker zweiter Klasse“, sagten mir zwei PhiPs. Mein liebes Tagebuch, klar, das sind Einzelmeinungen und persönliche Eindrücke. Aber kündigt sich da schon ein neuer Trend an? Die besten Pharmazeuten gehen in die Industrie, die Pharmazeuten, die „echte“ Pharmazie machen, gehen in die Krankenhausapotheke und der Rest, na ja, für den bleibt die öffentliche Apotheke als Erfüllungsgehilfe von Arzt, Krankenkasse und Bürokratie? Ist das Ansehen des Berufsbilds des Apothekers in der öffentlichen Apotheke auf Talfahrt?


Peter Ditzel (diz), Apotheker / Herausgeber DAZ
redaktion@deutsche-apotheker-zeitung.de


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