Diätpillen aus dem Netz

Verbrauchertäuschung mit dem guten Ruf der Apotheke 

Stuttgart - 28.07.2016, 09:15 Uhr

Eine Reporterin berichtet über ihren Diäterfolg mit Mitteln aus der Apotheke. Die Geschichte ist jedoch frei erfunden. (Foto: Screenshot / DAZ)

Eine Reporterin berichtet über ihren Diäterfolg mit Mitteln aus der Apotheke. Die Geschichte ist jedoch frei erfunden. (Foto: Screenshot / DAZ)


„Wie man 12 Kilo in nur 30 Tagen abnehmen soll!“ Im Internetportal „Apotheken-Nachrichten“ berichtet eine Reporterin über ihren Abnehmerfolg mit Schlankheitsmitteln – angeblich aus der Apotheke. Bei genauerem Hinsehen zeigt sich: die Geschichte ist frei erfunden. 

Im August 2014 berichtete DAZ.online über Werbung für die vermeintlichen Schlankheitsmittel „Redunovin“ und „Oxitamin“. Auf verschiedenen Internetseiten hatte eine angebliche Reporterin unter verschiedenen Namen über ihren Selbstversuch mit den Diätpillen und ihren durchschlagendem Abnehmerfolg berichtet. Die Namen der Portale – „Apotheken Woche“ und „Apotheken Welt“ – sollten die Glaubwürdigkeit unterstreichen.

Beworben wurde eine „Superkombination“ mit Acai Beere, weißem und grünem Tee, Guarana und anderen „Power-Nahrungsmitteln“ mit Abnehmgarantie, ohne Nebenwirkungen und ohne JoJo-Effekt. Bei genauerem Hinsehen entpuppte sich die Geschichte als frei erfunden. Das Bild der Reporterin stammt aus einer Bilddatenbank, jeder Klick auf die weiteren Rubriken der vermeintlichen Apothekenseiten führt auf eine Bestellseite mit einem Leserangebot – das immer genau bis zum nächsten Tag läuft.

Neue Namen, selbe Werbemasche

2016 sind zwar Redunovin und Oxitamin offensichtlich weitestgehend aus dem Netz verschwunden. Die Werbemasche gibt es aber immer noch. Die Reporterin heißt diesmal Jutta-Maria Schuster. In den „Apotheken-Nachrichten“ berichtet sie über ihren Abnehmerfolg. Ihr Erfolgsrezept: das Schlankheitsmittel „Redupexal", das die „Superkombination mit der Acai Beere, weissem Tee, grünem Tee, afrikanischer Mango und anderen Power-Nahrungsmitteln“ enthält, in Kombination mit dem „Darmreiniger Detoxon“, der unter anderem den Jojo-Effekt verhindern und den Bauchumfang reduzieren soll. Darunter findet sich eine Vielzahl von begeisterten Leserkommentaren vom heutigen und gestrigen Tag. Leider ist die „Rubrik Kommentare zur Zeit wegen Spam geschlossen.“ – war sie allerdings an den Tagen zuvor auch schon.

Die Probeangebote enden am nächsten Tag. Der Klick auf die weiteren Rubriken, wie „Fitness“, „Sex und Liebe“, „Gesundheit“ oder „besser nackt aussehen“ führt jedes Mal auf eine Bestellseite für den „Langzeitschlankmacher aus der Apotheke“. Kommt einem doch irgendwie bekannt vor, oder? Neben zahlreichen Rechtschreibfehlern findet sich im Text der Bestellseite an einer Stelle der Name des alten Produkts „Redunovine“. Ob das wohl beim Austauschen der Präparatenamen übersehen wurde?

Das Bild von Jutta Schuster auf der Seite findet sich in einer bekannten Bilddatenbank. Die anderen abgebildeten Erfolgsstories stammen laut der „Gesundheitsschau“, einer Website, die diese Diätpillenmaschen schon mehrfach aufgedröselt hat, anderswo aus dem Internet, zum Beispiel aus Abnehm-Blogs. Mit den beworbenen Schlankheitspillen haben sie nichts zu tun. 

Fotos: Screenshots / DAZ
Verblüffende Ähnlichkeit zwischen der angeblichen Reporterin und dem Foto aus der Bilddatenbank. 

Vieles deutet auf ein unseriöses Angebot hin

Wie auf der Bestellseite finden sich bei genauerem Hinsehen in den „Apotheken-Nachrichten" viele kleine Ungereimtheiten. Unter anderem Hinweise darauf, dass Inhalte ausgetauscht wurden – und das offensichtlich mit wenig Sorgfalt. So verliert man beispielsweise laut dem sogenannten Title-Tag, also dem Text der in der Tableiste zu lesen ist, „reelle 14 kg Bauchfett“ (siehe Foto). Die Headline auf der Seite spricht von zwölf. 

Screenshot / DAZ

Auch bei der Datenschutzrichtlinie passt der Title-Tag „Apotheken-Woche“ nicht. Dieses Portal, auf dem ähnliche Abnehm-Märchen zu finden waren, scheint mittlerweile verschwunden zu sein – der Title-Tag wohl ein Relikt. Wie das passiert, ist leicht zu erklären: Überschreibt man lediglich die Inhalte auf einer Seite, ändert sich der Title-Tag in der Regel nicht automatisch mit. 

Hinter den Apotheken-Nachrichten steht die Firma „ABC Food Systems“, die ihren Sitz in Ägypten hat. Im Impressum sößt man auf die „Quadriga Development Ltd" – Firmensitz ist London. So finden sich zahlreiche Kleinigkeiten, die auf ein unseriöses Angebot hindeuten – von dem utopischen Versprechen in 30 Tagen 12 Kilo zu verlieren – und das auch noch wie von selbst – mal ganz abgesehen. 

Bei der Suche im Netz nach der „Quadriga Development Ltd" stößt man auf eine Vielzahl von Berichten, die vor Verbrauchertäuschung durch diese Firma warnen. 

Der gute Ruf wird missbraucht

Dubiose Angebote für Wunderdiätpillen gibt es im Netz unzählige. Besonders ärgerlich an dieser Masche, die offensichtlich mit leichten Abwandlungen immer wieder auftaucht: Sie missbraucht den guten Ruf der Apotheke für fragwürdige Produkte. Verbraucher bringen Apothekern großes Vertrauen entgegen. Laut der Reader´s Digest Studie „Trusted Brands 2015“, teilen sich Apotheker mit den Piloten in Deutschland den dritten Platz im Vertrauens-Ranking der Bevölkerung.

Neben den erfundenen Erfahrungsberichten in den vermeintlichen Apothekenzeitschriften Apotheken-Woche, Apotheken-Welt oder Apotheken-Nachrichten finden sich übrigens Anzeigen in zahlreichen Medien (zum Beispiel Sächsische Zeitung, Berliner Kurier) für „Redupexal und Detoxon: Die Abnehmkombi aus der Apotheke“. 


Die Bestellseite für „den Langzeitschlankmacher aus der Apotheke“ wirbt sogar mit einem Siegel „in der Apotheke erhältlich“ (siehe Foto). Im Gegensatz zu vielen anderen „Fakten“ zu den beiden Produkten, ist letztere Aussage tatsächlich wahr. Laut Vertriebsinformation der Lauer-Taxe können Apotheken die angeblich apothekenexklusiven Wundermittelchen ab einer Mindestbestellmenge von fünf Packungen beim Hersteller, der Londoner Quadriga Development Ltd, direkt beziehen. 

Keine gesundheitsgefährdenden Stoffe

Die gute Nachricht: Zumindest in den Vorläuferprodukten Redunovin und Oxitamin waren keine gesundheitsgefährdenden Stoffe enthalten. Das hatte eine Recherche des MDR vor zwei Jahren ergeben. Somit beschränkt sich der Schaden auf den Geldbeutel. Denn, wie der MDR ebenfalls berichtete, eine fettreduzierende Wirkung konnte für keine der Diätpillen wissenschaftlich bestätigt werden.



Julia Borsch, Apothekerin, Chefredakteurin DAZ
jborsch@daz.online


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