2. Hamburger Pharma-Tag

Patienten im Internet: Lost in Information

Hamburg - 05.06.2014, 09:08 Uhr


Das Internet bietet einen reichhaltigen Fundus an Informationen zu Gesundheit und Krankheit – aber in der nutzenbringenden Auswertung geht noch nicht viel zusammen. Dies stellte Marktforscher Dr. Alexander Schachinger beim 2. Hamburger Pharma-Tag fest. Rund 40 Millionen Deutsche seien in Deutschland regelmäßig auf dem „digitalen Basar“ unterwegs, wie eine aktuelle Befragung zeige.

Die „ePatient-Studie 2014 in Deutschland“ liefere einen Einblick in die Gewohnheiten der User, berichtete Schachinger. Ihr zufolge sucht die Mehrheit nach Verzeichnissen von Versorgern und Medikamenten und Medizingeräten – nach Apps suchen danach die wenigsten. Es zeigten sich auch positive Auswirkungen auf Therapie und Adhärenz, so Schachinger. Die Patienten gäben an, dass sie ihre Behandlung und die Anweisungen der Ärzte besser verstehen. Zudem werde die Compliance in der Arzneimitteleinnahme erhöht. „Wenn jemand eine chronische Therapie hat, wird er irgendwann online-Experte“, meint er.

Im Hinblick auf die Angebotsseite gibt es seiner Aussage zufolge im Raum Deutschland, Österreich und der Schweiz rund 2000 Webseiten zum Thema Krankheit und Gesundheit. Hier herrsche allerdings eine sehr starke Marktkonzentration: Die „Haupt-Musik“ spielten mit 50 Prozent des Marktes 20 Internetseiten. Dabei liege die größte Marktmacht bei den Verlagshäusern, gefolgt von den Versandapotheken. Die eigentlichen Akteure im Gesundheitswesen – Pharmaunternehmen, Kassen, Verbände, Behörden und Kliniken – seien dagegen in der Reichweite deutlich schwächer.

Der Angebotsmarkt wächst Schachinger zufolge ständig und bietet immer wieder neue Informationspfade und Mehrwerte. Ärzteportale für virtuelle Forendiskussionen wie „coliquio“, „esanum“ oder das britische „doctors.net.uk“ schießen wie Pilze aus dem Boden – auf einigen Webseiten können Patienten ihre Therapie auch selbst vergleichend evaluieren. Hier macht der Marktforscher ein enormes Potenzial für die Entwicklung digitaler Dienste, für die Versorgungsforschung oder deren Optimierung oder auch für Marketing-Strategien aus. Aber: „Da läuft noch nichts richtig zusammen“, bedauert er.

Zudem seien noch viele rechtliche Fragen zu klären, um das Wissen, das hierbei geschaffen wird, strukturiert und nutzenbringend auszuwerten. In Deutschland existierten quasi zwei parallele Gesundheitsmärkte, der klassische der Gesundheitsversorgung und der Internetmarkt. Während hierzulande bislang noch keine Vernetzung existiere, funktioniere dies in anderen Ländern schon erheblich besser. Schachinger regte an, das Thema „Patienten im Internet“ zu einem neuen Forschungszweig zu machen. Derzeit hält er es in Deutschland noch für „frappierend unterschätzt“.


Dr. Helga Blasius


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