Celesio AG

Pinger baut Konzernstruktur radikal um

Stuttgart - 08.06.2012, 10:54 Uhr


Am Mittwoch hatten Indiskretionen über einen angeblichen Machtkampf in der Celesio-Unternehmensspitze den Stuttgarter Pharmahändler aufgeschreckt: Der langjährige für den Gehe-Großhandelsbereich zuständige Celesio-Vorstand Wolfgang Mähr solle gemobbt, aus der Führungsetage gedrängt werden, so die Spekulation. Jetzt schafft Celesio Klarheit und stellt Mähr vor vollendete Tatsachen.

Mit Wirkung zum 1. Juni habe der Celesio-Aufsichtsrat beschlossen, die Konzernstruktur umzubauen: „Den Bereich Operations wird Wolfgang Mähr als Chief Operating Officer (COO) führen. Er übernimmt zusätzlich die Verantwortung für die Landesgesellschaften Deutschland, Österreich, Frankreich, Belgien und Portugal“, so die heutige Pressemitteilung. Celesio-Chef Pinger stellt seinen Vorstandskollegen offenbar vor vollendete Tatsachen. Im Klartext: Mähr kann zu diesen Bedingungen bleiben – oder gehen. Gerüchten zufolge wurde der Aufsichtsrat bereits gebeten, mit Mähr über seine Vertragsauflösung zu sprechen. Erst letzten Herbst hatte der Aufsichtsrat Mährs Vertrag verlängert, obwohl auch Mähr zur alten Führungsriege der Oesterle-Ära gehörte und sich im Machtkampf auf die Seite Oesterles geschlagen hatte.

Dies und die zeitliche Abfolge der Entscheidungen und Veröffentlichungen deuten darauf hin, dass es im Celesio-Vorstand nicht besonders harmonisch zugeht. Vor allem rätselt die Umgebung Pingers darüber, wie immer wieder Firmeninterna in die Öffentlichkeit gelangen. Offenbar gibt es im engsten Führungskreis oder dessen Umgebung einen „Maulwurf“, der gezielt Indiskretionen in die Medien trägt.     

Die anderen Vorstandsaufgaben werden wie folgt neu verteilt: Der Vorstandsvorsitzende und Chief Executive Officer (CEO) Markus Pinger übernimmt den Bereich Governance Functions. Der Bereich Group Functions wird von Marion Helmes als Chief Financial Officer (CFO) verantwortet. Marion Helmes übernimmt zusätzlich die Verantwortung für die Landesgesellschaften beziehungsweise Beteiligungen in den Niederlanden, Tschechien sowie in Irland (Großhandel). Den Bereich Marketing and Sales wird Vorstandsmitglied Stephan Borchert als Chief Marketing Officer (CMO) führen. Er übernimmt zusätzlich die Verantwortung für die Landesgesellschaften in Brasilien, Großbritannien, Irland (Apotheken), Schweden, Norwegen, Dänemark, Italien und Slowenien. 

Mit dieser neuen Konzernstruktur will sich Celesio nach eigenen Angaben künftig schlanker und schlagkräftiger aufstellen. Die neue Konzernstruktur sei geprägt durch die effiziente und länderübergreifende Integration der Aktivitäten, die gleichzeitig konsequent an den Kundenbedürfnissen ausgerichtet würden. Sie gliedert sich in vier Unternehmensbereiche: Marketing and Sales, Operations, Governance Functions und Group Functions. Die neue Konzernstruktur ersetzt die bisherige Gliederung des Celesio-Konzerns in insgesamt fünf Vorstandsressorts: zwei zentrale Ressorts Vorstandsvorsitz und Finanzen sowie drei Geschäftsbereiche Patient and Consumer Solutions, Pharmacy Solutions und Manufacturer Solutions. Für die Aktivitäten des Geschäftsbereichs Manufacturer Solutions wurde inzwischen der Verkaufsprozess eingeleitet.

In der bisherigen Konzernstruktur hätten die Geschäftsbereiche und die ihnen zugeordneten Landesgesellschaften weitgehend isoliert voneinander und untereinander operiert, so die Presseerklärung. Durch fehlende Zusammenarbeit seien erhebliche Synergie- und Innovationspotenziale nicht genutzt worden. „Das wollen wir jetzt ändern und Celesio schneller, schlanker, effizienter und innovativer machen. Mit der neuen Struktur beschleunigen wir die erfolgreiche Umsetzung unserer Strategie", betont der Celesio-Vorstandsvorsitzende Markus Pinger.

Im Unternehmensbereich Marketing and Sales sollen alle Produktkonzepte und Serviceleistungen entwickelt und vermarktet werden, die für die Apothekenkunden und damit für die pharmazeutischen Leistungsträger wie Apotheken, Großhandel und Hersteller wichtig sind und von Celesio angeboten werden können. Dabei gehe es sowohl um Service- und Beratungsleistungen, die der Apotheker seinen Kunden anbietet, als auch um Serviceleistungen, mit denen die Verwaltung der Apotheke erleichtert oder deren Lieferfähigkeit verbessert werden soll. Dies gelte sowohl für die eigenen Apotheken wie für Kooperations- und Partnerapotheken, die im Rahmen des strategischen Projekts Europäisches Apothekennetzwerk zu einer erfolgreichen Partnerschaft verbunden werden sollen.  

Im Bereich Operations sollen dem internationalen Celesio-Geschäft zugrunde liegende Beschaffungs- und Logistikaktivitäten sowie das Qualitäts- und Regulierungsmanagement zusammengefasst und weiterentwickelt werden. Einer der Schwerpunkte der strategischen Neuausrichtung von Celesio ist in diesem Zusammenhang das Projekt End-to-end Supply Chain. Zukünftig sollen alle Prozessstufen zwischen Hersteller und Apotheken in ein umfassendes Logistikkonzept integriert werden, so dass Celesio die vom Markt gewünschten Logistikleistungen anbieten und effizient erbringen kann.

Der Bereich Governance Functions umfasst alle wesentlichen Funktionen der Unternehmensführung wie Unternehmensentwicklung, Recht, Personal, Kommunikation und Revision. Im Bereich Group Functions werden die global unterstützenden Leistungen und Prozesse gebündelt. Dazu zählen Unternehmsfinanzierung, Rechnungswesen und Steuern, Controlling, Investor Relations, Real Estate Management und Servicecenter.

„Celesio wird zukünftig weltweit einheitlich als ein Unternehmen mit klarer Identität und effizienten Strukturen auftreten", so Pinger. „In allen Ländern wird Celesio durch eine Landesgesellschaft repräsentiert, in die das jeweils operative Geschäft und die den Kunden bekannte Marken eingegliedert werden. Unsere Kunden werden von einem breiteren und innovativeren Leistungsangebot profitieren.“ Dort, wo es bisher nach Pharmagroßhandel und Apothekengeschäft getrennte Landesgesellschaften gab, werden diese unter einem Celesio-Dach zusammengeführt. Pinger: „Durch die Integration von Großhandel und Apothekengeschäft werden wir auch auf Länderebene Synergien heben können und dadurch unsere Wettbewerbsfähigkeit deutlich verbessern."


Lothar Klein