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Offizinapotheker im Fokus

Neue DPhG-Präsidentin möchte Angebot für Apotheker in der Praxis ausweiten

du | Die Deutsche Pharmazeutische Gesellschaft (DPhG) hat seit dem 1. Januar 2020 mit Prof. Dr. Dagmar Fischer von der Friedrich-Schiller-Universität Jena eine neue Präsidentin. Sie ist Professorin für Pharmazeutische Technologie und Biotechnologie und löst den pharmazeutischen Chemiker Prof. Dr. Stefan Laufer, Tübingen, in dieser Funktion ab. Wir haben mit Professor Fischer über ihre Zielsetzungen und Positionierungen zu wichtigen Fragen wie zur Novellierung der Approbationsordnung und zur Bedeutung der Offizinapotheker in der DPhG gesprochen.
Foto: DAZ/du

Prof. Dr. Dagmar Fischer, nach Prof. Dr. Ulrike Holzgrabe die zweite Frau an der Spitze der DPhG.

DAZ: Sie haben angekündigt, die erfolgreiche Arbeit Ihres Vorgängers, Prof. Dr. Stefan Laufer, fortsetzen zu wollen. Was waren dessen größte Verdienste, was werden Sie aufgreifen und weiterführen? Welche Schwerpunkte werden Sie setzen?

Fischer: Mein Vorgänger Professor Laufer hat mir mit viel Engagement, Tatkraft und Energie am Ende seiner sehr erfolgreichen Amtszeit ein wohlbestelltes Feld hinterlassen: Die Mitgliederzahl der DPhG liegt konstant über 10.000, die Finanzen sind stabil, die Qualität unserer wissenschaftlichen Tagungen ist sehr hoch, und die Förderung unseres wissenschaftlichen Nachwuchses wurde sichtbar vorangetrieben. Meine Schwerpunkte werden die Modernisierung und Qualitätssicherung der Hochschulpharmazie, die gezielte Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses in der Pharmazie und ein erweitertes Angebot für Apothekerinnen und Apotheker in der Praxis sein. Besonders wichtig ist mir dabei das Vorantreiben von Zukunftsthemen, die sich für die Pharmazie abzeichnen, z. B. pharmazeutische Qualität, Digitalisierung, personalisierte Therapie und evidenzbasierte Pharmazie. Das Social-Media-Angebot werden wir Schritt für Schritt ausbauen, um auch über moderne Kommunikationswege unsere Mit­glieder, neue Mitglieder und vor allem den pharmazeutischen Nachwuchs anzusprechen. Wie Stefan Laufer möchte ich das Fortbildungsangebot für Offizinapotheker durch spezielle Fortbildungsnachmittage erweitern, bei denen apothekenrelevante Themen wissenschaftlich und praxisnah vermittelt werden. Als Professorin für Pharmazeutische Technologie und Biopharmazie liegt mir zudem die Qualitätssicherung von Rezeptur und Defektur am Herzen.

DAZ: Sie übernehmen das Amt der DPhG-Vorsitzenden in turbulenten Zeiten. Die Mitgliederversammlung der Bundesapothekerkammer (BAK) hat sich für eine Novellierung der Approbationsordnung ausgesprochen. Wie positioniert sich die DPhG? Unterstützt sie dieses Vorhaben, wenn ja, wie wird sich die DPhG in die Pro­zesse einbringen?

Fischer: Seit vielen Jahren steht die DPhG im Dialog mit der Bundesapothekerkammer. Wir haben z. B. gemeinsam mit der Bundesapothekerkammer, den Hochschullehrern und den Stu­dierenden am Kompetenzorientierten Lernzielkatalog Pharmazie – Perspektivpapier „Apotheke 2030“ (KLP-P) mitgearbeitet, der im November 2017 verabschiedet worden ist. Was die Diskussionen zur Änderung der Approbationsordnung betrifft, werden wir uns als DPhG zeitnah mit einem Statement zu Wort melden.

DAZ: Kurz vor Weihnachten hat das Institut für Medizinische und Pharmazeutische Prüfungsfragen (IMPP) mit der Veröffentlichung des neuen Gegenstandskatalogs für das 1. Staatsexamen überrascht (s. DAZ 2019, Nr. 51, S. 20). Es möchte auch dafür Sorge tragen, dass sich die gesellschaftlichen Interessen an die Ausrichtung des Pharmaziestudiums auch im zweiten und dritten Abschnitt der Ausbildung widerspiegeln und die Prüfungen zentralisieren. Wie positioniert sich die DPhG an dieser Stelle? Wie bewertet sie die Über­arbeitung des Gegenstandskatalogs für das 1. Staatsexamen?

Fischer: Mein Vorgänger im Amt ist im letzten Jahr in den Beirat des IMPP berufen worden. Die DPhG begleitet in dieser Funktion konstruktiv, aber auch kritisch die Aktivitäten des IMPP. Die wichtigste Aufgabe des IMPP ist nach wie vor die Erstellung der Prüfungsaufgaben mit den dazugehörigen Antwortmöglichkeiten entsprechend den Vorschriften der Approbationsordnung. Aber das IMPP hat auch andere Aufgaben, z. B. die Weiterentwicklung des Prüfungswesens. Der im Dezember veröffentlichte neue Gegenstandskatalog für das 1. Staatsexamen Pharmazie, der frühestens ab 2021 schrittweise eingeführt werden soll, möchte praxisnäher als bisher sein. Ob dieses Anliegen geglückt ist, ohne Abstriche zu machen bei dem hohen Anspruch an die Wissenschaftlichkeit der pharmazeutischen Fächer, muss im Detail noch überprüft werden. Die DPhG wird sich hierzu in den nächsten Wochen zu Wort melden.

„Die Offizinapotheker sind innerhalb der DPhG die größte Gruppe und daher von zentraler Bedeutung!“

DAZ: Lange Zeit wurde die DPhG als die Gesellschaft zur Förderung der pharmazeutischen Wissenschaften verstanden. Doch zunehmend hat sie auch die in der Praxis tätigen Apo­theker ins Visier genommen. Mit welchem Ziel?

Fischer: Wissenschaftliche Pharmazie und pharmazeutische Praxis ergänzen sich gegenseitig. Das Besondere an der DPhG ist die Struktur ihrer Mitglieder, denn die Mehrzahl der Mitglieder ist nicht in der Forschung, sondern in der pharmazeutischen Praxis tätig. Die Offizinapotheker sind innerhalb der DPhG die größte Gruppe und daher von zentraler Bedeutung. In Anbetracht des kontinuierlichen und immer schnelleren Fortschritts im Bereich der Arzneimittel, unterstützt die DPhG die Apotheker in der Praxis mit Fortbildungsveranstaltungen für Offizinapotheker, die darauf abzielen, das pharmazeutische Wissen aktuell zu halten. Die DPhG-Mitgliederzeitschrift und die „Therapeutischen Leitlinien“ sollen dabei als Schulungsmaterial herangezogen werden. Neben den klassischen Präsenzveranstaltungen möchten wir künftig auch neue Formate wie Online-Seminare oder Webcasts anbieten, damit – ortsunabhängig und zeitlich flexibel – möglichst viele Offizinapotheker das Angebot der DPhG nutzen können. Wir beschäftigen uns im Bereich der Allgemeinpharmazie aber auch mit Themen wie Liefer­engpässen, Versandhandel oder PTA-Ausbildung, wie unsere Statements zeigen, die über die wissenschaft­lichen Aspekte hinausgehen.

DAZ: Können Sie aktuelle Forschungsergebnisse pharmazeutischer Institute nennen, die unkompliziert und schnell im Praxisalltag in den Offizin- oder Klinikapotheken umgesetzt werden könnten?

Fischer: Ich möchte hier als Beispiel die Qualitätssicherung von Rezeptur und Defektur nennen, die ich schon vorhin angesprochen habe. Die Qualitätssicherung lässt sich meines Erachtens durch die Kooperation von öffentlichen Apotheken, Universitäten, Apothekerkammern und dem Zentrallaboratorium Deutscher Apotheker (ZL) deutlich voranbringen. Wir wollen durch gezielte Maßnahmen, angefangen vom Studium, über das praktische Jahr bis in die Apotheken die Sicherung und Optimierung der Qualität der Rezeptur- und Defekturherstellung in der Apotheke gewährleisten. Wie eine solche Zusammenarbeit aussehen kann und wie der Wissens­transfer zwischen Wissenschaft und Anwendung verbessert werden kann, haben wir im Juli 2019 bei einem Treffen der Hochschullehrer der pharmazeutischen Technologie mit Anwendern auf Einladung und in Zusammenarbeit mit dem Zentrallaboratorium Deutscher Apotheker gelernt. Mittlerweile haben weitere Interessengruppen ihre Mitarbeit angeboten, und wir werden demnächst in ausgewählten Bundesländern Pilotprojekte zu diesem Thema starten.

DAZ: Apotheker in Offizin und Klinik kämpfen verstärkt mit Lieferengpässen. Ein Problem ist die Abhängigkeit von nur noch wenigen Wirkstofflieferanten oft aus dem schwer zu kontrollierenden asiatischen Raum. Welchen Beitrag zur Lösung des Problems könnte denn die Pharmazie leisten?

Fischer: Die DPhG hat bereits Anfang 2018 angesichts der drohenden Gefahren von Arzneimittel-Lieferengpässen einen Runden Tisch mit Politikern, Krankenkassen und den zuständigen Behörden gefordert. Im letzten Jahr hat dieses wichtige Thema endlich auch die Laienpresse und die Politik erreicht. Das Problem der Lieferengpässe kann meines Erachtens nicht von der Pharmazie und den von Ihnen angesprochenen pharmazeutischen Disziplinen alleine gelöst werden. Was wir zur Lösung des Problems dringend brauchen, sind spezielle europaweite Regelungen, um die lückenlose Versorgung mit wichtigen Arzneimitteln gewährleisten zu können.

DAZ: Noch einmal nachgefragt: Pharmazeuten verfügen am Ende ihres Studiums über ein breites Wissen, das sie ja nutzen könnten, um in Eigen­regie Wirkstoffe zu synthetisieren, zu analysieren und/oder von Engpässen betroffene Arzneimittel direkt selbst herzustellen. Der 3D-Druck bietet hier neue Möglichkeiten. Lassen sich hier Visionen entwickeln, wie Apotheker zumindest einen Beitrag zur Problemlösung leisten können?

Fischer: Sicherlich, den Apotheken vor Ort bietet sich mit dem 3D-Druck ein völlig neues Betätigungsfeld, für das sie frühzeitig offen sein sollten, als Alternative bei Unterversorgung und Engpässen, aber auch zur Vereinfachung der Polymedikation mit einer „Polypille“ oder zur individualisierten Therapie. Ca. 80% der derzeitigen Wirkstoffe können gedruckt werden. Klärungsbedürftig sind Kostenstrukturen, GMP-Aspekte und die recht­liche Situation.

DAZ: Zum Schluss eine ganz persönliche Frage: Was wünschen Sie sich für Ihre Amtszeit als DPhG-Präsidentin?

Fischer: Ich wünsche mir ein starkes Miteinander und zukünftig noch mehr Vernetzung der verschiedenen pharmazeutischen Fachdisziplinen als besondere Stärke unseres Faches. Dies sollte sich auch in einer verstärkten Umsetzung der Wissenschaftlichkeit der Pharmazie in die Praxis widerspiegeln. Trotz aller Differenzierung und Spezialisierung gibt es einen breiten Konsens, was thematisch für die Zukunft der pharmazeutischen Fächer und damit die Zukunft der Pharmazie wichtig ist. Die DPhG, die als einzige wissenschaftliche Fachgesellschaft in der Pharmazie alle pharmazeutischen Fächer umfasst, soll dabei eine zentrale Rolle einnehmen. Ich werde mich dafür einsetzen, dass die Pharmazie Wissenschaft bleibt!

DAZ: Frau Professor Fischer, herz­lichen Dank für das Gespräch! |

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