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Beratung

Sonnenschutz im Test

Die Prüfmethoden von Stiftung Warentest und Öko-Test unter der Lupe

Pünktlich zum Sommer haben die Verbrauchermagazine ihre jährlichen Tests von Sonnenschutzmitteln publiziert, und das Ergebnis ist wie immer: „Die günstigsten sind spitze“, apothekenübliche Produkte landen maximal im hinteren Mittelfeld. Doch Test-Frust ist nicht angesagt: Weder schneiden die apothekenüblichen Mittel schlecht ab, noch werden ihre möglichen Vorteile thematisiert. Das muss die Apotheke selbst tun. Wer die Methodik der Profi-Tester kennt, findet in den Publikationen eine Menge Aufhänger für die Beratung. | Von Ralf Schlenger

Stiftung Warentest hat zwischen 2005 und 2019 zwölf Tests zu Sonnenschutzmitteln veröffentlicht. Dabei wird von Jahr zu Jahr die Kategorie gewechselt, also etwa für Kinderhaut ausgelobte Sonnenschutzmittel oder solche mit unterschiedlichen Lichtschutzfaktoren. Nach einer gewissen Zeit ist wieder ein früheres Testsegment an der Reihe. Ausgewählt werden die Produkte laut Stiftung Warentest nach der höchsten Marktdurchdringung, zusätzlich werden Apotheken- und Bio-Produkte einbezogen. Es werden vier bis sechs Muster im Handel eingekauft. Bei den Bewertungskriterien legt Stiftung Warentest einen Schwerpunkt auf die Einhaltung des ausgelobten UV-Schutzes; weitere Tests umfassen die Feuchtigkeitsanreicherung und die Anwendungseigenschaften [1]. Die einzelnen Bewertungskriterien und ihre Gewichtung sind in Tabelle 1 aufgeführt.

Tab. 1: Vergleichende Gegenüberstellung der Bewertungskriterien von Sonnenschutzmitteln bei Stiftung Warentest und Öko-Test (2018 und 2019). „Testung“ bedeutet, dass eine Laboranalyse vorgenommen wird. * bedeutet bei Stiftung Warentest eine Abwertung. Die Tabelle zeigt, dass sich die Prüfkriterien von Stiftung Warentest und Öko-Test grundsätzlich unterscheiden und sich nur in wenigen Punkten decken. Am ehesten noch bei bestimmten „Duftstoffen“ (Lilial, Lyral), bei denen beide Institutionen gleichermaßen das bloße Vorhandensein als Mangel einstufen und abwerten. Der Schwerpunkt liegt bei Stiftung Warentest auf Gebrauchswert und Handhabung, bei Öko-Test auf Inhaltsstoffen und deren Verträglichkeit für Mensch und Umwelt.
Stiftung Warentest
Öko-Test
Testung
Gewichtung
Testung
Abwertung
Einhaltung des LSF (UV-B)
ja*
35%
nein
UV-A-Schutz
ja*
nein
Feuchtigkeitsanreicherung
ja
20%
nein
Anwendung
  • Entnahme bei 20 °C / 40 °C
  • Auftragen, Einziehen, Hautgefühl
  • Wärme- und Kältebeständigkeit
ja
25%
nein
Beschriftung und Verpackung
  • Anwendungshinweise
  • Beschriftung und Werbeaussagen
  • Verpackung
Prüfung/anhand Deklaration*
20%
Prüfung
Umkarton, der kein Glas schützt (-1 Note)
anhand Deklaration
Fehlen eines oder mehrerer Anwendungs- und Warnhinweise gemäß Empfehlungen des deutschen Industrieverbands Körperpflege- und Waschmittel (IKW) (-1 Note)
mikrobiologische Qualität
ja
0%
nein
kritische Duftstoffe nachgewiesen
ja*
0%
ja
deklarationspflichtige / allergene Duftstoffe (-1 oder -2 Noten)
Mineralölbestandteile
anhand Deklaration
ja
MOSH / MOAH (gesättigte / aromatische Mineralölkohlenwasserstoffe)
bedenkliche UV-Filter
anhand Deklaration
Ethylhexyl-Methoxycinnamat (-2 Noten)
Octocrylen und/oder Homosalat (-1 Note)
PEG/PEG-Derivate
ja
-2 Noten
halogenorganische Verbindungen
ja
-2 Noten
> 1% Silikonverbindungen, Paraffine
ja
-1 Note

Stiftung Warentest: Wirksamkeit und Handhabung im Fokus

Die größte Gewichtung erfährt im aktuellen Test [2] wie in allen Jahren seit 2007 das Einhalten des ausgelobten UV-Schutzes, gegliedert nach UV-B- und UV-A-Schutz. Dieses Hauptkriterium wird seit 2016 mit 35% gewichtet und lag in früheren Jahren auch schon höher (2009: 50%). Die aktuell angewandte UV-B-Testmethode entspricht laut Stiftung Warentest „dem Stand der Wissenschaft“ [1]. Demzufolge sollte es sich um die aktuelle International Sun Protection Factor Test Method des Industrieverbandes COLIPA (jetzt Cosmetics Europe) [2] handeln, was nicht zu verifizieren war. Unter „So haben wir getestet“ wird in den letzten Jahren ein UV-B-in-vivo-Test beschrieben, bei dem auf die Hautareale freiwilliger Testpersonen die Sonnenschutzmittel in standardisierter Weise aufgetragen und einer definierten UV-B-Dosis ausgesetzt werden. Pro Produkt werden mindestens drei Probanden benötigt. Es wird überprüft, ob die Produkte die ausgelobte Schutzwirkung vor UV-B-Strahlen durch Verhindern einer Rötung entfalten [2, 4].

Der UV-A-Schutz wird nach einer im Heft ebenfalls nicht explizit benannten In-vitro-Methode ermittelt (Standard laut Cosmetics Europe ist EN ISO 24443:2012 – in vitro determination of sunscreen UVA photoprotection) [3]. Die Produkte werden in definierter Weise auf durchsichtige Kunststoffplättchen aufgetragen und die Durchlässigkeit für UV-A-Strahlung gemessen. Die Werte werden in Beziehung zum jeweils auf den Produkten ausgelobten Sonnenschutzfaktor gesetzt; sie müssen mindestens ein Drittel dieses Wertes betragen.

Zum Weiterlesen

Ziegler J, Lüdecke A. Hinter den Kulissen: Wie arbeitet Stiftung Warentest – und wie gehen die Tester mit der aktuellen Kritik um?

DAZ 2014, Nr. 22, S. 24

Gewichtung und Abwertungen

Jedem der Testparameter wird eine prozentuale Gewichtung zugeordnet, aus der sich das Gesamturteil für das Produkt zusammensetzt. Bewertet werden die Parameter und das Gesamturteil nach Schulnotensystem mit einer Nachkommastelle. Bestimmte Produktmängel führen zu Abwertungen. Sind UV-B- oder UV-A-Schutz mangelhaft, können das „Einhalten des ausgelobten Schutzes“ und das Gesamt-Qualitätsurteil nicht besser sein. Dies war z. B. im Test von 2018 bei der Eco Sunmilk Sensitive, der teuersten im Testfeld, für den UV-A-Schutz der Fall [4] (der Hersteller widersprach und argumentierte mit anderslautenden Ergebnissen zweier Labors). Im diesjährigen Test fallen sogar zwei (eher teure) Produkte wegen Nichteinhaltung des UV-B-Lichtschutzfaktors durch (Rituals Aerosolspray und Speick Sun Sonnencreme) [2]. Mangelhafte Beschriftung und Werbeaussagen werten den Parameter „Beschriftung und Verpackung“, der mit 20% gewichtet wird, um eine Note ab.

Andere Parameter gehen zwar in das Gesamturteil mit 0% Gewichtung ein, können es aber dennoch stark beeinflussen: Die Einhaltung der „mikrobiologischen Qualität“ und der fehlende Nachweis „kritischer Duftstoffe“ werden quasi als Standard vorausgesetzt, der bei Verfehlen zu einer Abwertung der Gesamtnote führt. Die Testtabellen führen schließlich Anbieterangaben zu den enthaltenen Lichtschutzfiltern, Konservierungs-, Farb- und Parfümstoffen auf. Auch diese werden nicht bewertet, es sei denn, es handelt sich um kri­tische Stoffe, die zur Abwertung führen [2, 4]. 

Nachgefragt bei Stiftung Warentest

Ein positives Urteil von Öko-Test oder Stiftung Warentest kann für Hersteller bares Geld sein – ein negatives vernichtend. Wir sprachen mit Heike van Laak, Abteilungsleiterin Kommunikation bei Stiftung Warentest, über den Umgang mit den Testreihen.

Heike van Laak

DAZ: Frau van Laak, die Tests der Stiftung Warentest zu Sonnenschutzmitteln sind für Apotheker selten erfreulich. Gibt es Kritik oder Widerspruch von deren Seite oder von der Industrie?

van Laak: Von Kritik und Widerspruch seitens der Anbieter ist mir nichts bekannt. Das hängt vermutlich auch damit zusammen, dass die Testmethode wissenschaftlich anerkannt ist. Wichtiger ist aber noch ein anderer Punkt: Zu jedem Test (auch für alle anderen Produkte, die wir testen), findet ein sogenannter Fachbeirat im Hause statt. Dieser dauert in der Regel einen ganzen Arbeitstag und setzt sich drittelparitätisch zusammen aus Anbietervertretern, neutralen Sachverständigen (z. B. von Universitäten oder Fachinstituten) und Verbrauchervertretern (häufig von Verbraucherzentralen oder Nichtregierungsorganisation [NGO]). Dieses Gremium diskutiert mit unseren Experten unser Prüfprogramm. Wie wir im Einzelnen testen, entscheiden wir selber. Wir bekommen aber in diesen Fachbei­räten mitunter wertvolle Anregungen und wollen auch vermeiden, neue Entwicklungen übersehen zu haben oder am Verbraucher vorbei zu testen. Verrückterweise ermuntern uns die Anbietervertreter sogar häufig, noch strenger zu testen, als wir es vorhaben. In jedem Fall können sie sich aber nachher nicht über die Art der Prüfung beschweren, wenn sie sie vorher selbst mitdiskutiert haben. Zudem erhalten alle Anbieter im Test unser Prüfprogramm zugeschickt, damit sie sehen können, was genau getestet wird, und un­sere Prüfung nachvollziehbar ist. Wenn der Test dann durchgeführt wurde, erhält noch einmal jeder Anbieter die für sein Produkt ermittelten Messdaten. Sollten sich daraus völlig andere Werte ergeben als die, die der Hersteller mit eigenen Prüfungen ermittelt hat, kaufen wir noch einmal jeweils drei Produkte nach und testen erneut.

DAZ: Dankeschön für das Gespräch!

Öko-Test: Schwerpunkt Inhaltsstoffe und Umweltaspekte

In keinem der sechs zwischen 2005 und 2019 publizierten Öko-Tests zu Sonnenschutzmitteln wurde die Einhaltung des Lichtschutzfaktors überprüft [6]. Begründet wird dies mit der Notwendigkeit, bei der anerkannten In-vivo-Test­methode bei Probanden einen Sonnenbrand zu setzen. Zudem hänge der reale Schutzfaktor eines Lichtschutzmittels maßgeblich von produktunabhängigen Faktoren ab, wie der Dicke und Häufigkeit des Auftragens [5, 7]. Indes darf man nicht davon ausgehen, dass jedes Sonnenschutzmittel den ausgelobten LSF einhält (s. o.).

Die Sonnenschutzprodukte beurteilt Öko-Test wie andere Kosmetika primär nach „Inhaltsstoffen“ und „weiteren Mängeln“. Methodisch wird von einem zunächst mangel­freien Produkt ausgegangen, was der Schulnote „sehr gut“ entspricht. Das Auftreten von redaktionell definierten, bedenklichen oder umstrittenen Inhaltsstoffen oder von wei­teren Mängeln führen zur schrittweisen Abwertung bis hin zur Note „ungenügend“. Die Parameter werden nicht prozentual gewichtet. Das Gesamturteil beruht auf dem Testergebnis Inhaltsstoffe. Im Falle eines nur „befriedigenden“ oder „ausreichenden“ Ergebnisses bei weiteren Mängeln wird die Note nach unten gezogen.

Abwertung bei kritischen Inhaltsstoffen

Entsprechend dem Schwerpunkt auf Umwelt- und Gesundheitsverträglichkeit prüft Öko-Test bei Sonnenschutzprodukten auf

  • „bedenkliche“ UV-Filter, für die hormonelle Wirkungen beschrieben wurden oder diskutiert werden. In die erste Kategorie fallen 4-Methyl-Benzylidencamphor und Octyl- bzw. Ethyl-Hexyl-Methoxycinnamate, in die zweite unter anderem Benzophenone-3 (Oxybenzon), Octocrylene und Homosalate. Diese Filtersubstanzen sind zwar in bestimmten Höchstkonzentrationen nach der Europäischen Kos­metik-Verordnung zugelassen [8], aber Öko-Test legt hier einen eigenen Maßstab an. Man bezieht sich auf die Stu­dien, die auf hormonartige Wirkungen bestimmter UV-Filtersubstanzen hinweisen. Die Folgerungen werden in der wissenschaftlichen Fachwelt kontrovers diskutiert (vergleiche unter anderem DAZ 30/2017 [12]). Eine aktuell im JAMA publizierte Studie belegt, dass gängige UV-Filter bei vorschriftsgemäßer Anwendung die Haut penetrieren und bereits ab dem ersten Tag der Anwendung in einer Konzentration systemisch nachweisbar sind, die die Unbedenklichkeitsschwelle gemäß FDA (0,5 ng/ml) überschreitet [9]. Zu den vier dort untersuchten Filtersubstanzen, die auch nach der Europäischen Kosmetikverordnung zugelassen sind, zählt auch Octocrylen, ein sehr häufiger Bestandteil von Lichtschutzmitteln auf dem deutschen Markt. „Bedenkliche“ Filter waren in allen Test-Jahren der häufigste Abwertungsgrund, so auch im aktuellen Test, der diesbezüglich nur vier der 18 Produkte freispricht. Darunter findet sich die in der Apotheke eingekaufte Eau Thermale Avène Sonnenmilch, die allerdings wegen Inhaltsstoffen wie Polyethylenglykol (PEG), Kunststoffen und weiteren Mängeln ein „mangelhaft“ erhält.
  • Im Hinblick auf Umweltbelastungen kritisiert Öko-Test die Eintragung relevanter Mengen an UV-Filtersubstanzen in das Wasser, was in südlichen Gefilden mit dem Korallensterben in Zusammenhang gebracht wird. Bestimmte Eucerin-Sonnenschutzmittel werben übrigens mit der Abwesenheit von Filtersubstanzen, die nach dem „Hawaii-Riff-Gesetz“ verboten sind (Octinoxat = Ethylhexyl-Methoxycinnamate, Oxybenzone).
  • PEG/PEG-Derivate: Sie bekommen Minuspunkte, weil sie die Haut für Fremdstoffe durchlässiger machen können, Silikone und Paraffine führen zu einer Abwertung, weil sie sich weniger gut als natürliche Öle ins Gleichgewicht der Haut einfügen. Im jüngsten Test erfährt diesbezüglich ein Drittel der Produkte Abwertungen – unter den apothekenüblichen Präparaten jene von Pierre Fabre und Galderma, nicht aber die von Stada und Beiersdorf (siehe Tabelle 2).
  • Auf dem Schadstoffradar stehen weiterhin halogenorganische Verbindungen, allergisierende Duftstoffe, Kunststoffverbindungen (umweltbelastende synthetische Polymere) sowie problematische Konservierungsmittel (Formaldehyd/-abspalter) [5, 7].
Tab. 2: Bewertung apothekenüblicher Sonnenschutzmittel in den aktuellen Tests von Stiftung Warentest (7/2019) [2] und Öko-Test (6/2019) [7], PEG: Polyethylenglykol
Produkt
Note
„Schwachstelle“
Stiftung Warentest
Vichy Beach Protect Feuchtigkeitsspendendes Sonnenspray
gut (1,7)
Beschriftung und Verpackung (2,6)
La Roche-Posay Anthelios XL Transparentes Spray
gut (1,8)
Feuchtigkeitsanreicherung (3,0)
Eucerin Sensitive Protect Sun Transparent Dry Touch (Beiersdorf)
gut (1,9)
Beschriftung und Verpackung (3,5)
Ladival Empfindliche Haut Sonnenschutz Lotion (Stada)
gut (1,9)
Feuchtigkeitsanreicherung (3,0)
Cetaphil Sun Liposomale Lotion (Galderma)
gut (2,0)
Feuchtigkeitsanreicherung (3,0)
Öko-Test
Eucerin Sensitive Protect Sun Lotion 50+ (Beiersdorf)
befriedigend
zwei bedenklich UV-Filter, Kunststoff­verbindungen, Umkarton
Ladival Allergische Haut Sonnenschutzspray 30 (Stada)
befriedigend
ein bedenklicher UV-Filter, Kunststoff­verbindungen
Eau Thermale Avène Sonnenmilch (Pierre Fabre)
mangelhaft
PEG, Silikone, Kunststoffverbindungen, Umkarton, Anwendungs- und Warnhinweise
Daylong Cetaphil Sun Sensitive Gel-Creme (Galderma)
ungenügend
ein bedenklicher UV-Filter, Silikone, Kunststoffverbindungen, Umkarton, Anwendungs- und Warnhinweise

Die jeweilige Testlegende im Heftartikel führt auf, welche Stoffe bzw. Stoffgruppen zur Abwertung um eine oder zwei Noten führen. Beim bloßen Blick auf die Auswertungsübersicht bleibt allerdings unter anderem unklar, für welche Stoffe die Bewertung allein anhand der Deklaration vorgenommen wurde und auf welche in einem Labor getestet wurde. Dies erschließt sich dem interessierten Leser erst beim Studium der online einsehbaren analytischen Test­methoden.

Man sollte im Hinterkopf behalten, dass Öko-Test häufig Kriterien festlegt, die über gesetzliche Vorgaben hinaus­gehen. Bei den Sonnenschutzmitteln betrifft dies nicht allein die UV-Filtersubstanzen, sondern auch den Nachweis von Duftstoffen. Bestimmte Duftstoffe, die gemäß EU-Kosmetikverordnung in „Leave-on“-Produkten lediglich deklarationspflichtig sind (Gehalt > 0,001% / kein Grenzwert nach oben), führen bei Öko-Test schon zur Abwertung [6].

Nachgefragt beim Hersteller

Immer wieder zweifeln Hersteller die Ergebnisse verschiedener Tests an und kritisieren die Methoden. Wir sprachen mit einem Hersteller von Sonnenschutzpräparaten: Dr. Peter Hansen ist Head of Pharmaceutical Development OTC/Cosmetics bei der Stada Arzneimittel AG.

Dr. Peter Hansen

DAZ: Herr Dr. Hansen, sind Sie mit den Testmethoden der Stiftung Warentest für Sonnenschutzmittel einverstanden?

Hansen: Im Großen und Ganzen ja. Die relevanten Kriterien werden geprüft, der Lichtschutzfaktor, auch der UV-A-Schutz. Diese müssen auch im Vordergrund stehen, weil UV-B-Strahlen Sonnenbrand und Hautkrebs auslösen können. Zu bedenken ist: Die Warentests bilden den Massenmarkt ab, nicht den Apothekenmarkt, insbesondere keine Spezialprodukte. Wer keine Hautprobleme hat, keine Sonnen­allergie, keine Neurodermitis, der ist mit den gut getesteten Discounterprodukten nicht schlecht bedient. Wer eine besondere Hautbeschaffenheit hat, wird aber bei Aldi & Co weder fündig, noch wird er kundig beraten. Wir vertreiben ausschließlich über die Apotheke, weil dort die Fachkompetenz zu finden ist. Wegen Sonnenschutz werden überwiegend nur Kunden die Apotheke aufsuchen, die besondere Probleme oder Fragen haben. Diese erwarten dann auch die entsprechenden Produkte und die Beratung.

DAZ: Gibt es Testkriterien, die Sie kritisieren?

Hansen: Geprüft, aber leider nicht bewertet, werden bei Stiftung Warentest das Vorhandensein von Konservierungsstoffen, Farbstoffen und Parfüm. Im letztjährigen Test gab es nur zwei Produkte ohne diese Zusatzstoffe, dies waren apothekenübliche Produkte, darunter die Ladival® Empfindliche Haut Sonnenschutzlotion LSF 50. Die Abwesenheit der genannten Zusatzstoffe ist für uns ein positiver Aspekt, weil wir gerade auf die Verträglichkeit großen Wert legen. Die Feuchtigkeitsanreicherung hingegen stellt für uns keinen so wichtigen Parameter dar im Vergleich zum LSF oder UV-A-Schutz, ihr wird daher keine so hohe Priorität eingeräumt. Dass wir deswegen in der Bewertung nach hinten rutschen, ist ein bisschen ärgerlich. Problematisch wird es, wenn kein homogenes Testfeld besteht. Beispielsweise wurde in einem früheren Warentest unser fett- und emulgatorfreies Hydrodispersionsgel mit normalen Lotionen, Emulsionen und Cremes verglichen, die naturgemäß bessere Pflegeeigenschaften haben. Das Hydrodispersionsgel ist aber speziell zur Anwendung bei fettiger Haut und bei Neigung zu Sonnenallergie bestimmt und muss daher frei sein von Fetten und Emulgatoren. Dann darf man sich nicht wundern, wenn man beim Hautgefühl und der Reichhaltigkeit negativ bewertet wird.

DAZ: Einen kaufkräftigen Leserkreis hat insbesondere Öko-Test. Was sagen Sie zu deren Testmethoden?

Hansen: Die Zeitschrift hat einen anderen Leserkreis als die Stiftung Warentest. Öko-Test untersucht umwelt- und anwender­relevante Kriterien, verzichtet aber auf die Prüfung des Lichtschutzfaktors. Dass dessen Einhaltung nicht trivial ist, zeigten die Ergebnisse der Stiftung Warentest auch in diesem Jahr. Man kann über die von Öko-Test untersuchten Aspekte und deren Gewichtung streiten. Entscheidend ist, dass die Testkriterien offengelegt werden, und das ist ja der Fall.

DAZ: Haben Testergebnisse Einfluss auf die Entwicklung der Produkte?

Hansen: Es ist natürlich unser Anspruch, die besten Produkte im Markt zu haben, und aus unserer Sicht wäre es schön, wenn dies auch in den Testergebnissen widergespiegelt würde. Nun sind Gesamtnoten wie bei Ladival® mit einer 1 vor dem Komma ja insgesamt immer noch sehr gut bis gut, und wir haben keine negativen Rückmeldungen aus dem Markt. Aber wir denken schon darüber nach, ob bestimmte Testergebnisse dauerhaft für uns hinnehmbar sind oder ob wir die Rezeptur in die eine oder andere Richtung anpassen. Wir machen trotzdem nur dann Änderungen an der Rezeptur, wenn diese aus unserer Sicht und unserer Erfahrung nach zu einem noch besseren Produkt führen. Für uns spielen in erster Linie die Schutzleistung, die Qualität und die Verträglichkeit – insbesondere bei speziellen Hautzuständen – die wichtigste Rolle.

DAZ: Dankeschön für das Gespräch!

Ein ungleiches Paar

Die Stiftung Warentest und Öko-Test genießen einen hohen Bekanntheitsgrad bei den Verbrauchern in Deutschland. Beide Einrichtungen untersuchen Produkte des täglichen Lebens, für die ein breiter Markt besteht, nach bestimmten, unterschiedlichen Gesichtspunkten. Die Testergebnisse vermitteln dem Verbraucher ein Bild über das getestete Produkt, das sich auf den ersten Blick am abschließenden Testurteil festmacht.

Die Stiftung Warentest wurde 1964 als selbständige rechtsfähige Stiftung bürgerlichen Rechts von der Bundesregierung errichtet und operiert als gemeinnützige deutsche Verbraucherorganisation. Ausgestattet mit einem staatlichen Auftrag und mit Steuergeldern untersuchen und vergleichen ihre Mitarbeiter jährlich über 200 Waren und Dienstleistungen. Die werbefreie Zeitschrift „test“ erreicht eine monatliche Auflage von durchschnittlich knapp 400.000 Exemplaren. Die Webseite www.test.de enthält alle Testergebnisse seit 1998.

Das Öko-Test-Magazin hat seine Wurzeln in einer Zeit gesellschaftlicher Veränderungen in den 1980er-Jahren, die mit dem Begriff „Ökobewegung“ nur teilweise charakterisiert sind. Öko-Test verfolgt seit seinem ersten Erscheinen 1985 das Ziel, nicht nur primär wie die Stiftung Warentest den Gebrauchswert von Produkten und Dienstleistungen zu prüfen, sondern in Tests Gesundheits- und Umweltschutzaspekte in den Vordergrund zu rücken. Gesundheitliche und ökologische Aspekte haben allgemein oft Vorrang gegenüber rein funktionalen. Die Resultate der Öko-Tests sollten nach der Intention des Mitbegründers, des Wirtschaftsjournalisten Jürgen Räuschel, die Leser dazu befähigen, tradiertes Alltagshandeln zu verändern und Unternehmen und Behörden zur Beseitigung von Missständen bewegen. „Der vergleichende Warentest kann seine Testkriterien um eine Umwelt-Variante bereichern, also bei Rasenmähern auch den Lärm messen, mit dem diese ihrer Umgebung auf die Nerven gehen. [...] Der Öko-Test hätte nach dem Sinn des Rasenmähens überhaupt zu fragen und zu untersuchen, ob es nicht sinnvoller ist, Wiesen wachsen zu lassen.“ Die im Verlag Öko-Test AG erscheinende Zeitschrift hat eine monatliche Auflage von ca. 117.000 Exemplaren (1/2019).

Fazit aus Sicht der Apotheke

Tests zu Sonnenschutzmitteln der Institutionen Stiftung Warentest und Öko-Test sind aufgrund unterschiedlicher Schwerpunkte und Vorgehensweisen nicht miteinander vergleichbar (Tabelle 1). Hinter der Endnote in den Tests, die dann gegen Gebühr auf einem Produkt prangen darf, stehen gänzlich unterschiedliche Beurteilungsschwerpunkte und Testparameter, die erst durch die Lektüre des gesamten Artikels deutlich werden. Das bedeutet, dass die Tests und Bewertungen der Institutionen nicht als pauschale Aussage über die Qualität eines Produktes hergenommen werden können. Bei der Beratung in der Offizin bieten sie allerdings wichtige Kriterien und Informationen, die man mit den Ansprüchen und Wünschen des Kunden abgleichen kann. Sind für den Kunden die Anwendungs- und Wirkungseigenschaften eines Produktes relevant, können Tests der Stiftung Warentest zu einer fundierten Entscheidung beitragen. Legen Verbraucher hingegen Wert auf Umweltverträglichkeit, können Urteile von Öko-Test die Auswahl unterstützen.

Die fehlende Vergleichbarkeit der Testergebnisse lässt sich auch ins Positive wenden: Die Test-Bausteine von Stiftung Warentest sowie von Öko-Test ergänzen sich grundsätzlich als Basis für eine umfassende Beratung und Bewertung von Produkten. Die Schwäche der einen Institution ist die Stärke der nächsten.

Die Apotheke als eine weitere Institution sollte hier ihre besondere Stärke ins Spiel bringen: Patienten mit speziellen Bedürfnissen und oder mit Hautproblemen eine fundierte Beratung bieten. Insbesondere Stiftung Warentest ist für den breiten Markt gemacht und differenziert von Test zu Test wenig, hauptsächlich nach normalem oder hohem LSF, Erwachsenen- oder Kinderhaut. Öko-Test untersucht in der aktuellen Ausgabe immerhin „sensitive Sonnencremes“, differenziert aber im Testfeld nicht weiter zwischen Hautzuständen wie sensibler Haut oder Sonnenallergie. Der Aufhänger für die Offizin wäre beispielsweise, darauf hinzuweisen, dass zur Vorbeugung gegen Sonnenallergie fett- und emulgatorfreie Rezepturen zu empfehlen sind, die bei sensitiver Haut im Sinne von trocken oder gereizt eben nicht geeignet sind. Jede Apotheke kennt weitere Patienten mit speziellen Hautzuständen und -erkrankungen und entsprechendem Beratungsbedarf:

  • Allergiker mit vermehrten Unverträglichkeiten gegen Duftstoffe und weiteren allergologisch relevanten Stoffen, darunter UV-B-Filter und Konservierungsmittel;
  • Patienten mit besonders trockener Haut oder Neurodermitis, die eine pflegende Wirkung schätzen;
  • Patienten mit fettiger, zu Akne neigender Haut, die nicht komedogene, lipidarme Cremes, Lotionen oder Gele brauchen;
  • Patienten mit phototoxisch-chemotoxischen Hautreaktionen (polymorphe Lichtdermatose/„Mallorca-Akne“), die von bestimmten Sonnenschutz- und Après-Präparaten profitieren;
  • Patienten mit erhöhter Lichtempfindlichkeit durch Medikamente (z. B. Tetracycline, Johanniskraut, Retinoide) und spezielle kosmetische Maßnahmen (Peeling).

Alle diese Patienten schätzen eine besondere Beratung und können von der im Vergleich zum sonstigen Handel teils weitaus differenzierteren Palette der apothekenüblichen Sonnenschutzserien profitieren. Öle, Sprays oder transparente Gele sind weitere „Spezialitäten“, zu denen in der Regel weder die großen Verbraucherzeitschriften noch Aldi & Co. zielführende Informationen und Produkte liefern. |

Auf einen Blick

  • Stiftung Warentest und Öko-Test, die bekanntesten „Tester“, legen ganz unterschiedliche Maßstäbe an.
  • Stiftung Warentest bewertet primär den Gebrauchswert, Öko-Test betont Gesundheits- und Umweltschutzaspekte.
  • Um kompetent und patientenindividuell zu beraten, sollte man die Testmethoden und Kriterien im Detail nachlesen.
  • Für die Beratung bieten sie wichtige Informationen, die man mit den Ansprüchen und Wünschen des Kunden abgleichen kann.
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Literatur

 [1] Informationen der Pressestelle Stiftung Warentest

 [2] Cremes, Lotionen und Sprays mit hohem und sehr hohem Sonnenschutzfaktor (30, 50 und 50+): Erstklassige Mittel für wenig Geld. Stiftung Warentest Test 07/2019

 [3] Use of appropriate validated methods for evaluating sun product protection. Cosmetics Europe Recommendation No 25, 2013

 [4] Lotionen und Sprays mit hohem und sehr hohem Sonnenschutzfaktor (30,50 und 50+): Die günstigsten sind spitze. Stiftung Warentest Test 07/2018

 [5] Test Sonnenschutzmittel: Weiß Bescheid Schätzelein. Öko-Test 2018;6:23

 [6] Gielisch J et al. Comparison of sun protection products tested by Stiftung Warentest and Öko-Test. J Consum Prot Food Saf 2017;12(3):231-243

 [7] Sensitive Sonnencremes – Dick auftragen. Öko-Test 2019;6:23

 [8] EU-Kosmetik-Verordnung Anhang VI / Verordnung (EG) Nr. 1223/2009

 [9] Matta MK et al. Effect of Sunscreen Application Under Maximal Use Conditions on Plasma Concentration of Sunscreen Active Ingredients - A Randomized Clinical Trial. JAMA 2019;321(21):2082-2091

[10] Dermokosmetischer Sonnenschutz. Leitlinie der Gesellschaft Dermopharmazie e.V. (GD), Stand 23. November 2007, www.gd-online.de/german/fgruppen/kosmetik/Sonnenschutz2007_d.htm

[11] Räuschel J. Wie alles anfing. In: Christof Gassner (Hg.): Alltag Ökologie Design, S. 27

[12] Schlenger R. Sonnenschutz: Viel Licht, viel Schatten – Nach UV-B und UV-A geraten auch die sichtbaren und infraroten Wellenlängen ins Zwielicht. DAZ 2017;30:36

Autor

Ralf Schlenger ist Apotheker und arbeitet als freier Autor und Medizinjournalist in München.

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