Aus den Ländern

Rund um die Cannabis-Verordnung

Gemeinsames Symposium für Apotheker und Ärzte

MANNHEIM (ck) | Als Ergebnis der engen Zusammenarbeit der Deutschen Schmerzgesellschaft e. V., Deutscher Migräne- und Kopfschmerzgesellschaft e. V. und der Landesapothekerkammer Baden-Württemberg wurde auf dem Schmerzkongress in Mannheim zum zweiten Mal ein gemeinsames Symposium für Ärzte und Apotheker angeboten. Das Interesse am Thema Cannabis war überwältigend: rund 150 Teilnehmer sorgten für Enge im Raum.

Apotheker Dr. Christian Ude führte in die Pharmakologie der Cannabinoide ein. Ein wichtiger Vortrag, denn zu uneinheitlich ist das Wissen über die Inhaltsstoffe der Cannabis-Blüten bei Verordnern und Anwendern. Cannabis ist eine der ältesten Kulturpflanzen. Doch wissenschaftlich fundiertes Wissen über medizinisch nutzbare Wirkstoffe gibt es erst seit etwa 1960. Delta-­9-Tetrahydrocannabinol (THC) und Cannabidiol (CBD) sind die Hauptkomponenten, die für die Wirkungen verantwortlich gemacht werden. Dabei kann der Gehalt an psychotrop wirkendem THC in den weiblichen Cannabis-Blüten von 1% bis 20% schwanken. Udes Fazit: Der medizinische Einsatz von Cannabis-Blüten ist ein Rückschritt in eine „Steinzeit-Pharmazie“. Es komme ja auch niemand auf die Idee, einem Herzpatienten statt Digitalis-Tabletten einen Fingerhut-Tee anzubieten, so Ude.

Foto: DAZ/ck
Auf großes Interesse bei Ärzten und Apothekern stieß das interdisziplinäre Symposium zum Cannabis mit kompetenten Referenten (v. l.): Holger Reimann (Eschborn), Dr. Christian Ude (Darmstadt), Moderatorin Silke Laubscher (LAK Baden-Württemberg), Brigitte Fehrmann (LAK Baden-Württemberg) und Prof. Dr. Frank Petzke (Göttingen).

Standardisierte NRF-Rezepturen

Als Folge der nun legalisierten Abgabe als Arzneimittel für bestimmte medizinische Indikationen muss es das Ziel sein, in gleichbleibender Qualität in den Apotheken für Patienten nach ärztlicher Verordnung Cannabis-Präparate zur Verfügung zu stellen. Und der Bedarf ist da, wie die Zahl der verordneten Rezepte zeigt: Waren es im März noch 488 Rezepte, so wurden im Juni bereits 2210 verschrieben. Um eine gewisse Reproduzierbarkeit der Wirkung zu gewährleisten, hat das NRF verschiedene Rezepturen und Herstellungsvorschriften für Kapseln, ölige Tropfen, Inhalationen und Tees entwickelt, die Dr. Holger Reimann (Leiter Pharmazeutisches Laboratorium des NRF) vorstellte. Diese kann man auf den Internet-Seiten des NRF finden, die auch für Ärzte zugänglich sind. Da Ärzte aber nicht verpflichtet sind, NRF-Rezepturen zu verordnen, dürfen auch unverarbeitete Blüten mit entsprechender Gebrauchsanweisung verschrieben werden. Ärzte müssen bei der Verordnung der Droge die genaue Sorte oder das Verhältnis von THC- und CBD-Gehalt vorgeben, ebenso Applikationsform und Dosierung. Das muss entweder auf dem Rezept erfolgen oder „gemäß schriftlicher Anweisung“, die dem Apotheker bekannt sein muss. Ist das nicht der Fall, so wird in der Apotheke die Verordnung als „nicht plausibel“ bewertet, sie darf nicht beliefert werden. Die Angabe „Cannabis“ auf dem Rezept allein reicht nicht aus. Ist die verordnete Sorte nicht lieferbar – was im Moment sehr oft der Fall ist –, so darf nicht gegen eine andere Sorte ausgetauscht werden! Es ist dann eine neue Verordnung durch den Arzt erforderlich.

Start low, go slow

Diese Devise sollte in der Dosisf­indung bei Cannabis-Blüten beachtet werden, so Prof. Dr. Frank Petzke, Schmerzmediziner aus Göttingen. Er wies auch darauf hin, dass zwar ein Trend zur Besserung von Schmerzen bei Tumorerkrankungen und Besserung der Gewichtszunahme beschrieben wurde, auch von einer subjektiv besseren Einschätzung einer Spastik wurde berichtet, aber es gibt kaum evidenzbasierte Belege für eine Wirksamkeit von Cannabis. Daneben sind aber viele Fragen zur Sicherheit der Droge offen. So sollen die geistige und kognitive Entwicklung (auch im Alter) eingeschränkt werden, und es treten negative psychologische Effekte auf (Depressionen, Angststörungen, Suizidalität, Abhängigkeit).  |

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