Arzneimittel und Therapie

Safinamid hilft bei Parkinson

Eingriff in zwei Neurotransmitter-Systeme

ck | Nach wie vor stellt die Therapie des Parkinson-Syndroms eine symptomatische Behandlung dar, eine Heilung ist derzeit nicht möglich. Aber mit Safinamid (Xadago®) wurde im Mai eine weitere Option eingeführt, die die dopaminerge Funktion stimuliert und eine gesteigerte Glutamat-Freisetzung reduziert. ­Gerade für die Langzeitanwendung erscheint der Wirkstoff interessant, um motorische Komplikationen zu kontrollieren sowie die Wirksamkeit von Levodopa zu erhöhen.

Parkinson-Syndrome sind definiert durch das Vorliegen einer Verlang­samung von Bewegungen (Bradykinesie, Hypokinesie, Akinesie) und mindestens eines der folgenden Symptome:

  • gesteigerte Grundspannung der Skelettmuskulatur (muskulärer Rigor),
  • Ruhetremor, der bei Bewegung ­abnimmt,
  • Störung der aufrechten Körper­haltung (posturale Instabilität).

Fakultative Begleitsymptome sind ­sensorische Symptome (Schmerzen), vegetative Symptome (Störungen von Blutdruck, Temperaturregulation, ­Blasen- und Darmfunktion sowie ­­sexuellen Funktionen), psychische Symptome und kognitive Symptome (bis zur Demenz).

Bei bis zu 75% aller Erkrankungen ist die Ursache nicht bekannt (idiopathischer Parkinson). Der Rest ist entweder genetisch bedingt, tritt im Rahmen von neurodegenerativen Erkrankungen des ZNS auf oder wird als symptomatischer Parkinson bezeichnet. Zu Letzterem zählen unter anderem der medikamenteninduzierte Parkinson, ausgelöst z. B. durch Neuroleptika, Antiemetika, Reserpin, Lithium, Calcium-Antagonisten oder Valproinsäure. Das idiopathische Parkinson-Syndrom zählt mit einer Prävalenz von 100 bis 200/100.000 Einwohnern zu den häufigsten neurologischen Erkrankungen. Bei den über 65-Jährigen liegt die Prävalenz bei 1800/100.000.

Bisherige Therapiemöglichkeiten

Als ursächlich für Parkinson-Symptome wird ein Mangel an Dopamin als Folge eines fortschreitenden Verlusts an Dopamin-haltigen Nervenzellen in der Substantia nigra angenommen. In den letzten Jahren wird zunehmend diskutiert, ob es sich um eine Multisystem-Degeneration handelt. Neben dem nigrostriatalen dopaminergen System sind auch zahlreiche nicht-dopaminerge Neurotransmittersysteme beteiligt (Adenosin, Acetylcholin, Glu­tamat, Noradrenalin oder Serotonin). Beim Parkinson kommt es zu einem Ungleichgewicht dieser Neurotransmitter, denn es sterben hauptsächlich dopaminerge Neuronen. Dadurch überwiegen die Neurotransmitter ­Acetylcholin und Glutamat. Dieses ­Ungleichgewicht führt zu Störungen, unter anderem in der Bewegungsausführung. Eine medikamentöse Therapie ist möglich durch

  • Levodopa (immer in Kombination mit einem peripher wirkenden Decarboxylase-Inhibitor, Verhältnis 4:1),
  • Hemmung der Methylierung von ­Dopamin und Levodopa durch ­Inhibitoren der Catechol-O-methyl-Transferase (COMT-Inhibitoren),
  • Verhinderung des Dopamin-Abbaus durch Monoaminoxidase-B-Hemmer (MAO-B-Hemmer),
  • Stimulation zentraler Dopamin-Rezeptoren (direkte dopaminerge Agonisten),
  • Blockade striataler NMDA-Rezeptoren mit Amantadin sowie
  • Hemmung muscarinischer Rezeptoren mit zentral wirksamen Anticholinergika (m-Cholinozeptor-Antagonisten).

Trotz dieser Möglichkeiten treten immer wieder motorische Komplikationen auf: Es kommt zu On-off-Phänomenen, bei denen Patienten plötzlich erstarren, als wenn ein Schalter umgelegt wurde.

Safinamid

MAO-B-Hemmung als dopaminerger Wirkmechanismus ...

Das α-Aminoamid Safinamid wirkt ­sowohl über einen dopaminergen als auch über einen nicht-dopaminergen Wirkmechanismus. Es ist ein hoch-­selektiver und reversibler MAO-B-Hemmer, der eine Erhöhung des ­extrazellulären Dopamin-Spiegels im Striatum auslöst. Die Affinität für die MAO-B ist 1000-mal höher als für die Isoform MAO-A. Die reversible Wirkung gilt als Vorteil für die Steuerbarkeit der Therapie. Zudem müssen Patienten keine Tyramin-arme Diät befolgen wie unter irreversiblen MAO-B-Hemmern.

... und Regulierung der Glutamat-Freisetzung

Für Safinamid wird als ein nicht-dop­aminerger Mechanismus die Regulierung der Glutamat-Freisetzung postuliert. Der Verlust an dopaminhaltigen Nervenzellen beim Parkinson führt zu einem relativen Überschuss an Glutamat. Da die Ausschüttung von Glutamat calcium- und natriumabhängig ist, kann Safinamid durch eine Inhibition von spannungsabhängigen Natrium-Kanälen den Natrium- und Calcium-Einstrom verringern und die Glutamat-Freisetzung effektiv hemmen.

Verlängerte On-Zeit

Die Wirksamkeit und Verträglichkeit von Safinamid als Zusatztherapie zu L-Dopa wurde in zwei placebokontrollierten Phase-III-Studien bei über 1200 Parkinson-Patienten im mittleren bis späten Krankheitsstadium untersucht, die unter einer Standardtherapie motorische Fluktuationen entwickelt hatten. In der Studie 016/018 wurden 50 mg bzw. 100 mg Safinamid täglich bei 669 Patienten eingesetzt. Der Behandlungszeitraum betrug zunächst sechs Monate. Durch die Behandlung mit Safinamid verlängerte sich die On-Zeit signifikant von etwa 9,5 auf elf Stunden. Unter Placebo verlängerte sich die On-Zeit von 9,5 auf 10,3 Stunden. Diese Studie wurde um weitere 18 Monate verlängert und es wurde deutlich, dass Safinamid über die gesamte Dauer konstant wirksam war, während die Effekte von Placebo mit der Zeit nachließen. Ähnlich das Ergebnis der SETTLE-Studie. Hier wurden Sicherheit und Effektivität von 50 mg bzw. 100 mg Safinamid bei 549 Patienten mit motorischen Fluktuationen und einer stabilen Dosis Levodopa über sechs Monate untersucht. Safinamid verlängerte die On-Zeit von 9,3 auf 10,7 Stunden (Placebo: von 9,1 auf 9,6 Stunden). Darüber hinaus verbesserten sich in dieser Studie die täg­liche Off-Zeit, die Motorik und die ­Lebensqualität.

Anwendung, Nebenwirkungen und Interaktionen

Safinamid ist indiziert für die Behandlung von Erwachsenen mit idiopathischem Parkinson als Zusatztherapie zu einer stabilen Dosis Levodopa (als Monotherapie oder in Kombination mit anderen Parkinson-Arzneimitteln) bei Patienten im mittleren bis Spätstadium mit Fluktuationen. Die Therapie wird mit einer Dosis von 50 mg Safinamid täglich begonnen, sie kann auf 100 mg/Tag erhöht werden. Safinamid wird nach oraler Anwendung fast vollständig resorbiert, ein First-pass-­Metabolismus ist zu vernachlässigen. Es führt in klinisch relevanten Konzentrationen zu keiner bedeutenden CYP-Induktion oder -Hemmung, die CYP-Enzyme scheinen eine untergeordnete Rolle in der Biotransformation von Safinamid zu spielen. Eine Dosisanpassung ist bei eingeschränkter Nierenfunktion oder leicht eingeschränkter Leberfunktion nicht ­erforderlich. Bei mittelschwer eingeschränkter Leberfunktion beträgt die Tages-Maximaldosis 50 mg Safinamid, eine stark eingeschränkte Leberfunktion gilt als Kontraindikation. Für Schwangere und Stillende ist es ebenso kontraindiziert wie für Frauen, die nicht zuverlässig Verhüten. Safinamid darf nicht zusammen mit anderen MAO-Hemmern (z. B. Moclobemid) angewendet werden, da das Risiko einer nicht-selektiven MAO-Hemmung bestehen könnte, die zu einer hypertensiven Krise führen kann. Zwischen dem Absetzen von Safinamid und dem Beginn einer Behandlung mit MAO-Hemmern oder Pethidin müssen mindestens sieben Tage liegen. Es ist bekannt, dass schwerwiegende Nebenwirkungen bei der gleichzeitigen Anwendung von SSRI, SNRI, trizyklischen/tetrazyklischen Antidepressiva und MAO-Hemmern auftreten, z. B. hypertensive Krise, malignes neuroleptisches Syndrom, Serotonin-Syndrom und Hypotonie. ­Daher sollte Safinamid nur zusammen mit selektiven Serotonin-Wiederaufnahmehemmern (SSRI) in der niedrigsten wirksamen Dosis angewendet ­werden. Insbesondere die gleichzeitige Anwendung mit Fluoxetin oder Fluvox­amin wird nicht empfohlen.

Auch eine Kombination mit Sympathomimetika, wie sie in nasalen und oralen Dekongestiva oder in Erkältungspräparaten mit Ephedrin oder Pseudoephedrin vorkommen, wird ebenso wenig empfohlen wie eine Kombination mit Dextrometorphan. Im Tierversuch wurde nach wiederholter Safinamid-Gabe eine Netzhautdegeneration beobachtet. Safinamid darf daher nicht bei Patienten mit ophthalmologischen Erkrankungen angewendet werden, die das Risiko von Wirkungen auf die Netzhaut erhöhen könnten (z. B. Albinismus, Netzhauterkrankungen, Retinitis pigmentosa oder schwere ­diabetische Retinopathie). Die häufigsten unerwünschten Wirkungen unter Safinamid waren Schlaflosigkeit, Übelkeit, Rückenschmerzen und Dyskinesie. |

Quelle

Fachinformation Xadago® 100 mg Filmtabletten, Stand Februar 2015

Parkinson-Syndrome – Diagnostik und Therapie. S2-Leitlinie der deutschen Gesellschaft für Neurologie, AWMF-Registernummer: 030/010, www.awmf.de

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