Arzneimittel und Therapie

Vorhersage des kardiovaskulären Risikos

Welche Lipidparameter zeigen am besten das Risiko an?

Zur routinemäßigen Einschätzung kardiovaskulärer Risiken greift man unter anderem auf die Lipidparameter Gesamtcholesterin und HDL-Cholesterin zurück. Eine epidemiologische Arbeitsgruppe der Universität Cambridge geht der Frage nach, ob die Berücksichtigung weiterer Lipidwerte zu genaueren prognostischen Werten führt.

Zur Einschätzung des kardiovaskulären Risikos von Menschen, bei denen noch keine Herz-Kreislauf-Erkrankung vorliegt, werden verschiedene Parameter herangezogen. Auf der Basis individueller Faktoren und bestimmter Laborwerte erfolgt eine Zuordnung zu einer niedrigen, intermediären oder hohen Risikogruppe (s. Kasten). Um die Risikovorhersage routinemäßig durchführen zu können, müssen die Ergebnisse zuverlässig sein, auf relativ wenigen Parametern beruhen und deren Bestimmung darf nicht teuer sein. Eine Arbeitsgruppe der Universität Cambridge (The Emerging Risk Factors Collaboration) geht der Frage nach, welche Lipidparameter bestimmt werden sollten, um eine zuverlässige Einschätzung zu erhalten. Dabei sollen folgende Fragen geklärt werden:

  • Sollen statt Gesamtcholesterin und HDL-Cholesterin andere Lipidparamter bestimmt werden?

  • Sollen zusätzlich zu Gesamtcholesterin und HDL-Cholesterin weitere Lipidparameter bestimmt werden?

Unterschiedliche Lipidwerte zur Risikoermittlung

Als Basis für die Berechnung griff die Arbeitsgruppe auf die Daten von 37 prospektiven Kohortenstudien zurück, die zwischen 1968 und 2007 durchgeführt worden waren. Von 165.544 Studienteilnehmern ohne anfängliche kardiovaskuläre Erkrankung war im Verlauf von etwas über zehn Jahren bei 15.126 ein kardiovaskuläres Ereignis aufgetreten (bei 10.132 eine koronare Herzerkrankung, bei 4994 ein Schlaganfall). Bei allen Probanden lagen Informationen zu potenziellen Risikofaktoren vor (z. B. Diabetes, Blutdruck, Rauchverhalten, Alter, Geschlecht). Mithilfe verschiedener Rechenmodelle wurde das kardiovaskuläre Risiko unter Verwendung unterschiedlicher Lipidparameter ermittelt. Dabei ging man von folgenden Werten aus:

  • konventionelle Lipidparameter (Gesamtcholesterin, HDL-Cholesterin)

  • spezifizierte Lipidparameter (berücksichtigt wurden hier Triglyzeride, Apolipoprotein B, Apolipoprotein A-1, Lipoprotein a oder Lipoprotein-assoziierte Phospholipase A2)

  • Kombination aus konventionellen und spezifizierten Lipidwerten.

In allen Modellen wurden weitere potenzielle Risikofaktoren berücksichtigt.

Zur Ermittlung des kardiovaskulären Risikos wurden in einem Modell (Ersatz-Modell) die konventionellen Lipidwerte durch spezifizierte Lipidparameter ersetzt, in einem anderen Modell (Kombinations-Modell) wurde das kardiovaskuläre Risiko unter Berücksichtigung aller Lipidparameter (konventionelle und spezifizierte Parameter) ermittelt.

Die Anwendung des Ersatz-Modells führte zu keiner verbesserten Risikoeinschätzung und veränderte die bestehende Klassifikation (geringes, intermediäres, hohes Risiko) nicht.

Die Anwendung des Kombinations-Modells führte zu einer leichten Verbesserung der Risikoeinschätzung.

Risikoscores zur Ermittlung kardiovaskulärer Ereignisse


Im klinischen Alltag greift man unter anderem auf folgende Scores zurück, um das Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse (Herzinfarkt, Schlaganfall) einschätzen zu können:

  • Framingham-Score
  • Procam-Score
  • ESC Euro Score

In die Berechnung gehen u. a. Alter, Geschlecht, Gesamtcholesterin, HDL-Cholesterin, LDL-Cholesterin, Triglyzeride, systolischer Blutdruck, Nicotin, Diabetes mellitus und die Familienanamnese mit ein. Die Eingruppierung in die Risikogruppen erfolgt anhand des geschätzten Risikos, innerhalb der nächsten 10 Jahre eine manifeste kardiovaskuläre Erkrankung zu erleiden. Man unterteilt die Risiken in

  • gering (< 10%)
  • intermediär (10% - < 20%)
  • hoch > 20%.

Konsequenzen

Die Autoren veranschaulichen ihre ermittelten Werte anhand eines Modells, das von 100.000 Erwachsenen ausgeht: Greift man nur auf konventionelle Risikofaktoren zurück, so werden 15.436 Probanden dieser Population der Intermediär-Risiko-Gruppe zugeteilt. Die zusätzliche Berücksichtigung weiterer Lipidparameter führt zu einer zahlenmäßig höheren Zuordnung zu einer Hoch-Risiko-Gruppe. Unter Berücksichtigung von Apoliporotein B und A1 betrifft dies 1,1% der Probanden, von Lipoprotein a 4,1% und von Lipoprotein-assoziierter Phospholipase A2 2,7% der Probanden.

Die Umgruppierung in eine höhere Risikogruppe hat praktische Auswirkungen, da für Patienten mit hohem Risiko zur Primärprävention eine Statin-Therapie empfohlen wird.


Quelle

The Emerging Risk Factors Collaboration: Lipid-related markers and cardiovascular disease prediction. JAMA 307, 2499 – 2506 (2012).

Grundy S.: Use of emerging lipoprotein risk factors in assessment of cardiovascular risk. JAMA 307. 2540 – 2542 (2012).


Apothekerin Dr. Petra Jungmayr



DAZ 2012, Nr. 40, S. 51

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