Tierpharmazie

Aujeszkysche Krankheit

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Wie gefährdet sind Hunde?

Sabine Wanderburg | Die Aujeszkysche Krankheit (AK) ist eine anzeigepflichtige Tierseuche, die bei Schweinen zu hohen Verlusten führt und daher weltweit zu den wirtschaftlich bedeutsamsten Virusinfektionen gehört. Die Aujeszkysche Krankheit wird auch Pseudowut genannt, weil sie bei Hunden und Katzen mit tollwutähnlichen Symptomen verläuft und innerhalb weniger Tage zum Tode führt. Außerdem können fast alle anderen Säugetiere betroffen sein, nicht jedoch Menschen und andere Primaten sowie Einhufer. Während in Deutschland die Hausschweinebestände seit 2003 als frei von AK gelten, ist die Aujeszkysche Krankheit in der Wildschweinpopulation weiterhin verbreitet. In den letzten Jahren haben sich einige Jagdgebrauchshunde bei der Wildschweinjagd mit AK infiziert und sind verstorben. Wie groß ist die Infektionsgefahr für Hunde?
Durch direkten Kontakt mit einem Wild- oder Hausschwein kann sich ein Hund mit SHV-1 infizieren.
Foto: Sabine Wanderburg, Süsel

Erreger der Aujeszkyschen Krankheit ist das suide Herpesvirus 1 (SHV-1). Es kann in der Umwelt bei 25°C bis zu 40 Tage überleben, bei 4°C monatelang. Eine Inaktivierung erfolgt durch Erhitzen über 55°C für mehr als 30 Minuten oder durch Desinfektionsmittel auf Chlor-, Ammonium- oder Formalinbasis. Alkohol und Phenole sind unwirksam. SHV-1 toleriert pH-Werte zwischen 4,5 und 11.

Infektion bei Schweinen

Das Virus vermehrt sich primär in den Epithelien von Nasen- und Rachenschleimhaut und breitet sich über das Lymphgefäßsystem im Körper aus. Stark virulente Stämme sind vor allem in der Lunge und im Genitaltrakt sowie im Sperma infizierter Eber nachweisbar. Bei latent infizierten Schweinen persistiert das Virus im Trigeminalganglion und in den Tonsillen. Durch Stressfaktoren kann es reaktiviert und über den Speichel wieder ausgeschieden werden.

Die Symptome sind abhängig von der Virulenz des Virusstammes und vom Alter der betroffenen Schweine. Bei Ferkeln unter zwei Lebenswochen beträgt die Sterblichkeit 100%, bei drei bis vier Wochen alten Schweinen immer noch 50%. Ältere Tiere zeigen Atemwegserkrankungen, zentralnervöse Störungen und schlechte Gewichtszunahmen. Sauen und Eber haben Fruchtbarkeitsprobleme, und Sauen abortieren. Die ökonomischen Verluste sind beträchtlich. Schweine, die eine Infektion überleben, sind lebenslang infiziert und scheiden das Virus aus.

Eine Impfung ist möglich, verringert allerdings nur die Krankheitssymptome und verhindert nicht die Virusausscheidung. In Deutschland und in anderen Ländern, in denen die Aujeszkysche Krankheit beim Hausschwein nicht mehr vorkommt, ist die Impfung verboten.


Wildschweine sind ein natürliches Virusreservoir für das suide Herpesvirus 1 (SHV-1), den Erreger der Aujeszkyschen Krankheit, die nach dem ungarischen Tierarzt Aladár Aujeszky benannt ist.
Foto: Sabine Wanderburg, Süsel

Situation bei Wildschweinen

Der Krankheitsverlauf bei Wildschweinen ist in der Regel unauffällig, da der gefundene Virusstamm stark an das Wildschwein adaptiert ist. Infizierte Tiere erscheinen gesund und sind trotzdem Virusausscheider. Die Prävalenz der Aujeszkyschen Krankheit bei Wildschweinen ist in den Bundesländern sehr unterschiedlich. Leider existieren keine flächendeckenden bundesweiten Untersuchungen und Informationen. Zudem liegen die Angaben aus den Bundesländern zum Teil Jahre zurück und spiegeln nicht die aktuelle Situation wider. Auch sind meist nur wenige der erlegten Wildschweine untersucht worden. Aus einzelnen Bundesländern liegen folgende Daten zur Prävalenz der Aujeszkyschen Krankheit vor (bezogen auf die untersuchten Proben):

  • Niedersachsen 2% (1993)
  • Nordrhein-Westfalen 10% (2003)
  • Rheinland-Pfalz 15% (2000)
  • Baden-Württemberg 7% (2009)
  • Mecklenburg-Vorpommern 16% (2008)
  • Brandenburg 29% (2008)
  • Sachsen 22% (2008)
  • Sachsen-Anhalt 6% (2008)
  • Thüringen 3% (2008)
  • Schleswig-Holstein 0% (2011)

Einzelne jüngere Untersuchungen deuten jedoch in einigen Bundesländern auf eine wesentlich höhere Prävalenz hin. Die Aujeszkysche Krankheit ist bei Wildschweinen zumindest regional endemisch. In Italien, Slowenien, Kroatien, Frankreich, der Tschechischen Republik und Spanien sind zwischen 30 und 50% der untersuchten Wildschweine AK-positiv.


Parson-Russell-Terrier mit Aujeszkyscher Krankheit Deutlich sind die durch Kratzen und Scheuern entstandenen Hautveränderungen zu sehen.

Foto: Dr. Michael Leschnik, Veterinärmedizinische Universität Wien

Infektion bei anderen Tieren

Vielen Hundbesitzern ist die Aujeszkysche Krankheit ein Begriff, da in Büchern über Hundeernährung stets darauf hingewiesen wird, keine rohen Produkte vom Schwein zu verfüttern. Für Hunde, Katzen und andere Fleischfresser, Nagetiere sowie Wiederkäuer ist eine Infektion mit SHV-1 immer tödlich. Primaten und Einhufer sind für das Virus nicht bzw. kaum empfänglich. Es gibt keine bewiesenen Fälle beim Menschen, und in angeblichen Fällen wurden nur milde Symptome, ähnlich den humanen Herpesviren mit Schleimhautbläschen beschrieben.

Hunde infizieren sich oronasal durch direkten Kontakt mit einem infizierten (Wild)schwein, durch die Aufnahme rohen (Wild)schweinefleischs oder durch Bisse eines Wildschweins. Die Inkubationszeit beträgt ein bis neun Tage. SHV-1 ist neuroinvasiv, breitet sich entlang der Nerven an der Eintrittspforte (meist im Kopfbereich) bis zum Gehirn und Rückenmark aus und führt zu Enzephalomyelitis. Die Symptome sind abhängig von der Eintrittspforte des Virus und betroffener Nerven und Hirnareale. Apathie und Husten sind oft erste Symptome. Krämpfe und Speicheln erinnern an Tollwut, jedoch sind die Tiere nicht aggressiv. Das auffälligste und charakteristischste Symptom, das in Einzelfällen aber auch fehlen kann, ist ein intensiver Juckreiz im Kopfbereich, der zu unaufhörlichem Kratzen bis hin zur Selbstverstümmelung führt (siehe Bild). Im weiteren Verlauf kommt es zu fortschreitenden Lähmungserscheinungen. Die Hunde sterben in der Regel ein bis zwei Tage nach Einsetzen der ersten Symptome an Enzephalomyelitis oder Atemlähmung. Es gibt weder eine Therapie noch eine prophylaktische Impfung. Die für Schweine zugelassenen Lebendvakzinen sind für alle anderen empfänglichen Tierarten pathogen, die inaktivierten Vakzinen zu wenig wirksam. Das Problem besteht nach Einschätzung von Dr. Thomas Müller, Leiter des Nationalen Referenzlabors für die Aujeszkysche Krankheit am Friedrich-Loeffler-Institut, darin, dass bei "Nicht-Reservoir-Wirten" selbst bei guter Immunitätslage das Virus direkt ins Nervensystem eindringt und dort nicht mehr kontrollierbar ist.

Problem bei Jagdgebrauchshunden

In den letzten zehn Jahren wurde in Deutschland bei insgesamt neun Hunden eine Infektion mit SHV-1 nachgewiesen, drei Fälle in Rheinland-Pfalz und jeweils einer in Hessen, Baden-Württemberg, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Thüringen und Nordrhein-Westfalen. Alle Hunde waren Jagdgebrauchshunde, die nach intensivem Kontakt mit Sauen bzw. Verfütterung infektiösen Materials an der Aujeszkyschen Krankheit verendet sind. Der direkte Kontakt des Jagdhundes mit Schwarzwild lässt sich während der Jagdausübung nicht vollständig vermeiden, sollte jedoch auf ein Mindestmaß beschränkt werden.

Um Hunde vor einer Infektion mit dem Virus zu schützen, sollte man einige Regeln beachten:

  • kein rohes Fleisch und keine rohen Innereien vom Schwein oder Wildschwein verfüttern
  • keine rohen oder nur geräucherten Schweinefleischprodukte, z. B. Salami oder Schinken, verfüttern

  • bei Reisen in Länder, in denen die Aujeszkysche Krankheit bei Hausschweinen noch verbreitet ist, z. B. Ungarn, Griechenland, Spanien oder Portugal, Kontakt zu Hausschweinen vermeiden, etwa beim Urlaub auf dem Bauernhof

  • Kontakt zu lebendem, erlegtem oder verendetem Schwarzwild vermeiden

  • intensive Kontakte von Jagdgebrauchshunden zu erlegtem Wild vermeiden, das heißt kein Belecken oder Anbeißen

  • kein "Schärfen" des Jagdgebrauchshundes am erlegten Schwarzwild
  • ausgenommene Innereien und Abfälle so entsorgen, dass Hunde oder Wildtiere keinen Zugriff haben

Infektionen mit der Aujeszkyschen Krankheit bei Jagdgebrauchshunden sind bislang seltene Ereignisse, und es besteht kein Anlass zur Hysterie, eine völlige Risikofreiheit gibt es jedoch nicht. Die Beachtung der oben genannten Verhaltensregeln kann die Gefährdung von Hunden erheblich reduzieren. Ein bundesweites Monitoring zum Vorkommen der Aujeszkyschen Krankheit beim Wildschwein wäre wünschenswert, da infizierte Wildschweine sowohl Virusreservoir für Hausschweinbestände als auch Ansteckungsquelle für Jagdgebrauchshunde sind. <


Quelle

Aujeszkysche Krankheit; Übertragung vom Schwarzwild auf Jagdhunde. Mitteilung des Veterinäramts des Kreises Ostholstein vom 17. Januar 2011.

www.parasitus.com/parasitus/krankheiten/aujeszky/body_aujeszky.html

www.tierklinik.de/medizin/infektionskrankheiten/virusinfektionen/aujeszkysche-krankheit

Lutz, W. Aujeszky’sche Krankheit: Die vergessene Gefahr. In: Rheinisch-Westfälischer Jäger 6/2009.

www.ages.at/vetmed/gesundheit/tier/aujeszkysche-krankheit/

Mutzbauer, K.: Aujeszky’sche Krankheit. unter: www.vjagd.at/wp-content/uploads/aujeszky_12-20101.pdf

M. Aujeszky - Pseudowut: Institut für Tierpathologie der LMU www.patho.vetmed.uni-muenchen.de/62%20M.%20Aujeszky.pdf

Interview mit Dr. Thomas Müller, Leiter des Nationalen Referenzlabors für AK am Friedrich-Loeffler-Institut, www.ljv-hessen.de/HMULV/2011/aujeszkysche_krankheit.htm



Tierpharmazie in der DAZ




Anschrift der Verfasserin
Tierärztin Sabine Wanderburg
Seeweg 5a, 23701 Süsel



DAZ 2012, Nr. 21, S. 70

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