Arzneimittel und Therapie

Nicht-steroidale Entzündungshemmer schwächen Wirkung

Nicht-steroidale Entzündungshemmer entfalten wie die selektiven Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRI) ihre Wirkung zumindest teilweise über eine Regulation des Zytokin-Stoffwechsels. Andererseits können auch bei Patienten mit einer Depression erhöhte Konzentrationen der beiden Zytokine TNF α oder INF γ im Serum nachgewiesen werden. US-amerikanische Wissenschaftler haben jetzt gezeigt, dass eine Komedikation von NSAID und Antidepressiva möglicherweise bedenklich ist, da die Entzündungshemmer die antidepressive Wirkung mindern können.

Der Anstieg proinflammatorischer Zytokine im Gehirn bei Patienten mit einer Depression ist nach der Zytokin-Hypothese ein Beleg für eine Entzündungsreaktion des Gehirns als grundlegende Ursache der Erkrankung. Ihre vermehrte Bildung wird durch innere oder äußere Stressoren ausgelöst.

Tierversuche und retrospektive Studie belegen Wechselwirkung

In einer jetzt veröffentlichten Studie des US-amerikanischen Nobelpreisträgers Paul Greengard führte die Applikation von Antidepressiva bei Mäusen zu einer Änderung des Verhaltens bei den Versuchstieren. Gleichzeitig kam es zu einer verminderten Freisetzung des Proteins p11. Diese erst vor wenigen Jahren entdeckte Markersubstanz ist für die Bereitstellung von Serotonin-Rezeptoren am synaptischen Spalt verantwortlich und könnte eine wichtige Rolle bei der Pathogenese der Depression spielen. Erhielten die Tiere jedoch gleichzeitig nicht-steroidale Entzündungshemmer wie Ibuprofen, Acetylsalicylsäure oder Naproxen, waren die nach der Antidepressiva-Gabe beobachteten Verhaltensauffälligkeiten deutlich geringer. Auch die p11-Freisetzung wurde reduziert. Durch die Medikation mit Antidepressiva waren die Konzentrationen bestimmter Zytokine (Tumor-Nekrose-Faktor alpha TNF α und Interferon gamma IFN γ) – im Gegensatz zu den Serumwerten – in den frontalen Hirnarealen erhöht. Auch dieser Effekt wurde durch eine gleichzeitige NSAID-Gabe inhibiert.

Eine nachfolgende retrospektive Analyse klinischer Daten von an einer Depression erkrankten Patienten aus der STAR*D (National Institute of Mental Health: Sequenced Treatment Alternatives to Relieve Depression (STAR*D)-Studie, die die Wirkung unterschiedlicher Antidepressiva zum Gegenstand hatte, zeigte eine Senkung der Remissionsrate von 54 auf 40% bei einer Komedikation von Antidepressiva mit NSAID.

Auch wenn die Kritik, eine mögliche Wechselwirkung beider Medikamentengruppen müsse letztlich in einer prospektiven Studie untersucht werden, sicherlich berechtigt ist, so werden die Ergebnisse die Diskussionen um die umstrittene "Zytokin-Hypothese" beflügeln und weitere Untersuchungen folgen lassen. Auch wären Therapiestudien zur Linderung depressiver Symptome mit TNF-Blockern interessant. Da gerade ältere Patienten häufig eine Komedikation von nicht-steroidalen Entzündungshemmern und Antidepressiva erhalten, sollten – so die Autoren – Ärzte den therapeutischen Nutzen der NSAID gegen eine mögliche Minderung der Wirkung von Antidepressiva durch diese Präparate sorgfältig abwägen.


Quelle

Warner-Schmidta, J.L.; et al.: Antidepressant effects of selective serotonin reuptake inhibitors (SSRIs) are attenuated by antiinflammatory drugs in mice and humans. Proc. Natl. Acad. Sci. 2011; doi: 10.1073/pnas.1104836108 vom 25. April 2011.

www.aerzteblatt.de: NSAID vermindert Wirkung von Antidepressiva. Mitteilung vom 26. April 2011.


Dr. Hans-Peter Hanssen



DAZ 2011, Nr. 18, S. 45

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