Arzneimittel und Therapie

Erfolgreich altern – so lautet das Ziel

Altern muss nicht zwangsläufig mit Gebrechen einhergehen. Vielmehr sollte das Ziel darin bestehen, "erfolgreich" zu altern und bis ins "vierte Lebensalter" ein Höchstmaß an Funktionalität und emotionalem Wohlbefinden zu erhalten. Um dies zu realisieren, sind nicht nur die Betroffenen, sondern auch die sie Behandelnden gefordert. Dabei muss stets hinterfragt werden, ob die geplanten Therapiemaßnahmen adäquat, angepasst und im individuellen Fall sinnvoll und nutzbringend sind.

Der demografische Wandel, hat – gepaart mit den knappen Ressourcen im Gesundheitswesen – bereits weitere Veränderungen induziert: In den Kliniken sind die Verweilzeiten drastisch gesunken, die stationäre Versorgung der Patienten wird zurückgefahren, stattdessen wird mehr und mehr ambulant behandelt, was wiederum Rückwirkungen auf die Rolle der hausärztlichen Betreuung hat, auf die häusliche Pflege, die Hilfsmittelbeschaffung und auch auf die ambulante Rehabilitation.

Therapieerfolge sichern

Die Behandlung älterer Menschen muss andererseits umfassender als bei jungen Patienten erfolgen: Es ist ein geriatrisches Assessment angezeigt, wobei es letztlich darum geht zu eruieren, wann welche Therapiemaßnahmen im individuellen Fall sinnvoll sind und wie der Therapieerfolg zu sichern und zu optimieren ist.

Mehr noch als bei jungen Menschen steht dabei auch die Frage an, wie im Falle von Erkrankungen die Funktionalität und damit auch die Lebensqualität zu erhalten und zu sichern ist. Es muss oftmals über eine Optimierung der Wohnstätte nachgedacht werden und es ist bei chronischen Erkrankungen praktisch immer ein Langzeit-Case-Management erforderlich.

Erfolgreich Altern

Doch allen "Altersgebrechen" zum Trotz gibt es doch viele Menschen, die außergewöhnlich "erfolgreich altern", hieß es bei einem Presseseminar anlässlich des Internistenkongresses in Wiesbaden. Historisch betrachtet zeigt sich eindeutig eine Zunahme der körperlichen und geistigen Fitness bei einer großen Zahl der Menschen im "dritten Lebensalter", das die Experten inzwischen mit einem Alter von 70 bis 85 Jahren angeben.

Wichtig aber ist es, effektive psychologische Strategien zu entwickeln für eine adäquate Verarbeitung der objektiven Verlustbilanz im Alter. Das gilt vor allem im "vierten Lebensalter", also jenseits des 85. Lebensjahres. Dann drohen zwangsläufig beträchtliche Verluste der Lernfähigkeit und der kognitiven Plastizität und es kommt sehr häufig zur körperlichen Gebrechlichkeit und Dysfunktionalität.

Alterstypische Veränderungen der Pharmakokinetik

Hinsichtlich der Pharmakotherapie ist mit zunehmendem Alter der Patienten die gleichzeitige Einnahme mehrerer Medikamente zu bedenken. So zeigt sich im Alter ein exponenzieller Anstieg des Arzneimittelverbrauchs. Denn Menschen mit 50 bis 60 Jahren nehmen durchschnittlich zwei verschiedene Medikamente regelmäßig ein. Bei den 60- bis 70-Jährigen steigt die Rate auf 3,3 und bei den 70- bis 80-Jährigen auf 5,4 Arzneimittel an. Das schürt nicht nur die Gefahr von Interaktionen, sondern es sind immer auch die alterstypischen Veränderungen der Pharmakokinetik zu beachten. Dabei nimmt der Körperfettanteil bis zum 70. Lebensjahr um durchschnittlich 35% zu, das Plasmavolumen nimmt um 8% ab, das Gesamtkörperwasser geht um 17% zurück und die extrazelluläre Flüssigkeit sogar um 40%. Das kann wiederum Einfluss auf die Wirksamkeit bestimmter Pharmaka haben, aber auch Einfluss auf die Rate an Nebenwirkungen.

Zu fragen ist in diesem Zusammenhang stets auch, inwieweit Patienten im hohen Lebensalter einen langfristigen Nutzen von den jeweils geplanten Interventionen haben werden, ob es also sinnvoll ist, bei einem Hochbetagten noch eine strikte Blutdruckkontrolle oder eine konsequente Senkung der Blutfette anzustreben. In vielen Bereichen fehlen Studiendaten zur Klärung solcher Fragen, doch gibt es zunehmend auch Untersuchungen, die speziell die Situation von alten Menschen beleuchten. Ein Beispiel ist die HYVET-Studie (The Hypertension in the Very Elderly Trial), in der jüngst ein klarer Nutzen einer adäquaten Hochdruckbehandlung auch bei Patienten jenseits des 80. Lebensjahres gezeigt werden konnte.

In der Altersmedizin angestrebt wird davon unabhängig eine zunehmend individualisierte Medizin und dabei auch eine personalisierte Pharmakotherapie, die die individuelle gesundheitliche Situation des Patienten stärker berücksichtigt. Ziel soll es dabei sein, im konkreten Fall durch Therapieverfahren, die direkt auf die Bedürfnisse des jeweiligen Patienten zugeschnitten sind, die Effektivität der Behandlung zu steigern, das Nebenwirkungsrisiko zu minimieren und letztlich auch die Kosten der eingesetzten Maßnahmen zu reduzieren.

Quelle Prof. Dr. Elisabeth Steinhagen-Thiessen, Berlin; Prof. Dr. Heyo Klaus Kroemer, Greifswald; Prof. Dr. Georg Marckmann, Tübingen: "Altersmedizin - eine interdisziplinäre Aufgabe für das Gesundheitssystem", Wiesbaden, Diskussion beim 116. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin, veranstaltet von der MSD Sharp Dohme GmbH, Haar.

 


Medizinjournalistin Christine Vetter

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