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Frondienste in Kassen-Knechtschaft?

Peter Ditzel

Hilfsmittelliefervertrag – dieses Wort hat beste Chancen, das pharmazeutische Unwort des Jahres 2010 zu werden und damit die Worte "Rabattvertrag" und "Retaxation" abzulösen. Der Hilfsmittelliefervertrag der Barmer-GEK/TK, dem der Deutsche Apothekerverband (DAV) zugestimmt hat, hat den Namen "Vertrag" nicht verdient. Meistens profitieren beide vertragschließenden Seiten von einem Vertrag. Nicht so hier. Wenn der Apotheker den Versicherten dieser Kassen Hilfsmittel wie Inhalationsgeräte oder Milchpumpen liefern will, muss er sich dem Vertrag unterwerfen, eine Liste von Anforderungen erfüllen bis hin zur Einführung eines Qualitätsmanagementsystems und erhält dafür quasi Niedrigvergütungen. Danke für diese Kassen-Knechtschaft! Wir freuen uns, Frondienste für die Barmer-GEK/TK tun zu dürfen. Mit diesem Vertrag ist wieder einmal mehr ein Höhepunkt in der Beziehung zwischen "Partnern" im Gesundheitswesen erreicht worden.

Wie Apotheker diesen Vertrag empfinden, lässt sich auf DAZ.online (www.deutsche-apotheker-zeitung.de) aus den Antworten zu unserer Umfrage ersehen. Rund zwei Drittel derjenigen, die geantwortet haben, wollen dem Vertrag nicht beitreten. Die Kommentare dazu sprechen eine eigene Sprache.

Was wäre eigentlich, wenn die Mehrheit der Apotheken diesem Vertrag nicht beitritt? Wie will die Barmer-GEK/TK ihre Versicherten mit den Hilfsmitteln versorgen? Das nächste Sanitätshaus ist nicht gleich um die Ecke.

Da die Kasse ein Qualitätsmanagementsystem von den Apotheken fordert, die ihre Versicherten mit Hilfsmitteln beliefern dürfen, ist ein Großteil der Apotheken davon ausgeschlossen. Ich habe bisher noch keine plausible Antwort auf die Frage gehört, ob man wirklich QMS braucht, um Inhalationsgeräte, Milchpumpen und Blutdruckmessgeräte abgeben zu dürfen. Warum erkennt diese Kasse ein vierjähriges Pharmaziestudium, das Staatsexamen, die Approbation, die Apothekenbetriebsordnung nicht als ausreichend für die Abgabe von Hilfsmitteln an?

Hört man sich in Kreisen der Apothekerverbände selbst um, so gesteht man in vielen Fällen zu, dass dieser Vertrag ein Unding ist. QMS als Voraussetzung zum Vertragsbeitritt sei allerdings auf Kassenseite nicht verhandelbar gewesen. Daher akzeptierte man diese Forderung, um denjenigen Kolleginnen und Kollegen, die QMS haben und Hilfsmittel liefern wollten, diese Möglichkeit nicht zu versperren.

Man kann sich jedoch fragen, ob der Verband nicht doch lieber hätte hart bleiben sollen. Was wäre gewesen, wenn der DAV nicht zugestimmt hätte? Hätte die Kasse es dauerhaft wirklich in Kauf genommen oder nehmen können, dass Hilfsmittel nicht mehr über Apotheken geliefert werden? Und wirkt dieser Vertrag als Einladung für andere Kassen, die Apotheker ebenso unter Druck zu setzen? Die Diskussion zum Hilfsmittelliefervertrag wird weitergehen.

Angriff auf die Apotheken auch von der Chefin des Spitzenverbands der Krankenkassen, Doris Pfeiffer. In einem Interview mit der Rheinischen Post zieht sie mächtig vom Leder: Der Zwangsrabatt von 2,30 sollte gesetzlich festgeschrieben werden. Und: "Die Gewinnspannen der Apotheken sind immer noch so groß, dass sich mehr Apotheken halten können als benötigt werden." Rückfrage: Wie viele Apotheken werden denn eigentlich benötigt, Frau Pfeiffer? Wie viele Apotheken sollten denn den Versicherten der gesetzlichen Kassen zur Verfügung stehen?

Und schließlich: Bundesgesundheitsminister Rösler macht mit seinen Sparplänen nicht vor Apotheken Halt. Mit einer Kürzung der Handelsspannen des Großhandels werden die Apotheken empfindlich getroffen: Das würde bedeuten, dass die bescheidenen Großhandelsrabatte, wie sie heute noch gewährt werden, nahezu vollkommen wegfielen und auf mickrige "Funktionsrabatte" schrumpfen würden. Einerseits stellen die Kassen immer mehr Anforderungen an die Apotheken, andererseits wollen sie dafür immer weniger bezahlen und immer mehr Zwangsrabatt. Und das Ministerium will sogar noch den letzten Großhandelsrabatt an die Apotheken abschöpfen. Da drängt sich mir die Frage auf: Wie hoch liegt eigentlich der gesetzliche Mindestlohn für Apotheker?


Peter Ditzel

Ein starkes Fortbildungswochenende

Mit über 3300 Besuchern bleibt die Interpharm, die am vergangenen Wochenende im Congress Center Frankfurt stattfand, weiterhin der größte pharmazeutische Fortbildungskongress in Deutschland. Apothekerinnen und Apotheker, PTA und PKA sowie zahlreiche Pharmaziestudierende aus ganz Deutschland hörten ein anspruchsvolles und abwechslungsreiches wissenschaftliches Fortbildungsprogramm. Die angeschlossene Wirtschafts-Interpharm deckte wirtschaftliche und berufspolitische Themen ab. Die Interpharm-Party in der Kameha-Suite, derzeit Frankfurts "In-Adresse", lud zum Feiern und Relaxen ein. Lesen Sie unseren Vorbericht zur Interpharm in dieser Ausgabe.

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