Aus Kammern und Verbänden

Apothekersorgen in Wahlkampfzeiten

Der alljährliche sommerliche "Treffpunkt Apothekerhaus" ist zu einer bewährten Institution geworden. Bereits zum sechsten Mal luden die Hamburger Apotheker am 6. Juli in den Garten ihres Apothekerhauses ein, um mit Politikern und anderen Verantwortlichen im Gesundheitswesen aktuelle berufspolitische Fragen zu diskutieren und für die Anliegen der Apotheker zu werben. Besonders problematisch für den Apothekenalltag ist derzeit die Berücksichtigung der Indikationen beim Austausch von Rabattarzneimitteln.
Der Garten des Hamburger Apothekerhauses bietet einen guten Rahmen für eine sommerliche Veranstaltung an ­einem zentral gelegenen Ort.

Fotos: DAZ/tmb

Rabattarzneimittel dürfen nur bei gleichem Indikationsbereich ausgetauscht werden. Bisher war dies so interpretiert worden, dass das auszutauschende Arzneimittel für alle Indikationen des verordneten Produktes zugelassen sein muss. Krankenkassen und Bundesgesundheitsministerium gehen inzwischen aber davon aus, dass bereits bei nur einer gemeinsamen Indikation ausgetauscht werden muss. Die praktischen Folgen beschrieb Dr. Jörn Graue, Vorsitzender des Hamburger Apothekervereins: "Um von den Krankenkassen nicht in Regress genommen zu werden, gibt die Apotheke dem Patienten ein Medikament, das für dessen Krankheit nicht zugelassen ist und für das keine klinischen Untersuchungen zur Wirksamkeit und Unbedenklichkeit vorliegen." Die Arzneimittelsicherheit bleibe dabei ganz offensichtlich auf der Strecke. "In pseudojuristischer Rabulistik differenziert das Ministerium in diesem Zusammenhang zwischen einem arzneimittelrechtlichen Anwendungsgebiet und dem sozialrechtlichen Begriff der Indikation", so Graue. Wieder einmal habe der Gesetzgeber eine Regelung nicht bis zu Ende gedacht. Das gleiche Problem gelte für den Herstellerrabatt, den die Apothekenrechenzentren zugunsten der Krankenkassen einziehen müssen. Die Apotheken bleiben auf den Beträgen sitzen oder müssen sie über mehrere Instanzen einklagen, erklärte Graue. Schlimmstenfalls werden die Hersteller insolvent, wie in einem jüngsten Fall.

Keine Klärung durch AMG-Novelle

Auch bei grundsätzlichen berufspolitischen Fragen sieht Graue nach dem EuGH-Urteil zum Apothekenfremdbesitz keineswegs Ruhe für die Apotheken: "Der regulierte Arzneimittelmarkt ist nicht zusammengebrochen, aber die Apotheken werden sich umorientieren müssen, sie werden Neuland betreten müssen."

Dennoch habe es die Politik nicht geschafft, im Rahmen der 15. AMG-Novelle die durch das Bundesverwaltungsgericht aufgezeigten Lücken in der Versandhandelsregelung zu stopfen. "Die Ratlosigkeit der beiden Volksparteien war mit den Händen zu greifen", so Graue. Im Wahlkampf werde abgewartet und beruhigt bis nach der Wahl "und dann kommen die buchstäblichen Katzen aus dem Sack". Doch wenn sich ein Missstand erst etabliert hat, "gibt es niemanden in der Politik, der einen anderen Ton anschlägt", so Graue. Dann werde meist auf die Freiheit der Berufsausübung verwiesen. Appelle, dass der Staat im Interesse des Gemeinwohls Einschränkungen zulassen könne oder sogar müsse, würden ungehört verhallen. "Nehmen Sie sich ein Beispiel am rezenten Beschluss des Kartellamts, das bei der Verhängung von Bußen gegen Meinungsäußerungen offensichtlich keinerlei Einschränkung der Berufsfreiheit erkennen möchte", erklärte Graue dazu.

Langfristige Perspektive

Rainer Töbing, Präsident der Hamburger Apothekerkammer, begrüßte nochmals die Klarheit und Eindeutigkeit des EuGH-Urteils. Doch mit Ausnahme von Heribert Prantl in der "Süddeutschen Zeitung" hätten die Kommentatoren in der Publikumspresse unterstellt, zwischen den fast 22.000 Apotheken finde keinerlei Wettbewerb statt und "der Verbraucher ist gebeutelt ohne Ende von ständischen, ja fast mafiösen Strukturen", so Töbing. Erst die Konzerne würden dieses Elend angeblich beenden, diese würden die gleichen Journalisten aber sonst als "Heuschrecken" brandmarken. Mit dem Urteil sieht Töbing die Diskussion über das Fremdbesitzverbot nicht beendet. Zudem werde die EU-Kommission über den Verbraucherschutz weiter versuchen, das Gesundheitswesen in Europa zu harmonisieren.

Die Entwicklung der Pick-up-Stellen sieht Töbing als Teil einer politischen Strategie von Gesundheitsministerin Ulla Schmidt: "Sie will ja auch alle Fachärzte an Kliniken oder in medizinische Versorgungszentren bringen, wie es in den Niederlanden schon die Regel ist", so Töbing. Dann seien in der Fläche auch keine Apotheken mehr nötig. Daher würden deutsche Apotheker an der niederländischen Grenze auch von einem Ansturm aus dem Nachbarland nach 17 Uhr berichten, weil dort dann kein Facharzt mehr erreichbar sei. So müssten sich deutsche Politiker fragen lassen, warum sie ein vom EuGH für perfekt erklärtes Gesundheitssystem durch Pick-up-Stellen schwächen wollen.

tmb

Dietrich Wersich, Hamburger Senator für Soziales, Familie, Gesundheit und Verbraucherschutz, diskutierte mit den Apothekern.
Die Gastgeber beim Hamburger Treffpunkt Apothekerhaus: Kammerpräsident Rainer Töbing (links) und Vereinsvorsitzender Dr. Jörn Graue.

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