Management

Apothekenmanagement mit Kennzahlen

Der Arzneimittelmarkt unterliegt permanent neuen Eingriffen durch den Gesetz- und Verordnungsgeber. Und die Arbeit in den Offizinen leidet unter den (modifizierten) Verträgen mit den Krankenkassen weiter (Stichwort: Rabattverträge). Zugleich wird die Ausübung der pharmazeutischen Kernkompetenz im Gespräch mit den Kunden und Patienten immer wichtiger. Dabei darf aber der Blick für die wirtschaftliche Situation und Entwicklung des Unternehmens Apotheke nicht vernachlässigt werden, soll die eigene Existenz, ebenso wie die der Mitarbeiter, nicht aufs Spiel gesetzt werden. Die verfügbare Zeit muss dabei sinnvoll auf die zu erledigenden Aufgaben aufgeteilt werden. Deshalb benötigt das Wirtschaftsunternehmen Apotheke ein Instrumentarium, mit dem es schnell und zuverlässig die wesentlichen Faktoren erkennen und analysieren kann, die das wirtschaftliche Ergebnis des Unternehmens beeinflussen (können). Ein systematisch aufgebautes Kennzahlensystem, konzentriert auf das Wesentliche, erfüllt diese Voraussetzungen1 .
Das Ende Damit es mit der Rheingold-Apotheke nicht so weit kommt, ist es wichtig, dass sie sich rechtzeitig mit ihren Apothekenkennzahlen beschäftigt. Dadurch kann Fehlentwicklungen gegengesteuert werden.
Foto: bilderbox

Versorgung sicherstellen und …

Den Apotheken obliegt die im öffentlichen Interesse gebotene Sicherstellung einer ordnungsgemäßen Arzneimittelversorgung der Bevölkerung, besagt § 1 Abs. 1 des Apothekengesetzes. Folglich ist der Offizin-Apotheker2 Heilberufler, also dem Gemeinwohl verpflichtet. Das unterstreicht aktuell die zum 1. Januar 2004 geänderte Arzneimittelpreisverordnung für verschreibungspflichtige Fertigarzneimittel. Abgeleitet aus dem gesetzlich normierten Versorgungsauftrag betont die Spitzenorganisation der deutschen Apothekerinnen und Apotheker immer wieder: Die Zukunft der öffentlichen Apotheken in Deutschland wird pharmazeutisch entschieden! Diese Behauptung ist unstrittig.

… rentabel wirtschaften!

Zugleich gilt aber immer noch: In unserem Gesellschaftssystem der Sozialen Marktwirtschaft werden auf Dauer nur rentabel betriebene Apotheken die gesetzlich normierte und im öffentlichen Interesse gebotene Sicherstellung einer ordnungsgemäßen Arzneimittelversorgung der Bevölkerung leisten können. Für jeden Apothekenleiter wird es wichtig, sich schnell und verlässlich einen Überblick über die wirtschaftliche Situation und Entwicklung seiner Apotheke zu verschaffen. Entscheidungen für die Zukunft müssen auf der Basis einer soliden Analyse getroffen werden; bei ggf. auftretenden Schwachstellen müssen die Ursachen schnell ermittelt sein, um gezielt gegensteuern/reagieren zu können. (Betriebswirtschaftliche) Kennzahlen helfen hier weiter, wie am Beispiel der Rheingold-Apotheke gezeigt wird.

Fall-Beispiel "Rheingold-Apotheke"

Seit Generationen versorgt die Rheingold-Apotheke3 die Bevölkerung von Kemmersdorf mit Arzneimitteln und sonstigen apothekenüblichen Waren und Dienstleistungen. Karl Klee, Apotheker in sechster Generation, hat die Rheingold-Apotheke im Jahr 2001 von seinem Vater übernommen.

Die Rentabilitätsanalyse, Umsatz und Ertrag

Aufgrund einer für das Jahr 2008 erstellten Rentabilitätsanalyse muss Apotheker Klee realisieren, dass die Rheingold-Apotheke erstmals in ihrer Geschichte in die roten Zahlen gerutscht ist.

So wurde in der Rheingold-Apotheke im Jahre 2008 auf einer Geschäftsfläche von 200 qm mit insgesamt 7,15 beschäftigten Personen (bewertet, einschl. Inhaber) ein Umsatz von 2,01 Mio. Euro (einschl. MwSt.) erzielt. Gegenüber dem Vorjahr (2007) war dies ein Rückgang um 2,2%, während "vergleichbare Apotheken" im selben Zeitraum Umsatzzuwächse von 5 und mehr Prozent verbuchen konnten.

Das Betriebswirtschaftliche Betriebsergebnis, ein wesentlicher Bewertungsmaßstab für den Erfolg oder Misserfolg des unternehmerischen Handelns und zugleich die wichtigste Rentabilitätsgröße im Handel generell, belief sich im Jahre 2008 auf – 1,9%. Die Analyse ist schnell durchgeführt: Der Rückgang der Rentabilität von 0,9% auf – 1,9% um 2,8 Prozentpunkte lässt sich aufspalten in eine drastische Minderung der Handelsspanne um 1,3 Prozentpunkte und eine ebenso deutliche Steigerung der Gesamtkostenbelastung um 1,5 Prozentpunkte (Abb. 1).

Dabei dürfte es keine Beruhigung für Apotheker Klee sein, dass die gesamte Apothekenbranche in den letzten Jahren eine nicht gerade erfreuliche Entwicklung der Rentabilitätswerte aufweist. Auch deshalb sollte der Branchentrend auch nicht Maßstab für die eigene Strategie sein, sondern der Vergleich mit den Besten, den Benchmark-Werten. Und hier zeigt die Rheingold-Apotheke ebenso eklatante Schwächen. Wenn dort ihre Handelsspanne um 5,4 Punkte unter und ihre Kostenbelastung um 5,8 Punkte über dem Benchmark liegt, ergibt sich zwangsläufig eine Abweichung der Rentabilität von 11,2 Prozentpunkten.

Eine Gegenüberstellung der Kennzahlen Spanne und Kostenbelastung in einem Diagramm zeigt die betriebswirtschaftliche Situation sehr deutlich. Je näher die Blase der Rheingold-Apotheke dem Benchmark-Wert in der oberen rechten Ecke kommt, umso erfreulicher die Rentabilität (Abb. 2).

Die Rheingold-Apotheke zeigt eine prekäre Situation: Sowohl der Berichts- als auch der Vorjahreswert liegen deutlich unterhalb des Zielwertes. Spanne und Kostenbelastung haben sich im Vergleich zum Vorjahr verschlechtert. Diese Situation ist in hohem Maße gefährlich für die Rheingold-Apotheke.

Das Ergebnis der betriebswirtschaftlichen Leistung lässt sich aber nicht nur in Bezug auf den Umsatz darstellen. Zunehmend kommen weitere Größen zur Messung der Leistung in der Apotheke zum Einsatz, vor allem die Zahl der bedienten Kunden, die Anzahl der abgegebenen Packungen oder die Anzahl der eingelösten Rezepte. Diese Werte haben den Vorteil, dass sie nicht durch den Verkaufspreis der verkauften Ware beeinflusst werden, da dieser zumindest im Bereich der verschreibungspflichtigen Fertigarzneimittel nach dem Kombimodell4 nur noch eine untergeordnete Bedeutung für Ertrag und Erfolg hat (Abb. 3).

Die Rentabilitätsentwicklung zum Vorjahr und der Unterschied zum Benchmark sind auch hier sehr groß, allerdings werden die Analyseschwerpunkte stärker auf die Kosten gelenkt, da der Rohertrag pro Kunde – durch die neue AMPreisV bedingt – nur wenig abweicht.

Das kundenbezogene Portfolio zeigt diese veränderte Situation sehr eindrucksvoll. Aktuelle Werte und Vorjahreswerte liegen fast in einer vertikalen Linie untereinander, die Abweichungen sind vor allem bei den Kosten pro Kunde deutlich zu erkennen (Abb. 4).

Problembereiche erkennen und Lösungs-ansätze in Angriff nehmen

Nach eingehender Analyse der Handelsspanne, der Personal-, Raum- und Zinskosten sowie aller übrigen Kosten (wir verweisen an dieser Stelle auf den Vortrag anlässlich der diesjährigen Wirtschafts-Interpharm zum Thema Apothekenmanagement mit Kennzahlen am 27. März in Hamburg) sind folgende Problembereiche analysiert worden:

Die schlechte Rentabilität der Rheingold-Apotheke beruht sowohl auf einer zu geringen Handelsspanne als auch einer zu hohen Kostenbelastung.

Die Analyse der Handelsspanne lässt zwei Schwachstellen vermuten: Zum einen scheinen die Einkaufskonditionen nicht optimal ausgehandelt zu sein, zum anderen ist der ertragsstarke Frei- und Sichtwahlbereich wohl unterdurchschnittlich vertreten.

Die sehr hohe Kostenbelastung der Rheingold-Apotheke wird eher durch die schwache Produktivität von Mitarbeitern und Geschäftsfläche verursacht. Ursache dieser Produktivitäts-Schwachstellen ist eine enorm schwache Kundenfrequenz.

Die Analyse der Zinsen hat eine geringe Ausstattung mit Eigenkapital festgestellt. Die hohe Quote des sogenannten working capitals hat andererseits gezeigt, dass die finanzielle Stabilität nicht gefährdet ist.

Was ist der Rheingold-Apotheke zu empfehlen?

Das hier systematisch entwickelte Kennzahlensystem hilft, mögliche Konsequenzen bestimmter Maßnahmen besser zu planen. So sind die sich aufgrund der Analyse als kritisch herausgestellten Kennzahlen rot hervorgehoben, die aufgrund von Planungen für die Rheingold-Apotheke veränderten Kennzahlenwerte sind blau eingefärbt (Abb. 5).

Wenn es in unserem Beispiel gelänge, durch eine Steigerung der Marketing-Kosten die Kundenfrequenz und gleichzeitig den Umsatz pro Kunde zu steigern, so würden sich durch eine bessere Produktivität von Personal und Raum die Personal- und die Raumkostenbelastung senken lassen. Die höheren Marketing-Kosten würden zumindest teilweise dadurch kompensiert, dass die Umsätze insgesamt steigen und somit die übrigen Kostenbelastungen geringer würden.

Wie zumindest der Sicht- und Freiwahlbereich attraktiver gestaltet werden kann, wird mittels Methoden des Category Managements und der Sortimentspolitik – wiederum mittels Kennzahlen – analysiert.

Von der Analyse derKennzahlen …

Auf diese Weise werden Schritt für Schritt Finanzen, Sortiment, Kunden, Team/Mitarbeiter und Standort der Rheingold-Apotheke analysiert. Und nicht nur die "harten" Kennzahlen sondern auch "weiche" Faktoren wie Kunden- und Mitarbeiterzufriedenheit werden mit Punktzahlen, Schulnoten entsprechend, bewertet. Anschließend werden diejenigen fünf bis zehn Kenngrößen pro Bereich ausgewählt, die die spezifische Situation im Controlling am besten verdeutlichen.

… zur Balanced Scorecard

Abschließend werden für die Rheingold-Apotheke die einzelnen Bewertungstabellen (Scorecards) in einer Übersicht, dem Cockpit (auch Balanced Scorecard genannt), zusammengefasst (Abb. 6).

So kann die Situation der Rheingold-Apotheke auf einen Blick erkannt werden: Die Schwachstellen liegen in nahezu allen Scorecards, und dabei vor allem in den harten Kennzahlen. Die Finanzscorecard zeigt sogar, dass die betriebswirtschaftliche Situation sehr gefährlich ist.

Dabei bietet der Standort offensichtlich gute Voraussetzungen, sieht man einmal von der geringen Arztdichte ab. Bildet man aus den vier Apotheken-Scorecards "Finanzen", "Kunden", "Team" und "Sortiment" den Durchschnittswert von 3,3 und stellt diesen dem Standortwert von 2,4 gegenüber, so erhält man nachfolgendes strategisches Portfolio (Abb. 7).

Hier wird noch einmal deutlich, dass die Rheingold-Apotheke an einem entscheidenden Punkt steht. Wenn es ihr gelingt, die guten Standortqualitäten zu nutzen und in einen betriebswirtschaftlichen Erfolg umzumünzen, dann hat sie gute Zukunftschancen.

Fazit

Mithilfe relativ leicht verfügbarer Daten (aus dem Warenwirtschaftssystem [WWS], der Betriebswirtschaftlichen Auswertung [BWA] des Steuerberaters, aus anderen statistischen Quellen [zum Wettbewerbsumfeld] und einigen weichen Daten [überwiegend aus Passantenbefragungen]) ist es gelungen, für die Rheingold-Apotheke ein vollständiges internes Kennzahlensystem zu entwickeln, das letztlich in der Balanced Scorecard seinen Niederschlag findet. Das einfache, übersichtliche Cockpit hilft Apotheker Klee in Zukunft, frühzeitig wichtige Veränderungen zu erkennen – und mit geeigneten Maßnahmen zu (re)agieren.


Author
Dr. Burkhard Strobel,
Professor für Handelsbetriebslehre der Fachhochschule Worms,
Erenburgerstr. 19,
67549 Worms

Dipl.-Math. Uwe Hüsgen,
Bremerstr. 30,
45239 Essen

1 Auch Thema des Vortrages der Autoren anlässlich der diesjährigen Wirtschafts-Interpharm am 27. März 2009 in Hamburg

2 In diesem Artikel werden aus Gründen der besseren Lesbarkeit die Begriffe "Apotheker", "Mitarbeiter" usw. in der männlichen Form verwendet, ohne dass dies eine Zurücksetzung der "Apothekerinnen", "Mitarbeiterinnen" usw. bedeuten soll – und darf.
4 Der Begriff "Kombimodell" kennzeichnet die Ermittlung des Apothekenverkaufspreises durch eine Kombination eines Fixzuschlages von z. Zt. 8,10 € pro Packung zur Abgeltung der Handlungskosten und eines proportionalen Aufschlages von 3% des Einkaufspreises zur Abdeckung des wirtschaftlichen Risikos der Apotheke. Das Kombimodell ersetzt mit Einführung der neuen Arzneimittelpreisverordnung (AMPreisV) zum 1. 1. 2004 die alten degressiven Zuschlagsspannen für verschreibungspflichtige Fertigarzneimittel.
3 Die Rheingold-Apotheke ist frei erfunden, ebenso wie Apotheker Karl Klee. Dennoch kann das aus betriebswirtschaftlichen Daten konstruierte Beispiel (Case-Study) heute oder morgen auf (fast) jede Apotheke in Deutschland in ähnlicher Form zutreffen.
Abb. 1: Kennzahlenbaum Umsatzrentabilität
Abb. 2: Umsatzbezogenes Rentabilitätsportfolio
Abb. 3: Kundenbezogene Rentabilitätsanalyse
Abb. 4: Kundenbezogenes Rentabilitätsportfolio
Abb. 5: Optimierungsansätze
Abb. 6: Cockpit
Abb. 7: Apotheken-Portfolio

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