Gesundheitspolitik

Das Apotheken-A ist ein Leistungsversprechen!

Noweda-Chef Hollmann: Apotheker hinterfragen Dachmarkenkonzepte

ESSEN (az). Nach dem EuGH-Urteil werden sich einige Apotheker überlegen, ob Dachmarkenkonzepte noch sinnvoll für sie sind. Viele sind nämlich nach Auffassung von Wilfried Hollmann, Vorstandsvorsitzender der Pharmagroßhandlung Noweda, nicht an einer Dachmarke interessiert. Wir sprachen mit Hollmann über die Bedeutung des Apothekenurteils und die Auswirkungen auf den Markt.

Wilfried Hollmann

Foto: Noweda

AZ: Die Entscheidung vor dem Europäischen Gerichtshof ist gefallen. Wie bewerten Sie dieses Urteil?

Hollmann: Natürlich positiv, da mit dem EuGH-Urteil die Patienten weiterhin auf die Eigenverantwortlichkeit eines selbstständigen Apothekers vertrauen und auf eine qualitativ hochwertige Arzneimittelversorgung setzen können. Mit dem Urteil wird in aller Deutlichkeit hervorgehoben, dass Gesundheit Vorrang hat vor Profitstreben von Konzernen.

AZ: Haben Sie das Urteil in dieser Deutlichkeit erwartet?

Hollmann: Ja, uneingeschränkt ja. Die Noweda hat in der Vergangenheit immer wieder darauf hingewiesen, dass der EuGH bei richtiger Bewertung aller Fakten und der Sonderstellung des hohen Gutes Gesundheit nur so, wie geschehen, entscheiden konnte. Ich gebe zu, es war natürlich ein wenig Hoffnung dabei, aber alle Argumente waren auf der Seite der Befürworter des Fremdbesitzverbotes. Die Gegner hatten im Grundsatz kein durchschlagendes Argument. Sie haben ausschließlich mit populistischen Schlagworten wie Liberalisierung und Modernisierung des deutschen Apothekenwesens argumentiert.

AZ:Fast alle Großhandlungen, aber auch Branchenfremde haben in der Zeit des EuGH-Verfahrens Dachmarkenkonzepte etabliert, die viele als Vorläufer von Apotheken-Ketten angesehen haben. Aus welchen strategischen Gründen hat sich die Noweda anders verhalten?

Hollmann: Auf Ihre Frage will ich Ihnen zwei Antworten geben. Erstens waren wir, wie schon gesagt, immer davon überzeugt, dass der EuGH das deutsche Fremdbesitzverbot bestätigen würde. Und zweitens sahen wir und sehen wir die Gefahr, dass mit Franchise-Systemen und Dachmarkenkonzepten der Politik und der Öffentlichkeit der Eindruck vermittelt wird, die deutsche Apothekerschaft wünscht sich die Aufhebung des Fremdbesitzverbotes. Im Übrigen nutzen diese Systeme in der Regel nur den Systemanbietern, nicht aber den Apothekern und den Patienten.

AZ: Ist dieser Gedanke nicht überzogen?

Hollmann: Keineswegs. Wenn Sie die Endverbraucher fragen, dann werden Sie hören, dass fast alle meinen, die DocMorris-Apotheken gehören zu einer Kette. Selbst einige Journalisten der allgemeinen Presse wissen nicht, dass sich zum Beispiel DocMorris-Apotheken im Besitz von selbstständigen Apothekern befinden müssen. Wenn also Politik und insbesondere die Endverbraucher nicht mehr mit Eindeutigkeit die inhabergeführte Apotheke wahrnehmen können, da könnte die Politik das Fremdbesitzverbot in Frage stellen. Sie wissen ja: Gesetze werden stets den Marktrealitäten angepasst.

AZ: Dachmarken-Konzepte sind vielfach gegründet worden, um den mitmachenden Apothekern die Sicherheit oder auch nur vermeintliche Sicherheit zu geben, man wäre für den Fall der Aufhebung des Fremdbesitzverbotes gut vorbereitet. Glauben Sie, dass diese Konzepte nun, wo die Entscheidung gefallen ist, an Bedeutung verlieren?

Hollmann: Mit dem Glauben ist das so eine Sache. Tatsache ist, dass sich viele Apotheker mit der Teilnahme an einem Dachmarken-Konzept keine tatsächliche, sondern nur eine gefühlte Sicherheit eingekauft haben. Diese Apotheker wollten und wollen im eigentlichen Sinne keine Dachmarke für Ihre Apotheke; sie wollten aber für den Fall des Falles auf dem Trittbrett des Zuges stehen. Diese Apotheker werden sich das weitere Mitmachen jetzt genau überlegen, zumal sie zum Teil hohe monatliche Beträge aufwenden müssen.

AZ: Können Sie quantifizieren, in welchem Ausmaß diese Dachmarken-Kooperationen an Bedeutung verlieren?

Hollmann: Nein, das kann ich nicht. Im Markt war seit dem Plädoyer von Yves Bot aber feststellbar, dass zahlreiche Apotheken ihre Teilnahme gekündigt haben. Da nun die Entscheidung gefallen ist, gehe ich von einem Abschmelzungsprozess aus. Immerhin sehen über 85% der Apotheker ihre Zukunft in ihrer eigenen selbstständig geführten Apotheke.

AZ: Sie haben in verschiedenen Veranstaltungen gesagt, dass mit einem positiven EuGH-Urteil die Diskussion um das Fremdbesitzverbot nicht beendet sein wird.

Hollmann: Richtig! Das EuGHUrteil war für die inhabergeführten Apotheken wichtig. Die Diskussionen werden vielleicht in der nächsten Zeit ein wenig verstummen, aber beendet werden sie damit nicht. Wir können sicher sein, dass die Befürworter des Fremdbesitzes, da nun der juristische Weg beendet ist, sich auf dem politischen Weg begeben werden. Denn, und das muss allen Apothekerinnen und Apothekern bewusst sein, der EuGH hat nur entschieden, dass das deutsche Apothekenrecht mit seinem Fremdbesitzverbot EU-konform ist. Nicht mehr und nicht weniger. EU-konform wäre allerdings auch der Fremdbesitz, der jedoch von allen Parteien, mit Ausnahme von Bündnis90/Die Gründen, nicht gewollt ist.

AZ: Die Noweda wird von 7000 Apothekerinnen und Apothekern getragen. Was empfehlen Sie Ihren Mitgliedern, da nun die Entscheidung gefallen ist?

Hollmann: In der Tat, die Noweda ist eine von vielen Apothekerinnen und Apothekern getragene Kooperation der eigenen Art. Wir freuen uns mit unseren Mitgliedern über das EuGH-Urteil. Wir empfehlen insbesondere, das Urteil als Verpflichtung und Aufforderung anzunehmen. Es darf keine Phase des Zurücklehnens geben, vielmehr dürfen sie in ihrem Bemühen um eine qualitativ hochwertige Arzneimittelversorgung nicht nachlassen. Wenn die Gesellschaft durch die Leistungen der inhabergeführten Apotheken einen nicht wegzudenkenden Nutzen erfährt, wird das Fremdbesitzverbot noch lange Bestand haben. Das Apotheken-A ist ein Leistungsversprechen!

AZ: Vielen Dank für das Gespräch!

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