Gesundheitspolitik

Bananenrepublik

Peter Ditzel

Keine Verordnung hat den Apotheken in den letzten Jahren nervlich derart zugesetzt wie die Rabattverträge. Bei ihrer Einführung wollten uns unsere Funktionäre diese Regelung noch als Preis der Abwendung von Höchstbeträgen verkaufen, als ach wie tolle Möglichkeit, unter Generika auswählen zu dürfen und die Aut-idem-Regelung unter pharmazeutischen Aspekten handhaben zu können. In der Praxis haben sich die Rabattverträge jedoch mittlerweile als Desaster für Apotheken und Patienten entpuppt, als Bürokratiemonster. Und durch die unsäglichen Retaxierungen und Retax-Fallen als Folterwerkzeug für die Apotheken. Die Abgabe eines Rabattarzneimittels ist mittlerweile zur promotionsfähigen wissenschaftlichen Arbeit geworden. Wenn man versucht Laien zu erklären, wie viel Vorgaben bei der Auswahl dieser Präparate zu beachten sind, welche Eingaben ins EDV-System vorzunehmen und wie schließlich die Suchergebnisse zu interpretieren sind und letztlich das Präparat auszuwählen ist – man erntet nur Kopfschütteln über das, was sich Bürokraten ausdenken können, um einfache Vorgänge kompliziert zu machen; mit dem Ziel, wenige Cent pro Packung zu sparen, wobei die Höhe der Einsparungen geheim ist. Ganz zu schweigen von der Überzeugungsarbeit bei den Patienten, die sich immer wieder auf neue Präparate einstellen müssen.

Neues Ungemach und die Retax-Folter droht von einem bereits seit November existierenden und erst jetzt bekannt gewordenen Schreiben des Ministeriums, wonach ein Arzneimittel immer dann austauschbar sein soll, wenn eines seiner Anwendungsgebiete dem gemeinsamen Indikationsbereich angehört. Im Klartext: Bisher waren zwei Arzneimittel mit gleichem Wirkstoff, gleicher Wirkstärke und Packungsgröße nur dann austauschfähig, wenn sie für alle Indikationen des ärztlich verordneten Präparats eine Zulassung besitzen. Der Apotheker durfte den Austausch verweigern, wenn die Indikationsbereiche nicht übereinstimmten. Jetzt interpretieren Ministerium und Kassen die Lage so, dass eine Austauschbarkeit auch dann gegeben sein soll, wenn nicht für alle Indikationen eine Zulassung besteht. Die Folge: Retaxierung von Apotheken, die sich an den bisher geltenden Konsens hielten. Ministerium und Kassen setzen sich jetzt über zulassungsrechtliche Fragen hinweg. Der Arzt könne ja bei Zweifeln das Aut-idem-Kästchen durchkreuzen. Dann allerdings kann er eine Wirtschaftlichkeitsprüfung an den Hals bekommen. Medizinisch, pharmazeutisch und rechtlich gesehen sind dies Zustände à la Bananenrepublik.


Peter Ditzel

0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.